Hebamme, ein Beruf seit biblischen Zeiten

Alois Mayer, Daun

„Storchentante, Ditzjestant oder Hewwann“, sind nur einige Namen für den heutigen anspruchsvollen Berufsstand einer Hebamme. Schon im Alten Testament nachweisbar, dürfte er zu den ältesten weiblichen Berufen gehören; Frauen, die anderen Frauen bei der Geburt eines Kindes helfen.
In Deutschland taucht der Begriff „Hebamme“ in Urkunden schon im 13. Jahrhundert auf. Er setzt sich zusammen aus dem althochdeutschen „Hevi“ (= heben) u. „an(n)a“ (= Ahnin, Großmutter) und bezeichnet somit „eine Großmutter, die das Neugeborene vom Boden aufhebt (ins Leben hochhebt). Aus dieser Wortbedeutung wird erkennbar, dass die Hebammen stets ältere und erfahrene, verheiratete oder verwitwete Frauen waren, die meist selbst bereits geboren hatten. Es waren anerkannte und gestandene Frauen, die im Zuge der Nachbarschaftshilfe als Geburtshelferin fungierten.
Während des Mittelalters wurden sie in unserem ländlichen Raum meist von der Gemeinschaft der verheirateten Frauen zur „Dorfhebam-me“ bestimmt oder gewählt. Vertreter der weltlichen oder kirchlichen Obrigkeit versuchten stets, letztlich mit Erfolg, solche Wahlen zu beeinflussen und von ihrer Zustimmung abhängig zu machen.
In Sonderheit waren es kirchliche Behörden, die sich im positiven Sinne um Hebammen „kümmerten“ und für geregelte Verordnungen und Ausbildungen sorgten. Dies zum einen aus medizinischen Gründen heraus, zum anderen aber verstärkt aus der Tatsache heraus, dass bei der hohen Zahl von lebensgefährlichen und Totgeburten Hebammen häufig die „Nottaufe“ vornahmen. Und so wird es begreiflich, dass bei der Spendung eines kirchlichen Sakramentes die Kirche Wert darauf legte, die Ausübung des Taufaktes nur durch gewissenhafte, religiös fundierte und mit den Zeremonien vertraute Personen vornehmen zu lassen.
Aus solchen heute vorliegenden kirchlichen Protokollen und Unterlagen ist erkennbar, dass bei Überprüfungen der Pfarreien durch die Trierer erzbischöfliche Verwaltung auch nach den örtlichen Laienhebammen (einen eigenen Berufsstand gab es vor dem 15. Jahrhundert noch nicht) erkundigt wurde. Die Ortspfarrer erhielten die Anweisung, darauf zu achten, dass Hebammen bei ihrer Geburtshilfe keinerlei abergläubischen Bräuche vornehmen, niemals ein Kind taufen, das keine Lebens zeichen mehr von sich gibt, die Nottaufe nur bei offensichtlicher Todesgefahr spenden, auch nie, bevor das Kind aus dem Uterus heraus ist. Aus damaliger theologischer Sicht verständlich, aus heutiger seltsam anmutend die Zusatzbestimmungen: bei Todesgefahr darf, wenn der Kopf zuerst oder mehr als die Hälfte des Kindskörpers erscheint, die Nottaufe gespendet werden. Erscheinen nur ein Arm oder nur ein Bein, ist die Nottaufe untersagt. Als unumstößliche Vorschrift galt aber, dass nach vollendeter Geburt das Kind noch einmal durch den Priester nach „feierlichem und kirchlichem Ritus“ getauft werden musste.

