Zaubersprüche und Sympathiebücher

Mein Mann brachte mir vor einigen Jahren ein sehr schönes, perlenbesticktes Brillenetui vom Flohmarkt mit. Beim näheren Betrachten dieses Kleinods entdeckte ich im Innern zwei winzige, auf 4 x 8 cm gefaltete Zettelchen. Am vergilbten Papier und der Sütterlin-Handschrift konnte man erkennen, dass die Briefe schon lange ihren Platz im Perlenetui hatten. Gespannt, begann ich zu lesen:

Segen gegen Kugel etc. - Ich
trete über das Geschwell
Gott der Herr sei mein Gesell
der Himmel sei mein Hut
der fr…… sei mein Fuß
das Kreutz sei mein Schwerdt
das mich bei Tag und Nacht
erweckt.
Gott der Vater vor mir
Gott der Sohn neben mir
Gott der heilige Geist ob mir
Wer stärker ist als diese 3
Personen der komme her und
greife mich an
im Namen Gottes des Vaters
des Sohnes
und des heiligen Geistes
X X X

Auf der Rückseite werden noch Anweisungen gegeben, dass man am besten diesen Segen in „einer ungeraden Stunde“ abschreibt, an einer „ungeraden Stunde“ umhängt, und zwar an einer „ungebleichten Schnur“ mit einem „ungebleichten Läppchen Leinwand“. „Wenn man am Karfreitag in einer ungeraden Stunde schreibt ist’s noch besser“.

Das zweite Brieflein ist in „Feuersbrünsten und Pesti-lenszeit nützlich zu gebrau-chen“. Im Vorspann wird von einem Zigeunerkönig berichtet, der, um dem Tode durch den Strang zu entgehen, eine gerade ausgebrochene Feuersbrunst zum Stillstand bringt. Der Zigeunerkönig wird frei gelassen und sein Bannspruch wird „erstlich gedruckt zu Königsberg in Preußen bei Alexander Baumann 1715“ Der 28-zeilige Spruch beginnt:

Bist willkommen du feuriger Gast
Greif nicht weiter als was du hast
…Du wollest stille stehen So wahr Christus stand am Jordan“
Weiterhin werden die Heilige Dreifaltigkeit und Maria zitiert. Im Nachwort heißt es:

„Wer diesen Brief in seinem Hause hat bei dem wird keine Feuersbrunst entstehen…. im gleichen so eine schwangere Frau diesen Brief bei sich hat kann weder ihr noch ihrer Frucht eine Zauberei oder ein Gespenst schaden + + +“

Ein anderer, sehr langer Schutzbrief in meinem Besitz beginnt: „Kräftiges Gebet wodurch man sich für Kugeln und Degen für sichtbarlichen und unsichtbarlichen Feinden sowie für allem möglichem Uebel beschützen und bewahren könne.“ Dieser Brief schließt mit über 20 seltsamen, für mich unleserlichen, Zeichen.

Einen weiteren Haus- und Schutzbrief, der vor „Feindes Geschütz und Waffen….. vor Dieben und Mördern…. vor Pistolen und Geweh-ren“ schützt, konnte ich in doppelter Ausführung lesen. Dabei war genau zu sehen, welche Abschreibfehler der/ die zweite Abschreiber/in gemacht hatte. Die Briefe wurden also oft abgeschrieben und weitergegeben. Man verwahrte sie daheim oder trug sie im Geldbeutel oder in der Brusttasche immer mit sich. Diese Briefe wurden von Generation zu Generation weitergegeben.

Schon immer gab es Zaubersprüche und Zauberbücher. Wenn ältere Leute erzählen, dass jemand ‚so ein Buch’ besaß, handelt es sich meistens um das 6. oder 7. Buch Moses oder um das Albert-Magnus-Buch. Nachweislich wurden die Bücher Moses 1797 von dem geschäftstüchtigen Verleger Johann Scheible aus Stuttgart gedruckt. Wer diese Bücher nicht besaß, erwarb sich Abschriften davon. Vielleicht haben einige geschäftstüchtige Leute auch damit Handel getrieben. Die Besitzer der Bücher hielten sie geheim und machten viel ,Brimbori-um‘ drum herum. Je geheimnisvoller, desto wirksamer, war wohl die Devise. Auch hier ist die Unterscheidung schwierig und der Übergang vom Gebet zum Heilspruch und weiter zum Zauberspruch diffus. Wer über dieses interessante Thema mehr erfahren möchte, sollte das Buch „Dörfliche Heiler – Gesundbeten und Laienmedizin in der Eifel“ von Walter Hanf lesen.

