Der (ungerechte) Dauner Hof in Bleckhausen

Matthias Heinen, Bleckhausen

Wer Bleckhausen in Richtung Manderscheid verlässt und hinter dem Ortsausgang links den geteerten Wirtschaftsweg zur Wacholderheide nimmt, folgt nicht nur einer bekannten Wanderroute zum Liesertal, der Weg führt ihn auch über die historische „alte Weinstraße“. Man betritt hier geschichtsträchtigen Boden und uraltes Bleckhausener Kulturland, auf dem Menschen von der Steinzeit bis zu den Siedlern der frühen Rodungszeit im Mittelalter immer wieder ihre Spuren hinterlassen haben. Die frühen mittelalterlichen Rodungsaktivitäten auf einem schon zur römischen Zeit genutzten Siedlungsareal werden Grund gewesen sein, dass dort ein 1100 Morgen großer, von bestimmten Lasten und Pflichten befreiter Bezirk entstand, an dem nur der Kurfürst von Trier Rechte hatte. Wie ein Keil trennte das Kurfürstliche Fronland mit seiner besonderen rechtlichen Stellung ehemals die Gemeinden Bleckhausen und Manderscheid, obwohl beide Orte durch Kirche und Verwaltung etwa 500 Jahre fast eins waren. Innerhalb dieser, mit Markstein und Grenzgraben umgebenen großen Ländereien, liegt zwischen dem Distrikt „auf dem Alten Hof“ und „auf dem Hof“ (Homelshof) ein weiterer mit Grenzmarken separierter Bezirk, der „Dauner Hof“. Wenig

Schriftliches ist uns über ihn erhalten und deswegen eine lückenlose Erforschung kaum möglich. Es soll aber mit diesem Beitrag versucht werden, wenigstens das bis jetzt Bekannte vor dem Vergessen zu retten.

Über viele Jahrhunderte hinweg besaß die Dauner Kirche diesen Hof in Bleckhausen. Man bezeichnete ihn als einen Freihof. Die Einnahmen aus der Verpachtung flossen als Pfründe allein der Kirche Daun zu. Dabei darf man den Begriff „Hof“ nicht allzu wörtlich nehmen und gleich mit einem Hofgebäude in Verbindung bringen. Ein solches hat es offenbar nie zu Dauner Zeiten gegeben, jedenfalls wird nie eines in den bisher vorhandenen Quellen erwähnt. Das im Volksmund angeblich existierende Hofhaus beruht allein auf den Beobachtungen unserer Vorfahren, die dort beim Ackern immer wieder Spuren einer vergangenen Bebauung feststellten. Diese Gebäude stammten jedoch nachweislich aus der römischen Epoche.

Freihof1 bedeutet: es ist ein freies Hofgut, also Freigut eines weltlichen oder kirchlichen Adligen, der zu grundherrlicher Zeit von gewissen öffentlichen oder grundherrlichen Abgaben und Diensten befreit war. Es ähnelte dem Rittergut, besaß aber nicht

dessen Herrschaftsrechte. Seine Sonderstellung passt aber zu dem des gesamten Fronlandes und lässt deshalb die Vermutung zu, dass irgendwann für die Kirche in Daun dieses Stück Land aus dem übrigen Frondistrikt herausgesondert wurde. Aus welcher Hand die Dauner Kirche ihre Rechte an diesem Stück Land erhielt, ist nicht überliefert.

Der älteste schriftliche Beleg über den Hof datiert ins Jahr 1506. Im Manderscheider Schöffen-Weistum heißt es kurz und knapp: „liegt binnen der Grenz wie oben gemeldet ein Hof, hat die Dauner Kirch“.

Im Feuerbuch von 1563 heißt es etwas ausführlicher: „die kirgh zu Duna haitt zu Bleckhusen binnent der froe-nenlandt ein hoeffgen, dient jairs ungef(erlich) 4 malter frucht, geit uff und neder mit verlenungh“2. 1720 steht im Grund- und Extraktenbuch Bleckhausen3: „die Kirche Daun hat binnen dem Churfürstlichen Frohn-land einen Distrikt Schiffelland von etwa 47 Morgen4, so dann ungefähr 1 ½ Morgen Wiesen“.

Namentlich sicher fassbar wird erstmalig ein Hofmann 1654. Die Bleckhausener Steuerlisten aus jenem Jahr erwähnen einen Leonhard Bauer, der gelehnte Güter be-wirtschaftet5. Er muss also zu dieser Zeit der Hofmann der Dauner Kirche gewesen sein, denn in den Listen von 1702 wird ausdrücklich ein Matthias Bauer als Hofmann der Dauner Kirche angegeben6.