Wickelfrauen oder Wehmütter


Doch gab man sich nicht mit bloßen Ermahnungen und kirchlichen Verlautbarungen zufrieden. Es wurde von den praktizierenden Hebammen in Gegenwart des Pfarrers und der Gemeinde ein verbindlicher Eid verlangt. Er lautete: „Ich N. verheisse Gott dem Allmächtigen, der hochgelobten Mutter und allezeit Junkfrawen Maria, Sant N., Patron dieser Pfarrkirchen, allen lieben Heiligen Gottes und auch meinem Pastor in Gegenwärtigkeit aller umb-stehenden Personen, dass ich meinem Hebeampt fleissig und trewlich nachkommen will, und allen Schaden, so viel mir möglich, an Mutter und Kind vermeiden. Und meines Amts mich zu gebrauchen nit unterstehen, da etwan Gefahr möge furhan-den sein, es sei denn mit Rat und Hilf anderer in solchen Handel und Nöten wol erfahren. Item, dass ich keinerlei Zauberei oder Aber glauben brauchen will, sondern mit dem Tauf und in allen Stücken mich der christlichen Kirchen und Weisen, und der Unterrichtung meines Pastors gemäss halten. Dazu mir Gott helfe‘‘.
Bis ins 17. Jahrhundert hinein kann nicht von einer Hebammenausbildung gesprochen werden. Wissen und Können wurden durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Die „weisen Frauen“ (französisch: femme sage) suchten sich für sie geeignete und bekannte Frauen, die ihnen assistierten und so auf die spätere selbständige Übernahme der Geburtshelferpraxis vorbereitet wurden. Ab dem 17. Jahrhundert kann von einer besseren und genaueren Ausbildung der Hebammen und von einer Entwicklung zum eigenständigen Berufsstand gesprochen werden.
Dies erwuchs aus der zunehmenden Forderung, dass Hebammen sich sowohl einem theoretischem Unterricht und einer Prüfung unterziehen mussten. Fast ausschließlich führten dies Chirurgen und Doktoren aus, die selbst über Schwangerschaft und Geburt so gut wie keinerlei praktisches Wissen besaßen und lediglich ihren Auszubildenden aus Hebammenbüchern oder medizinisch überholten Lehrbüchern vorlasen.

Bademutter oder Kindermutter

1683 erließ Trier eine landesherrliche Arzneiordnung. Aus Sorge „wegen der schwangeren Weiber, Kindbettern und kleinen Kinder Aufkommens“ wurde in ihr recht genau geregelt, dass dies in den Aufgabenbereich von Hebammen fällt. Diese können „geschickte, achtbare und unbeschreite (= mit gutem Ruf) Frauen“ sein. Ehe solche eingestellt wurden, hatten Ärzte ihnen ein Gutachten über Lebenswandel und Können auszustellen. Da aber – zumindest im damaligen Amt Daun – keine oder kaum Ärzte vorhanden waren, durfte diese Bescheinigung auch nach Prüfung von benachbarten Hebammen in Beisein der Obrigkeit ausgefertigt werden. Anschließend wurde die Hebamme vereidigt, wobei sie versprechen musste, Tag und Nacht zu Hause zu sein, ohne Erlaubnis der Obrigkeit nicht zu verreisen, ihr Amt mit Fleiß bei Tag und Nacht zu versehen, keiner gebärenden Frau die Hilfe versagen, bei Einsetzen der Geburtswehen anwesend zu sein, der Gebärenden Trost zu spenden, sie nicht mit Speisen überladen oder das Zimmer zu überhitzen. Ferner solle sie sich nicht unterstehen, die Frau vor der Zeit hart anzutreiben, sondern ihr Mut machen. Liegt das Kind falsch im Mutterleib, soll die Hebamme „im Leibe kehren“ und dabei Obacht geben, dass weder der Mutter noch dem Kinde durch ihre Un geschicklichkeit etwas geschehe. Nach der Geburt soll sie der „Kindbetterin Leib verwahren, in Ablösung des Kindleins und der Nachgeburt fürsichtig und bedächtlich behandeln.“ Unter Androhung von Strafen musste sie weiter versprechen, nie einer „Schwangeren oder gebärenden Weibern, Kindbetterinnen und Kindern unschädliche Hausmittel“ zu verabreichen, oder, ohne dass ein Arzt dies verordnet habe, „eines anderen Kurierens“ gebraucht. An diesen Grundsätzen der Überwachung, Betreuung, Beratung und Pflege einer Schwangeren von Beginn an, über deren Entbindung hinaus durchs „Wochenbett und in die Stillzeit hinein“ hat sich im Berufsbild einer Hebamme bis heute nichts geändert. So gut die Verordnungen seinerzeit auch gemeint waren, so kamen sie – zumindest auf dem medizinisch unterversorgten Land - nur selten zur Ausführung. Dafür gab es zu wenig geeignete Hebammen, deren Bezahlung zudem auch sehr schlecht war. Die Bereitschaft sich vereidigen zu lassen, war ebenfalls äußerst gering. Dafür waren die ländlichen Strukturen zu „durchsichtig“, und die Ansprüche an eine Hebamme waren auf dem Land anders als in den Städten. So musste manche vorher geachtete Hebamme fürchten, durch den einengenden Eid an Reputation verlieren zu können. Oft hatten auch viele finanzschwachen Gemeinden nur geringes Interesse daran, geeignete Frauen unterrichten zu lassen, mussten sie doch für die daraus entstehenden Kosten aufkommen.