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Wie ich der Homöopathie entfloh

Was so neu erscheint, wurde früher auch schon praktiziert

Gertrud Knobloch, Berg

Oft habe ich den Eindruck, es gibt auch heute noch viele Kinder, die sich ähnlich entwickeln, wie ich es tat. Ständig war ich krank, bis in das Schulalter hinein. Meinen heißersehnten ersten Schultag musste ich mit Masern daheim im Bett erleben, vergesse aber nie, wie mir ein kleines Schokoladen-Oster-nestchen und ein Fähnchen mitgebracht wurden, worauf ich innerlich beschloss, meinem Kranksein bald und für immer ein Ende zu machen. Ständig hatte ich unter Erkältungskrankheiten gelitten. Drei mal erwischte mich allein die Lungenentzündung noch unter dem Alter von fünf Jahren. Das hatte sicher mit den ungünstigen Verhältnissen daheim zu tun, wo man mich oft der Zugluft und Wind und Wetter aussetzte, auch im Winter immer im ungeheizten Zimmer schlafen ließ. Die Wohnungsverhältnisse waren so, dass lediglich in Küche und Wohnraum geheizt wurde. Wir Kinder pendelten immer - meist ohne zusätzliche Kleidung - zwischen Stall und Wohngebäude, und ich wurde Husten und Schnupfen niemals los, außer im Sommer. Eine meiner Tanten, die meine Großmutter besonders schätzte, hatte eine Vorliebe für die Homöopathie. Und so kam es, dass auch ich zu ihrer be vorzugten und hochgelobten Homöopathin hingeschleppt wurde. Das geschah schon ganz gegen meinen Willen, aber es kam für mich noch viel schlimmer. Es war gar nicht auszudenken, wie viele Krankheiten und Schwächen sie an mir fand. Schließlich hatte ich so viele Medikamente, Tees und Tropfen, dass sie gar nicht mehr in den Schrank passten. Mutter steckte sie der Einfachheit halber in einen Milchkessel, den sie nicht mehr brauchte und der damit fast voll wurde. Es war noch vor dem Schuleintritt, sonst wäre auch meine „Behand-lung“ gar nicht durchführbar gewesen. Der längste Zwischenraum zwischen zwei Medikamenteneinnahmen waren zwei Stunden. Mutter hatte vollauf zu tun, sie mir zu verabreichen. Kein Wunder, dass sie nach einiger Zeit damit etwas nachlässiger wurde, es war einfach zuviel. Mir grauste vor allem vor den Tees, so dass ich Heilteegenuss noch heute verabscheue! Sie schmeckten mir derart scheußlich, dass ich beschloss, sie nicht mehr zu trinken. Aber wie! Der wachen Aufmerksamkeit meiner Mutter wusste ich mich nur zu entziehen, indem ich behauptete, der Tee sei mir noch viel zu heiß. So entzog ich mich ihrer Aufmerksamkeit, da sie viel Arbeit hatte und nicht viertelstundenlang auf mich aufpassen konnte. War sie aber kurz verschwunden, wurde ich blitzschnell aktiv und kippte den gesamten Tee in den Ausguss, um dann scheinheilig zu behaupten, ich hätte ihn inzwischen doch schon ausgetrunken. Auch vor den Tropfen grauste mir, und das ständige Kontrolliertwerden ging mir so auf die Nerven, dass ich bei mir beschloss, ohne Tropfen und Tees so gesund wie möglich zu werden. Selbst meine sonst vorbildliche Mutter war der ständigen Kontrolle und Beaufsichtigung zum Verabreichen der Pillen, Tees und Tropfen auf Dauer schon aus Arbeitsgründen nicht gewachsen, da sie auch in Garten, Wiese und Feld mitarbeiten musste. Und so wirkte sich die „Potenz“ meines festen Willens immer öfter derart aus, dass die Medizin in den Spülstein wanderte, ich aber trotzdem mich mehr und mehr stabilisierte und keiner Homöopathie mehr bedurfte!