Das Pulvermaar und seine vulkanische Entstehung

Frank G. Fetten, Daun

Das Pulvermaar im Blick der Geologie


Mit diesem Bericht wird versucht, eine wissenschaftliche Vorstellung von der Entstehung des Pulvermaares, das nur teilweise geologisch erforscht ist, zu geben. Der See heute, mit einem Durchmesser von fast tausend Metern, ist ungewöhnlich rund und mit über siebzig Metern außerordentlich tief. Die Hänge sind gleichmäßig steil und fallen nach außen sanft ab; es scheint ein geschlossener Wall rings um den See zu liegen. Dieser besteht aus kleinen grauen, rundlichen Steinchen, durchsetzt mit kleinen und großen Brocken aus Schiefer: ein äußerst karger Boden, gerade ausreichend für Buchenwald bzw. Magerrasen. Von außen kommend, ragt dieser Wall mehr als zwanzig Meter über die umgebende Landschaft empor, um nach innen gut vierzig Meter zum Seespiegel hin abzufallen. Am Rande des Walles liegt eine alte Grube, ein geologischer Aufschluss, der einen Einblick in den Aufbau gibt: Dort erkennt man meterhohe Ablagerungen, zumeist ganz locker gepackt und nur von einer knappen Grasnarbe bedeckt. Dieses Lockermaterial besteht aus unscheinbar-langweiligem Gesteinsgrus, der gar nicht nach Lava aussieht. Bei genauem Sehen erkennt man einen Wechsel fein- und grobkörniger Schichten, auch Farbunterschiede, einzelne größere Blöcke. Der Fachmann sieht sogar Dünenstrukturen und Blöcke mit Einschlagsdellen, dazwischen immer wieder Schieferstücke, die - sofern Fossilabdrücke aufweisend - eindeutig als aus größerer Bodentiefe stammend und dem Erdzeitalter des Devons zuzuordnen sind. Die Schichten liegen nicht immer übereinander, auch Verwerfungen kommen vor und lassen zum ersten Male ahnen, dass hier große Kräfte wirkten. Die Dicke der Schichten und die Größe der Blöcke nimmt in Richtung auf das Zentrum des Sees zu - ein Zeichen, dass dieses Material einmal aus dem Bereich des Maares transportiert worden war, und zwar sowohl durch die Luft als auch durch turbulente Kräfte parallel zur Erdoberfläche. Die Wurfbahnen waren dabei relativ flach, auch viele Bomben drückten beim Aufschlag den Boden nur leicht ein. Es lassen sich keine einzelnen Wurftrichter unterscheiden, weshalb ein Auswurf aus dem Trichterzentrum in kleinen Stößen nach allen Richtungen zu rekonstruieren ist. Echte Olivinbomben, wie sie in anderen Teilen der Vulkaneifel zu finden sind, fehlen. Ebenso die klassischen Ergussgesteine der aktiven Vulkane. Nur an einer einzigen Stelle, am inneren Südrand des Walles, findet sich aus dem Schlot herausgequollene Basaltlava (mit Olivin, Augit u.a. Ein-sprenglingen). Wieviel Masse steckt in diesem Wall? Schwierig zu schätzen, denn was man heute sieht, ist nicht das, was einmal war. Laufend arbeiten Wind, Regen und nicht zuletzt der Mensch an diesem Wall und führen zu permanenter Abtragung. Innen, im See, ist es umgekehrt: Jedes einmal im Maarkessel gefangene Teilchen, ob Stein, Blatt oder ganzer Baum, rutscht irgendwann ins Wasser und füllt den trichterförmigen Untergrund auf. Schätzungen für die ursprüngliche Höhe zwischen der tiefsten Stelle im See und der höchsten Stelle auf dem Wall gehen bis zu 300 Meter. Davon ist heute nicht einmal die Hälfte übrig geblieben!

Pulvermaar –
älter als 20.000 Jahre


Der bestdatierte Vulkanausbruch der Eifel, jener des Laa-cher-See-Vulkans, geschah vor rund 12.900 Jahren (im ausgehenden Quartär-Zeitalter). Damals war die letzte Eiszeit (Weichsel-WürmGlazial) bereits zu Ende gegangen, Pflanzen und Tiere der damaligen Landschaft ähnelten nicht mehr derjenigen einer kalten und baumlosen Tundra (wie im heutigen Island), sondern schon eher einer kühl-feuchten Landschaft mit Aue- und Kiefernwäldern (wie im heutigen Finnland). Das Ulmener Maar ist erwiesenermaßen jünger als der Laacher See, da sich Laacher Bims unter Ulmener Auswurf findet. Für alle anderen Ei-felmaare wird dagegen ein höheres Alter angenommen.