Weise Mutter oder Hebemutter

Der „Kindsbetttod“ von Müttern und die Säuglingssterblichkeit im Kurfürstentum Trier waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts sehr hoch. Statistiken aus dem Bereich der Pfarreien Daun, Neunkirchen, Darscheid, Schalken-mehren und andere belegen, dass durch Jahre ein Viertel bis ein Drittel aller Säuglinge

im ersten Lebensjahre verstarben.
Deshalb entschloss sich die kurtrierische Regierung am 22. Februar 1772 nur mehr Hebammen oder „die Ge-burtshülfe bereits ausübenden Frauen“ zuzulassen, wenn sie an einem dreimonatigen Ausbildungskurs „in der Ge-burtshülfe“ teilgenommen haben. Für das Amt Daun war Trier der Ausbildungsort, wo ein von der Regierung angestellter Hebammenlehrer tätig war. Um den zukünftigen Hebammen Ausbildungsreize anzubieten, war der Kurs kostenlos, die Regierung versprach deren Söhnen „Freiheit von Landmilizenzug“ und die Gemeinden hatten den Kandidatinnen täglich 12 Albus Verpflegungsgelder zu zahlen.
Zwei Jahre später verlangte die Behörde, dass die auszubildenden Kandidatinnen zum einen sich freiwillig melden, und zum anderen lesen und schreiben können sollen. 1790, kurz vor Ende des Trierer Kurfürstenstaates, wird wiederum angeordnet, dass eine dreimonatige Hebammenausbildung erforderlich ist, die für die Teilnehmenden kostenlos sein, aber mit einem erfolgreichen Abschlusszertifikat bescheinigt werden muss. Möglicherweise war in der Vergangenheit mit der Lehrbescheinigung Missbrauch getrieben worden, denn nun zusätzlich angeordnet, dass das Zeugnis nunmehr durch einen studierten Arzt gegengezeichnet werden musste. Diese Trierer Ausbildung, in Verbindung mit einem Krankenhaus, gewährte eine für die damalige Zeit gute Ausbildung von Hebammen.

„Steht das Kind wohl, so ist jede Hebamme gut“

Mit der Besetzung der Eifel durch die französische Revolutionsregierung endete nicht nur das Kurfürstentum und Erzbistum Trier, sondern auch die Teilnahme von Frauen an Ausbildungskursen der Trierer „Hebammenschule“. Die französische Verwaltung bemühte sich selber um die Hebammenausbildung, wobei die Probleme und Schwierigkeiten – nicht nur – im Kreis Daun wegen seiner Abgelegenheit schon groß waren. So teilte Bürgermeister Metten aus Kelberg 1802 mit, dass er allen Ortschaften habe mitteilen lassen, dass jede Person, die einen Beruf im Gesundheits wesen oder als Hebamme ausüben möchte, sich dem Examen der Jury des Departements unterziehen muss. Aber es habe sich in seinem Amtsbezirk nur die Bürge rin Anna Cathareine Scheid aus „Hohner bach“ (Hünerbach) für den Beruf einer „femme sage“ entschieden, die sich auch der Prüfungskommission stellen will.

