Küchenherd aus Großmutters Zeiten

Fortschritt für die Hausfrau/Mittelpunkt der Familie

Erwin Holzer, Feusdorf

In der guten alten Zeit, vor den beiden Weltkriegen, war in den meisten Haushalten der mit Holz oder Kohle befeuerte, im Kern aus Eisen bestehende Küchenherd der Ort, um den sich jeden Tag, insbesondere in der kälteren Jahreszeit, die ganze Familie versammelte und zwar nicht nur zu den Mahlzeiten. Der gusseiserne Herd beheizte die Wohnküche, im Winter oft der einzig warme und damit gemütlichste Raum des Hauses. Mit ihm wurde gekocht, an Fest- und Feiertagen ein knuspriger Braten oder ein leckerer Kuchen zubereitet. Um den Herd versammelte sich die Familie für die Mahlzeiten, zu Handarbeiten oder auch zu Gesellschaftsspielen, hier traf man Nachbarn und Bekannte zu einem gemütlichen Schwätzchen (nicht umsonst spricht man von der „Gerüchteküche“). Ein Haushalt ohne Herd – unmöglich.Aber so alt ist der freistehende, geschlossene Herd noch gar nicht. Bis ins 19. Jahrhundert hatten viele Häuser nur eine offene Herd- und Feuerstelle mit entsprechender Ruß- und Rauchentwicklung. Der freistehende gusseiserne Küchenherd mit seinem geschlossenen Feuerraum bedeutete bei seiner massenhaften, industriellen Einführung für viele Familien und insbesondere die Frauen einen großen Fortschritt; er ermöglichte einen rauchfreien Raum, ein sauberes und hygienischeres Kochen und Haushalten.
Mit diesen Öfen konnte man Kochen, Braten, Rösten und Backen. Auswechselbare Einsätze erlaubten dabei viele Variationen. Mit einem zum Ofen passenden Wendewaffeleisen konnte man Waffeln von beiden Seiten knusprig backen; in einem Einsatz („Wasserschiffchen“) wurde wie in einem modernen Boiler Wasser erhitzt. Oft hatte der Ofen spezielle Fächer zum Warmhalten von Speisen oder zum Erhitzen der gusseisernen Bügeleisen. Manchmal wurde mit dem Ofen auch ein Kachelofen im Nebenzimmer, der guten Stube, mitbeheizt, vielleicht auch noch eine Räucherkammer betrieben, in der Schinken und Würste zubereitet wurden. Die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstehenden speziellen Herd- und Ofenfabriken entwickelten eine Fülle von Öfen unterschiedlichster Bauart mit zahlreichen Zusatzteilen, neue Patente optimierten die Frischluft- und Zugregulierung der Öfen, sodass sich die Temperatur immer besser steuern ließ. Im Laufe der Zeit wurden die Herde und Öfen technisch immer weiter verfeinert, ihr Wirkungsgrad verbessert, die Bedienung vereinfacht. Die Herstellung wurde industrialisiert, die Herde und Öfen damit auch für breite Schichten erschwinglich: die Herdfabrik Küppersbusch fertigte 1890 bereits mehr als 10.000 Herde und Öfen, 1914 war die Produktion auf 80.000 Stück angewachsen. Der Herd war aber nicht nur Gebrauchsgegenstand, er war auch Zierde und Glanzstück der Küche. Er war ganz anders als unsere heutigen, bewusst nüchtern und zweckmäßig gehaltenen Küchenherde vielfach mit Ornamenten und Bildern verziert, erhielt umlaufende Leisten aus Chrom und Nickel, wurde mit Fliesen, Kacheln, Lack, emaillierten und verzinkten Teilen verschönert und sorgfältig gepflegt und gewartet. Oft war er der ganze Stolz der Hausfrau. Nicht umsonst heißt es „Eigener Herd ist Goldes wert“.
Aber natürlich machte auch ein solcher Herd immer noch viel Arbeit. Jeden Tag musste er von Ruß und Asche befreit, häufig neu angefacht und ständig Brennstoff nachgelegt werden. Nicht selten gab es Kaminbrände oder Kohlenmonoxidvergiftungen, wenn der Ofen oder seine Abzugseinrichtungen undicht wurden. So sehr der gute alte Küchenherd auch geliebt wurde, als die modernen elektrischen oder gasbetriebenen Öfen aufkamen, die so viel mehr Komfort boten, kam er deshalb schnell aus der Mode, wurde beiseite gestellt oder gar verschrottet. Heute findet man ihn daher meist nur noch in Museen wie dem Eisenmuseum Jünkerath, wo man ihn als nostalgisches Zeugnis der guten alten, allerdings auch recht beschwerlichen Zeit bestaunen kann.
Die ein oder andere Großmutter wird sich noch gern an ihn erinnern, aber bestimmt nicht wieder gegen ihren neuen, eben doch viel komfortableren Elektro- oder Gasherd eintauschen wollen!

Quellen: Mila Schrader, Gusseisenöfen und Küchenherde: Ein historischer Rückblick-Geschichte, Technik, Faszination, Anderweit Verlag, Suderburg-Hösseringen, 2001; John Seymour, Vergessene Haushaltstechniken, Urania, Berlin, 1999; Sophie Lange, Küche, Kinder, Kirche … Aus dem Leben der Frauen in der Eifel, Helios, Aachen, 1992