Dafür spricht zum Beispiel, dass sich im Pulvermaar natürliche Terrassen zehn bis zwölf Meter unter dem heutigen Wasserspiegel finden, die sich eigentlich nur durch die Annahme eines damals niedrigeren Grundwasserstandes erklären lassen. Dies lässt wiederum auf ein dauerhaft deutlich trockeneres Klima schließen, was auf die kontinental-trocken-kalte Hochphase der letzten Eiszeit vor mehr als 20.000 Jahren verweist. Die früher auf Grund der Pollenanalyse favorisierten Altersangaben für die Eifeler Maare von 10.000 bis 20.000 Jahren sind deshalb durchweg zu niedrig und müssen wohl deutlich erhöht werden.
Es hängt also sehr an einer möglichst genauen Datierung, welches Klima und welche Landschaft man für die Entstehung des Pulvermaares vermuten kann. Da das Pulvermaar älter als 20.000 Jahre sein dürfte, entstand es in einer mutmaßlich baumlosen Tundra-Landschaft, vermutlich mit Schnee und Eis, vielleicht mit Dauerfrostboden und bloß von schütterer Vegetation bedeckt.
Der heiße Untergrund: Magma
Die Eifel - als Teil des größeren Rheinischen Schildes (Rheinisches Schiefergebirge) - ist ein altes Gebirge, vor vielen Millionen Jahren durch tektonische Kräfte emporgehoben. Seit mehreren Hunderttausend Jahren hebt sich die Eifel erneut, zwar um weniger als einen Millimeter pro Jahr, aber in geologischen Zeiträumen deutlich messbar. Diese Hebung scheint mit dem Vulkanismus in Zusammenhang zu stehen. Unter dem Eifeler Teil des westlichen Rheinischen Schildes rekonstruieren die Geologen eine Aufstiegszone heißen, weitgehend verflüssigten Materials (Magma), welches aus dem äußeren Erdmantel, aus teilweise mehr als 400 km Tiefe, nach oben drängt und unter der zentralen Eifel vermutlich eine Schwächezone in der Erdkruste ausnutzt, um sich der Erdoberfläche zu nähern. Dieses Magma ist deutlich über 1100°C heiß und besteht aus einer mit Gasen und ersten Kristallen durchsetzten flüssigen ‚Suppe‘, deren Zusammensetzung und Verhalten sich je nach Temperatur und Druck ändert und deshalb die genaue Rekonstruktion eines spezifischen Ausbruches auch so schwer macht.


Die Lebensdauer des Pulvermaar-Vulkans


Ist das Pulvermaar durch einmalige Aktion oder erst durch eine lange Reihe gleichartiger Aktivitäten entstanden? Einerseits finden sich Indizien, dass vulkanische Tätigkeit sich über lange Zeiträume hinweg immer wieder gleichartig entfalten kann. Dazu passt die Aufgliederung des Pulvermaarwalles aus vulkanischem Lockermaterial in viele Schichten, wobei gilt: „Jede Lage ist eine Explosi-on.“ - nur in welchem Zeitraum? Andererseits scheint das Pulvermaar morphologisch so intakt, so kreisrund, so gleichmäßig in seiner Gestalt innen wie außen, das Gestein so eintönig, dass eine einmalige Aktivität die plausiblere Lösung zu sein scheint.
„Eine“ Eruption kann Minuten dauern - oder Hunderte von Tagen/Wochen, je nachdem, wie großzügig man mit dem Begriff umgeht. Durch andere Forschungen weiß man, dass Vulkane eine abwechslungsreiche Ausbruchsgeschichte haben können: mehrere bis viele einzelne Ausbrüche, teilweise mit längeren Ruhephasen dazwischen, mit sehr unterschiedlichen Auswürfen von feinstaubiger Asche bis hin zu überwiegend geflossener Lava in je einzelnen Phasen usw. Auch aus dem Westei-feler Vulkanfeld gibt es ein Beispiel für mehrphasige Vulkane, und zwar das dem Pulvermaar nächstgelegene Strohner Märchen: Hier wandelte sich ein zuerst über längere Zeit dauerhaft (spuckender) Vulkan mit kräftigen Auswürfen von Lava und Schlacken (- der Römerberg als Schlackenwall) in einen Vulkan mit Gas-Explosionen und Aschewürfen. Vom Pulvermaar dagegen gibt es keine Hinweise auf eine mehrphasige Ausbruchsgeschichte. Der Vulkan war also wohl nur kurzzeitig aktiv. Da er allerdings viel Auswurf produzierte, muss die Eruptionskraft umso heftiger gewesen sein. Die ungeheure Kraft, welche den Maarkessel eintiefte und den Wall aufwarf, war - Wasser!