 

„……fand beinahe den Todt“

Der Mangel an ausgebildeten Hebammen war groß. So berichtet Metten im Januar 1817 erneut, aber diesmal der preußischen Verwaltung: „In Müllenbach, Bo denbach und Welcherath fehlen ap-probirte Hebammen“. Einen Monat später wird er genauer: „Es ist offenbarer Mangel an approbirten Hebammen, da derer nur drei im Umfang der ganzen Bürgermeiste rei sind.“ Und die damalige Mairie Kelberg (in etwa die heutige Verbandsgemeinde) war flächenmäßig groß und die einzelnen Dörfer oft nur über sehr schlechte Wege erreichbar. Bedenkt man noch, dass eine Ehefrau seinerzeit durchschnittlich alle zwei Jahre ein Kind gebar, kann man den immensen körperlichen und zeitlichen Aufwand jener damaligen (drei) Hebammen nicht genug bewundern. Natürlich wünschten sich die Bewohner und einzelne Pfarreien eigene Hebammen, doch „ich habe keine geeignete Frau ausfindig machen können, um sie unterrichten zu laßen.“ Der Hauptgrund lag in der Abgeschiedenheit des Kelberger Raumes, denn die Ausbildung durfte nur durch Medizinalärzte (Distriktsärzte) erfolgen. Und davon gab es für Kelberg zum Beispiel nur zwei. Der erste wohnte in Kaisersesch (Hinweg = drei Stunden) und der zweite in Ahrweiler (Hinweg = neun Stunden)!
Der Dauner Landrat am 5.1.1829 an alle Bürgermeistereien: „Ich habe unlängst, wo ich selbst auf der Reise war, gesehen, dass eine Hebamme in tiefem Schnee und bedeutender Kälte, von einem eine Stunde von ihrem Wohnort entfernten Dorfe, wo sie einer Kreißenden beigestanden hatte, zurückkehrte, beinahe unterlegen und ihren Todt gefunden hätte. Dem muss abgeholfen werden, weshalb ich hierdurch bestimme, dass man einer Hebamme, wenn sie bei Nachtzeit oder Winterwetter von einer Kreißenden zurückkehrt, einen männlichen Begleiter beigibt. Zunächst möge einer aus der Haushaltung der Hebamme verpflichtet werden. Findet sich aber in dieser Haushaltung keine andere Mannsperson … dann soll die Gemeinde verpflichtet seyn, die Hebamme nach Hause zurück begleiten zu lassen. Sie hat … nach Verhältnis des Umstandes einen oder zwei Mann auf den sogenannten Reisegang aus der Gemeinde zur Begleitung zu beordern. Weigern sich die Beorderten, so hat der Schöffe ihnen Anzeige zu machen und sie haben … ihn zur Bestrafung dem Polizeigerichte zu veran-zeigen.“