Eine direkte Abstammung dieser beiden lässt sich damit aber nicht beweisen. Auch die Frage, ob es zwischen dem Hofmann Matthias Bauer und dem nachfolgenden Pächter Matthias Schotz eine verwandtschaftliche Beziehung gab, kann nicht eindeutig beantwortet werden. „Anno 1730, den 11 Aprilis aß der Freyhof der Kirchen Hof genant hiesiger Pfarkir-chen (Daun) zuständig, gelegen zu Pleckhaußen verlassen worden Matheiß Schotz und Consorten alß meistbietenden fur Jarlischen liberen einem zeitlichem provisori7 Martini an Koren 1 mltr., 8 Faß, Haber 3 mltr., 8 Faß. Die vorhin gewesenen Lehnsleuth haben 1730 den volligen Pachten gelieberth, die Eingestandenen solhen lieberen zum ersten mahl 1731, die belehnung ist auf 12 Jahr, dass (...ein Wort unklar...) sollen auch fur das Jahr 1730 die Eingestandenen Lehnsleuth genießen“8.

Die Pachtform war in diesem Falle eine Zeitpacht (Temporalleihe) auf 12 Jahre9. Nach Ablauf der vertraglich festgesetzten Zeit blieb der Hof meistens bei der vorherigen Pächterfamilie, vorausgesetzt, der Pachtzins wurde pünktlich gezahlt und die Bewirtschaftung des Hofes war anständig. Nach Ablauf der Pachtzeit fand dann die Erneuerung des Lehens nach altem Brauch in Daun vor der Kirche und in Anwesenheit des Pfarrers statt. Für die nächsten 60 Jahre schweigen die Quellen dann wieder bis 1790. In jenem Jahr wird von der Dauner Kirche eine Vermessung des Hoflandes mit Anlegung einer Karte durchgeführt. In diesem Lageplan werden auch die 1720 erwähnten 1½ Morgen Wiesen als zwei separate, vom Haupthof abgelegenen Parzellen dargestellt. Eine Wiese mit etwas mehr als 84 Ruthen lag in der „Rosbach“, die zweite in der „Mittel Au“, mit 1 Morgen und 76 Ruthen Flächeninhalt. Zusammen mit den 45 Morgen, 126 Ruthen Haupthofland wurde eine Gesamtfläche von 47 Morgen und 127 Ruthen gemessen. Die Wiesen lagen, wie die Namen „In der Rosbach“ und „In der Mittel Au“ es andeuten, in der Nähe vom Wasser. Ebenfalls ist die anfangs angesprochene, so genannte „Alte Weinstraße über Eck-feld“ wie sie in der Karte bezeichnet wird, dargestellt. Sie durchschneidet das gesamte Gelände. Diese Straße wird schon 300 Jahre vorher als „ die alte Straße“ in den Weis-tümern erwähnt. Von der Vermögenssäkularisation des geistlichen Besitzes zur Zeit der Franzosen wurde das „Dauner Kirchengut“ in Bleckhausen verschont. Jedenfalls in entsprechenden Verzeichnissen und Literatur ist hierüber nichts zu fin-den10. Der Pachtertrag diente dem Unterhalt der Kirche in Daun und damit dem Diener des Altars, wie man es damals formulierte. Anfangs erhielten nur die Pfarrer einer Kantonspfarrei (Hauptpfarrei), wie Daun damals eine war, ein Staatsgehalt.11 Den Pfarrern wurden jedoch die Erträge aus dem Pfarrwittum, die 1802 beschlagnahmt und 1804 wieder zurückgegeben wurden, auf ihr Gehalt angerechnet. Diese Umstände retteten den Hof der Dauner Kirche als Eigentum. Für einen jährlichen Pachtvertrag von 71 Franc wird der Hof im Januar 1813 an Peter Stadtfeld aus Bleckhausen auf (3,6, oder) 9 Jahre verpachtet. Diesem Eintrag im Lagerbuch der Pfarrei Daun folgt die Bemerkung „Lasten sind gewöhnliche Steuern“. Mit einer Genehmigung der königlichen Regierung12 vom 23.11.1838, wie ausdrücklich in den Katasterakten vermerkt wurde, verkauft die Dauner Kirche am 11.11.1838 „den ganzen Artikel in fünf Parzellen ohne Wohngebäude“ an Nikolaus Hölzer aus Daun. Die Genehmigung der Regierung in Trier zum Verkauf des Hofes war wegen der zuvor beschriebenen neuen Regelungen von 1802 zwischen Kirche und Staat notwendig. Der Gastwirt und Gutsbesitzer Hubert Nikolaus Hölzer war zur damaligen Zeit in Daun eine hochangesehene Persönlichkeit. Im Gasthaus Hölzer verkehrte nicht nur die Dauner Prominenz, sondern alles was Rang und Namen hatte. Kurzum, es war der Treffpunkt der lokalen Geschäftswelt.