Magma plus Wasser gleich Dampf


Kommt es zu einer vulkanischen Explosion durch Kontakt heißen Magmas mit kühlem Wasser, so liegt eigentlich eine Dampfexplosion vor. Eine solche kommt oft plötzlich und ist deshalb äußerst heftig, kommt nach der Abkühlung des Magmas (bzw. nach der Verdampfung des Wassers) aber genauso schnell zum Erliegen. Alle thermische Energie wird dabei in Bewegungs-Energie verwandelt, was einerseits die schnelle Abkühlung (im Gegensatz zu über lange Zeit abkühlenden Lavaflüssen), andererseits eine starke Zerstörung der Magma-WasserKontaktzone bedeutet. Heißes Magma muss auf möglichst kühles Wasser stoßen. Die Entstehung des Pulvermaares während der Eiszeit lässt Schnee/Eis und kalte Schmelzwässer erwarten, zumal das Maar über einem alten Bachlauf liegt. Doch reicht ein bisschen Oberflächenwasser aus, um die vorgestellt notwendigen Explosionen hervorzurufen? Erst recht, wenn damit zu rechnen ist, dass der erste Kontakt in einer eiszeitlichen Trockensteppe stattfand?! Indessen zeigte sich bei der Beobachtung heute aktiver Vulkane, dass schon kleine Wassermengen – zum Beispiel durch Gewitterregen - solche Dampfexplosionen auslösen. Das durch Gesteinsspalten einsickernde Wasser erhitzt sich, je mehr es sich dem Magma nähert. Durch zunehmenden Druck, den das deckende Gestein in wachsender Tiefe erzeugt, erhöht sich der Siedepunkt des Wassers (zum Beispiel bei 220 Bar auf bis zu 370°C). Und je größer die Kontaktfläche des Magmas zum Wasser, desto wirkungsvoller kann sich die Hitze übertragen: Je mehr heiße Gase aus dem Magma sich mit dem Wasser vermischen, desto schneller reichert sich die für eine Explosion notwendige Energie an. Die eigentliche Explosionswirkung wird durch die unterschiedliche Dichte von Wasser im Vergleich zu Dampf verständlich: Wenn Wasser an der Erdoberfläche verdampft, dehnt es sich schlagartig um das 2000-fache aus! Alle Hitze setzt sich in Bewegungsenergie um. Dadurch wird die Magma-Wasser-Kontaktzone aufgesprengt und trichterförmig erweitert. Bereits zerfetzte Lava wird nach außen geschleudert und weiter zerbröselt, durch den Luftkontakt/-transport schnell abgekühlt und als grober Steingrus oder feiner Aschenstaub abgelagert.