„…wegen erwiesener Unfähigkeit“

Die preußische Verwaltung legte gesteigerten Wert auf fachliche Ausbildung von Ärzten und Hebammen. Aber es dauerte noch Jahre, bis sich die Situation des Hebammenwesens besserte. Stolz konnte Metten im November 1822 melden, dass „der hiesige Bering ziemlich wohl mit Hebammen versehen ist“ und dass „für die Pfarreyen Uersfeld und Üß zwei Hebammen Candidaten den nächsten Lehrcursus mitmachen werden“, die dann auch ausgebildet und geprüft im kommenden März ihren Dienst antraten. Überall wurden Bürgermeister aufgefordert, die Werbetrommel zu rühren. „Erlerner dieser Kunst sollen sich melden und dann dem Kreispysikus Dr. Weber vorgestellt werden; melden sich mehrere, soll der Schöffenrat eine auswählen“, Daun, 16.2. 1831. Allerdings galten zur Hebammenausbildung Zulassungsvoraussetzungen. So fordert das Königlich Preußische Amtsblatt Trier vom 13.3.1827: „1. zwischen 18 und 30 Jahre; 2. Besitz des erforderlichen Fassungsvermögen; 3. Lesen und schreiben können; 4. ein Führungszeugnis des Bürgermeisters und des Pfarrers wegen ihres unbescholtenen sittlichen Lebenswandels; 5. gesund, stark und ohne körperliche Fehler; 6. sich nicht im Zustande der Schwangerschaft befinden, weil auch dieser den guten Fortschritten im Unterricht entgegen steht.“ Was den „unbescholtenen sittlichen Lebenswandel“ betrifft, so ist es erstaunlich, dass Geistliche in mehreren Fällen nichts gegen Mütter mit unehelich geborenen Kindern einwandten. Nicht qualifizierten Frauen (Hebammen) wurde die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt. So zum Beispiel beschwert sich der Dauner Landrat am 9.10.1832 bei Bürgermeister Meyer aus Dreis: „Der verstorbene Kreis-pysikus Dr. Schmitz und sein weggezogener Nachfolger Dr. Göbel haben sich häufig über die Unwissenheit und Unfähigkeit der bis heran geduldeten aber nicht approbierten Hebamme Dorothea Stoll, (* 11.4.1766) zu Dreis beklagt. Sie kann mit ihren 65 Jahren und erwiesener Unfähigkeit nicht länger geduldet wer-den.“ Meyer zu diesem Urteil: „Ich bin mit ihnen einverstanden, dass die ohnehin wenig unterrichtete Hebamme Dorothea Stoll zu Dreis ersetzt werden muss.“ Nicht einverstanden war jedoch betroffene Frau Stoll. Sie wehrte sich, wandte sich hilfesuchend an den Dockweiler Pfarrer Schmitz, sogar an den Oberpräsidenten in Koblenz. Aber alle ihre Eingaben nützten nichts. Alle (am meisten die Mütter rund um Dreis) waren der Meinung, sie müsse aufhören, da ihr Können zu schlecht sei. Da Frau Stoll sich nicht freiwillig zurückzog, wurde der Bevölkerung untersagt, sie zu rufen, und ihr selber große Strafe angedroht bei weiterer Tätigkeit. Ihre Nachfolgerin wurde Sibille Fils aus Dreis, die Ende 1832 ihre Ausbildung im „Hebammen-Lehrinstitut in Trier“ erfolgreich abschloss und später den Michael Schmitz heiratete. Für den Kreis Daun war als Ausbildungsort wieder die „Hebammenschule in Trier (= Vereinigte Hospitien) zuständig. Die Gebühren, für die weiterhin die einzelnen Bürgermeistereien aufzukommen hatten, betrugen 1844 für „die Verpflegungskosten einer inländischen Hebammenschülerin für den Lehrgang 48 Taler, für das Lehrbuch einen und für das InstrumentenKästchen neun Taler.“ Ab1850 wurde auch für Ärzte die Geburtshilfe zum Studienpflichtfach. Und die Geburtshelferinnen erhielten nach bestandener Prüfung ein „Hebammenlehrbuch“ mit verwaltungsmäßigen und medizinischen Anweisungen. Des Weiteren waren sie verpflichtet, eine Liste zu führen, in der alle mit ihrer Hilfe geborenen Kinder, deren Mütter, die Geburtszeit und der –ort, aber auch die Totgeburten einzutragen waren. Diese Angaben waren dem zuständigen Standesamt zu melden. Diese Vorschrift sollte verhindern, dass heimliche Geburten oder Totgeburten vor den Behörden verschwiegen wurden. „Zur vorgeschriebenen periodischen Prüfung habe ich hiermit auf Dienstag den 27 Juni 1854 anberaumt und ersuche die Hebamme Sibille Schmitz zu Dreis und Katharina Peters zu Sarmersbach morgens um 9 Uhr bei mir einzufinden und ihr Hebammenbuch und Tagebuch sowie ihre ApprobationsUrkunden mit zu bringen. Der königl. Kreisphysikus Dr. Weber, Daun“.