Für Hölzer war der Hof jedoch nur ein reines Geschäftsobjekt. Bereits am 02.01.1839 verkaufte er „den ganzen Artikel ohne Wohngebäude“ wieder weiter. Der Käufer war Johann Röhl aus Bleckhausen. Wie Nikolaus Hölzer in Daun, so gehörte Johann Röhl in Bleckhausen zu den „besser Gestellten“ im Ort. Neben seiner Landwirtschaft betrieb auch er eine Gastwirtschaft13. Der Ankauf und die Finanzierung von ca. 50 Morgen Land waren scheinbar auch für Johann Röhl ein gewisses Risiko, denn schon etwa einen Monat später, also Februar 1839, ist schon ein teilweiser Verkauf des Gutes nachgewiesen. Ohne Notarsakt, wie im Grundbuch vermerkt ist, verkaufte Johann Röhl an Anna Maria Willems aus Bleckhausen und Simon Pan-tenburg und dessen Consor-ten, namens Anna Maria, Peter und Matthias Pantenburg. Die letzteren waren alles Geschwister von Simon Pan-tenburg aus Manderscheid. Auch Simon Pantenburg war in Manderscheid Gastwirt. Nach dem ersten Verkauf 1838 an Hölzer wurde somit das ehemals ungeteilte Gelände durch weitere Verkäufe und Vererbungen auf immer mehr Eigentümer aufgesplittert. Nach einem Lageplan des Hoflandes aus der Zeit um ca. 1850 war es damals bereits in 36 Parzellen auf sieben verschiedene Eigentümer verteilt. Auf Johann Röhl aus Bleckhausen entfielen neun Parzellen, auf Matthias Zimmer14 aus Bleckhausen sechs Parzellen. Diese kamen offenbar aus dem Anteil seiner Frau Anna Maria Willems aus Bleckhausen, sie besaß nur eine Parzelle. Matthias Pantenburg aus Manderscheid war beteiligt mit sechs, Simon Pantenburg aus Manderscheid mit fünf, Peter Pantenburg aus Manderscheid ebenfalls mit fünf und Anna Maria Pantenburg mit vier Parzellen. Die größten Parzellen jedoch waren auf Matthias Zimmer und Johann Röhl verteilt. In der bis heute im Volksmund lebendig gebliebenen Redewendung „der ungerechte Dauner Hof“ wird die berechtigte, aber nicht erfüllte Hoffnung der vielen anderen aus Bleckhausen deutlich, die damals leer ausgingen.

Anmerkungen:

11 Meyers Lexikon online: Freigut, Freihof, Hofgut eines Freibauern, das in grundherrlicher Zeit von öffentlichen oder grundherrlichen Abgaben und Diensten befreit war; ähnelte dem Rittergut, besaß aber nicht dessen Herrschaftsrechte.

12 Peter Brommer: Die Ämter Kurtriers, Edition des Feuerbuchs von 1563

13 LHAK Best. 1C 14970 Grund- und Extraktenbuch Bleckhausen 1720

14 Kurtrierische Morgen

15 Vgl. FB Bleckhausen S. 24 und 291, Stadtbibliothek Trier L 10/10

16 Vgl. FB Bleckhausen S. 24 und 297, Stadtbibliothek Trier L 10/10

17 Sachverwalter, Vertreter, Verweser

18 Rechte und Gefälle der Pfarrei Daun 1673 – 1721, S.229, Archiv VG Daun

19 Ein weiteres, etwas kleineres Gut als das Bleckhausener, besaß die Dauner Kirche bei Beinhausen auf dem Bann der Gemeinde Neichen im Distrikt „Steinen-loch“. Diese 30 Morgen und 24 Ruthen Acker, Wald und Wiese waren ebenfalls Schatzung und Zehntfrei, man gab drei Malter Hafer Pacht jährlich, es wurde auf 30 Jahre verpachtet und befand sich 1855 noch im Besitz der Dauner Kirche.

10 Säkularisation und Grundbesitz 1794-1813: Dr. E. Müller, Bonn, ebenso Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departements 1803.1813 Teil III Saar-Departement, von Wolfgang Schieder

11 Ausführlicheres zu diesem Thema findet sich bei Dr. J. Marx: Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier, 1. Band: Allgemeines, S. 278

12 Genaueres konnte über diese Genehmigung nicht ermittelt werden, die Akten zur Staatsaufsicht über die Kirche Daun beginnen erst im Jahre 1889. LHAK Best. 442 Regierung Trier