Der Holderbusch

Eine lebendige Hausapotheke

Felicitas Schulz, Hillesheim

Bereites den Steinzeitmenschen war der Holunder bekannt und die ursprüngliche alte germanische Kultspeise zur Sommersonnenwende bestand aus süßen ausgebackenen Holunderblüten. Im Glauben und Volksbrauchtum spielte der Holderstrauch eine große Rolle, wovon gar manches Märchen bezeugt, wie das der Frau Holle. Aus seinem Holz wurden Flöten und Pusteröhrchen geschnitzt. In der Römerzeit färbten sich die Frauen mit Holundersaft die Haare, was auch noch im Mittelalter geschah und diente als Färbemittel für Leinen und andere Stoffarten. Die Gründungslegende des Stiftes Klosterneuburg bei Wien von 1505 ist eng mit dem Holunder verwoben. Markgraf Leopold überlegte mit seiner Gattin Agnes, was ein guter Standort für eine Kirche sei, als ein heftiger Windstoß seiner Frau den Schleier fortriss und sie das Gespräch darüber beendeten. Jahre später entdeckt der Graf während einer Jagd unweit der Stelle an einem Holunderbusch den unbeschadeten Schleier seiner Gemahlin und wusste sogleich, an welcher Stelle er das „Kirchlein“ zu errichten hat. Seit Urzeiten wurde der Schwarze Holunder als grüner Hüter von Haus und Hof verehrt und oftmals an den fruchtbaren Misthaufen gesetzt und pflanzt man den Strauch nicht absichtlich, so tragen meist Vögel zu seiner Verbreitung bei. Ging ein Holunder von selbst beim Hof auf, galt dies als gutes Omen und kein Bauer wagte es, den Schutzbaum auszuhacken. Der schwarze Holunder (Sambucus nigra L.) wuchs früher, nicht nur in der Eifel, in jedem Garten. Er erreicht als Strauch oder Baum eine Höhe bis zu 8 Metern. Heute findet man das Geißblattgewächs wegen seines intensiven, leicht unangenehmen Geruchs kaum noch in den Gärten. In unsicheren Zeiten bedienten sich die Bauern des Holunders auch als Schatzhüter. Mussten Bewohner vor marodierenden Soldaten ihr Anwesen verlassen, so wurden die vorhandenen Wertgegenstände und Münzen schnell unter dem Holunderbaum vergraben und der Stamm samt Ästen abgehackt. Kehrten sie nach geraumer Zeit zurück, so erkannten sie sogleich, wo zu graben war, denn der Baum hatte wieder ausgeschlagen. Der Stamm und die ästigen Zweige sind innen mit einem schwammigen Mark, dem Holundermark, gefüllt. Im Juni/Juli ist der Holunder am schweren, süß-sommerlichen Duft der weiß bis elfenbeinfarbenen Blütendolden zu erkennen und im Herbst an den tintenschwarzen Früchten. Der griechische Arzt Hippo-krates rühmte die Heilpflanze und Plinius d. Ä. pries den Wurzelsaft in seiner „Naturalis Historica“ bei Wassersucht. Hildegard von Bingen (1098-1179), Äbtissin von Kloster Disibodenberg, lobte die Heilpflanze in ihrer „ Physica“ über alle Maßen. Vor allem die Blüten und die reifen Früchte finden Verwendung, weniger die grüne Rinde und nicht mehr die grünen Blätter. Alle Pflanzenteile mit Ausnahme der Blüten enthalten Blausäure-glykoside und sind deshalb roh leicht giftig. Weitere Bestandteile sind Ätherisches Öl, Saponin (auswurffördernd), Flavonide (Farbstoff), Gerbstoff, Harz, Schleim , Organische Säuren, Zucker und Vitamine. Über Generationen hinweg wusste man die Komponenten innerlich wie äußerlich zu nutzen, wie bei Abszess, Augen- und Blasenentzündung, Nasenbluten, Bronchitis, Gicht, Insektenstich, Hautkrankheiten, Rheumatismus und Transpiration. Die abführenden, harntreibenden und blutreinigenden Eigenschaften verhalfen dem Holunder zu dem volkstümlichen Segensspruch: „ Rinde, Beere, Blatt und Blüte, jedes Teil ist Kraft und Güte.“ Durch seine erweichende Wirkung lindert er Frostbeulen und begrenzt bei Tabakmissbrauch den gesundheitlichen Schaden. Ein Aufguss der Blüten wirkt bei fiebrigen Erkrankungen schweißtreibend und ein Vollbad mit Holunderblüten sehr entspannend. „Aus Holunderbeeren gesüßter Brei machen Brust und Hals wieder frei“, sangen die Mütter früher ihren kranken Kindern vor und waren sie wieder wohlauf, dann hieß es: „Nachbars Kinder und Nachbars Holunder bannest du nie auf die Dauer. Schließest du ihnen die Türe, oh Wunder, klettern sie über die Mauer“.