Christine Schumacher darf das nicht

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine Krankenversicherung im Kreise Daun so gut wie unbekannt. Die Armut hingegen recht groß. So konnten sich viele Familien einen Arzt als Geburtshelfer finanziell kaum leisten. An dessen Stelle wurde fast nur die Hilfe einer Hebamme in Anspruch genommen. Neben dem Vertrauen, dass die Gebärenden der Hebamme entgegenbrachten, wusste man auch, dass diese oft statt mit barer Münze mit Naturalien vergütet werden konnte. Den Hebammen stand eine durch die Regierung festgesetzte Vergütung zu, die sich nach dem stündlichen Betreuungswand vor, während und nach der Geburt richtete. Sie war relativ gering und deckte selten den tatsächlichen Arbeitsaufwand ab. Zudem gab es viele Familien, die entweder zu arm waren, die Hebamme zu bezahlen oder dies nicht wollten. Als Ausgleich dafür gewährte bei begründetem Antrag die Kreiskasse aus Steuermitteln jährlich einen Zuschuss „aus den Trau- und Geburtsgebühren“. Dieser schwankte zwischen sieben und zwölf Talern. Beispiele: Die eingenommenen Gebühren wurden aufgeteilt im Jahr 1821 an Katharina Budinger, verehelichte Theis, Daun, 10 Taler; Anna Margarethe Braun, Hillesheim (10 T); Maria Katharina Peters, Sar-mersbach (10 T); Anna Maria Schädgen, Weidenbach (10 T); im Jahr 1824 an Marga-rethe Hens, Lissendorf (11 T 6 Groschen), Anna Katharina Riesenberger, Kerpen (11 T), Elisabeth Meyer, Neunkirchen (11 T), Dorothea Stoll, Dreis (10 T), Margarethe Spaniger, Gerolstein (10 T). Dennoch versuchten manche Gebärenden sich eine „billi-gere“ Hebamme zu suchen, was zu rechtlichen Problemen führen konnte. So meldete im August 1825 die Hebamme Maria Katharina Peters (Approbation und Einstellung seit 1817; zuständig für die Bürgermeisterei Sarmersbach; sie „hat das Vertrauen der Frauen“), dass es häufig geschähe, dass eine auswärtige Hebamme zu Gebärenden gerufen würde. So z.B. bei Peter Josef Schneider aus Gefell und bei Joachim Mengelkoch aus Gefell. Sie riefen eine Hebamme aus Horperath“ und gäben Frau Peters nicht die gesetzlich vorgeschriebene Entlohnung. Daraufhin ordnete der Landrat an, „keine auswärtigen Hebammen“ zu rufen und die beiden müssen dennoch der Hebamme Peters den ihr zustehenden Lohn von 1 Franken 50 Centimes geben. Auch „die unterthänigste Dienerin Veronika Thiesen, Hebamme“ beschwerte sich am 15.2.1868 beim Dauner Landrat, dass in der Bürgermeisterei Dockweiler zwei Frauen unberechtigt Hebammendienste leisten. So wurden 1867 in Dockweiler 16 Kinder geboren. Bei 13 davon war Christine Schumacher, Ehefrau von Gerhard Monshausen zu Geburten gerufen worden, ebenso bei mehreren in Dreis. Sie würde auch überall erklären, sie dürfe dies, da ihr die Erlaubnis dazu von zwei Ärzten gegeben worden sei. Aber auch in Waldkönigen sei bei 13 von 17 Entbindungen die Witwe Maria Anna Schröder aus Waldkönigen tätig gewesen. Daraufhin ordnete Kreisphy-sikus Dr. Weber eine strenge polizeiliche Verwarnung und „bei Androhung von schweren Strafen, da ein selbiger Unfug nicht geduldet werden kann.“ Beide betroffene Frauen erklärten schriftlich, fortan Entbindungshilfen zu unterlassen. Für Hebammen bestand „Residenzpflicht“. Es war einleuchtend, dass die Gemeindebezirke, wenn sie schon für die Ausbildungskosten einer Hebamme aufkamen, sich auch deren Dienste sichern wollten. „23.4.1867: Es ist gestattet worden, dass die als Hebamme der Bürgermeisterei Sarmersbach gewählte Katharina Schlösser, Ehefrau des Johann Josef Roden von Sarmersbach, in die Hebammen Lehranstalt auf Kosten der Gemeinde aufgenommen werde; vorausgesetzt, dass sie zu Protokolle erklärt, sich der Beschränkung und der Wahl ihres Domizils, wie derselbe verlangt werde, unterwerfen, die, dass sie ohne Bewilligung der Behörden an keinem anderen Orte als an dem, worin sie das Wahlattest hat, sich als Hebamme niederlässt.“ (Am 26.12.1867 legte sie ihr Prüfungszeugnis vor, wurde vereidigt und trat ihren Dienst an.)