Die Auswirkungen der Explosion


Bei solch einer gewaltigen Explosion wird eine Energie frei, welche an die Zerstörungskraft von Atombomben erinnert. Lavateilchen treten mit bis zu 400m/sec aus (deutlich über Schallgeschwindigkeit!). Ein einzelner Ausbruch kann leicht die Sprengwirkung von 1.000 t Dynamit und damit ein Zwanzigstel der HiroshimaBombe erreichen. Zwar führt die Abkühlung durch Wasser/Eis bzw. Dampf zu relativ kühlen Bedingungen, wodurch keine hohen Eruptionssäulen entstehen (wie zum Beispiel für den Ausbruch des Laacher-See-Vulkans angenommen), doch wirkt die Energie dafür oft in die Breite, was zu einer schnellen Verbreiterung des Schlotes führt sowie zu seitlichen Druckwellen.
Die Dampfexplosionen wirken in alle Richtungen, sie zerkleinern nicht nur das abgeschreckte Magma in feinkörnige Partikel, sondern lassen auch das Gestein der Umgebung – den devonischen Schiefer des Grundgebirges und die aufliegenden Böden aus den Eiszeiten – zersplittern bzw. im Wortsinne in Staub aufgehen. Dadurch werden die Magma-WasserKontaktzonen vollständig zertrümmert und ausgeblasen. In die so entstehenden Hohlräume kann Wasser nachfließen und die Explosionsreihe rhythmisch-pulsierend fortsetzen lassen. Die Explosionsaktivität kann sich somit bis mehrere Hundert Meter in die Tiefe verlagern und die vulkanischen Maare zu solch steilwandigen Trichtern verformen.
Anderswo in der Eifel gibt es zahlreiche Beispiele für hochdrückendes Magma, welches die Erdoberfläche aufbrach, sich als Vulkan ergoss und mit jedem neuen Ausbruch weiter nach oben wuchs, bis ein Vulkanberg (Schlackenkegel) sich gebildet hatte (Beispiel Wartgesberg bei Strohn). Bei der Entstehung des Pulvermaares war es dagegen vielmehr die Kraft des Wasser(dampfe)s, welche in die Tiefe wirkte und dort, unter der Erdoberfläche, mittels explosiver Zerrüttung alles Gestein pulverisierte. Denn das Ausbruchszentrum verlagerte sich bei jedem neuen Schub – trotz der aufsteigenden Gase – eben nicht nach oben, sondern nach unten. Dadurch bildete sich ein immer tieferer Trichter. Aufbrechende Gas-Blasen und in kurzen Abständen auftretende Fontänen zerfetzten die wenige austretende flüssige Lava derart schnell und gründlich, dass der sich rundum ablagernde Wall aus bloß Vulkansand zu bestehen scheint und keine dieser bizarr-faszinierenden Formen erst im Flug erkaltender Wurfschlacken entstehen ließ. Je nach Stärke des Ausbruches, Windverhältnissen und Wetterlage kann eine explosive Eruptionswolke viele Dutzend bis einige Hunderte Meter Höhe erreichen. Solche Wolken aus heißen Gasen und zerstäubtem Gestein lagern sich – zum Beispiel bei Windstille oder Regen – vor Ort
ab. PulvermaarAuswurf ist bisher nur Richtung Ellscheid nachgewiesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Schicksal des PulvermaarVulkans


Nach einiger Zeit beruhigte sich der Vulkan. Die Ursache dafür ist bis heute unklar. Ist aufsteigendes Gas/ Magma ausgeblieben, sodass die Explosionen einfach ihren Nährboden verloren? Oder hat sich der Wall irgendwann in Richtung Explosionsherd bewegt und den Schlot sozusagen zugeschüttet? Vermutlich erstickte der Schlot bei nachlassendem Druck von unten an seinem eigenen Auswurf. Es fehlen Hinweise auf spätere Ausbrüche nach längeren Ruhezeiten, erst recht auf eine Entwicklung hin in Richtung auf einen Schlackenkegel. In diesem Sinne ist das Pulvermaar ein Vulkan, der im Anfangsstadium steckenblieb. Theoretisch könnte er wieder aktiv werden, doch ist genau das nach so vielen Jahrtausenden der Ruhe höchst unwahrscheinlich. Sollte die Magmakammer unter dem Raum Gillenfeld/ Strohn/Immerath wieder einmal aktiv werden, so wird sie sich sicherlich einen anderen, einen neuen Weg nach oben suchen.
Der Pulvermaar-Vulkan hat dem Gesicht der Eifel ein blaues Auge zugefügt, ein tiefes Auge – nicht das größte, nicht das tiefste, wohl aber das steilste Maar mit einem noch voll geschlossenen Wall aus Auswurfmaterial. Er hat über Tage und Wochen mit großer Kraft und in voller Lautstärke die damalige Landschaft beschossen, mit hohen Explosionswolken seine weithin sichtbare Marke gesetzt, Aschen und Steine regnen lassen, mit heißen Druckwellen die Vegetation im Umkreis verbrannt und die Region für Mensch und Tier unwirtlich, vielleicht gar für lange Zeit zu einer Schreckenszone für unsere Vorfahren gemacht. Er ist auf jeden Fall ein heute, nach fast 30.000 Jahren, immer noch beeindruckender Beleg für einen außergewöhnlichen, so ganz andersartigen, weil ‚kalt‘-staubigen Vulkanausbruch.

 

Literatur:
Wilhelm Meyer, Geologie der Eifel, Stuttgart 1994; Hans-Ulrich Schmincke, Vulkanismus, Darmstadt 2000; J.Kunow/ H.-H.Wegner (Hsgr.), Urgeschichte im Rheinland, Köln 2006; Vulkaneifel-Magazin 2007
Für geologisch-fachlichen Rat danke ich Peter Bitschené (Gerolstein), Thomas Lukaschek (Rheine) und Andreas Schüller (Daun).