Geburtshelfer oder Entbindungspfleger

Die dereinstige hohe Kinder- und Müttersterblichkeit ließen rapide nach, als die Entdeckung des deutschen Arztes Dr. Ignaz Semmelweis (1818—1865) zum Allgemeinwissen wurde. Jener berühmte Medizinprofessor hatte die Ursachen des Kindbettfiebers erforscht und wurde so zum Begründer der Asepsis, der keimfreien Wundbehandlung. Eine gründliche Desinfektion in Kreißsälen und Geburtszimmern war nun Vorschrift. Durch das Reichshebammengesetz von 1938 wurde der Berufsstand der Hebamme staatlich anerkannt. Die nationalsozialistische Ideologie des Dritten Reiches gab der Hausentbindung den Vorzug, die in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts zur großen Ausnahme gehörte.
Den heutigen Rechtsbestimmungen nach leitet eine Hebamme die regelrechte Geburt ab Wehenbeginn völlig selbstständig: Die Anwesenheit eines Arztes ist nicht erforderlich. Im Gegensatz dazu darf ein Arzt jedoch nur im Notfall eine Geburt ohne Hebamme durchführen. Aus Gründen der Gleichberechtigung ist seit 1987 in Deutschland auch Männern gestattet, den Beruf einer Hebamme (= Entbindungspfleger) ausführen. Die Ausbildung in einer der rund 60 Hebammenschulen in Deutschland, die jeweils an eine Klinik mit Geburtsabteilung angeschlossen ist, dauert drei Jahre, bestehend aus einem Theorie- und einem Praxisteil, und endet mit dem staatlichen Examen.

Ditzjestanten

Aus vorliegenden standesamtlichen Geburtsbeurkundungen sind einige Hebammen des 19. Jahrhunderts bekannt (Liste unvollständig). Ihrer soll in Anerkennung gedacht werden: Name- verheiratet mit (Hebamme im Großraum): ADRIANI-LENZ Anna (Gemünden); ANNEN-SCHÜLLER Gertrud (Bm = Bürgermeisterei Sarmersbach, Struth); ASSION-SCHRÖDER Maria Anna (Lissendorf); BELL-THIESEN Veronika (Bm Dockweiler, Hinterweiler, Kirchweiler); BRAUN Anna Margarethe (Bm Hillesheim); BUDINGER-GESSNER Maria Kth.(Stadt und Umkreis Daun); BUDINGER-THEIS Maria Kth. (Stadthebamme; Prüfung bestanden 27.9.1827); BURGHARD-KELLER Anna Maria (Bm Gillenfeld); DIEDERICHS-RODEN Anna (Bm Gillenfeld mit Schönbach, Darscheid); DRAHT-HERMES Magdalena (N’stadtfeld; Prüfung 27.9.1827); FILS-SCHMITT Sibylle (Bm Dockweiler mit Dreis, Brück); GIBBERT-GROSS Maria Klara (Stadt und Umkreis Daun); HÄP Anna Maria (Boverath, Daun); HENS Margarethe (Bm Lissendorf und Auel); JAMPION-FERI Maria Mgl. (Mehren mit Nachbarorten); JANS-MEYERS Johanna Mgl. (Stadtkyll); KAUB-SCHÜLLER Anna Maria (Daun, Mehren); KORTZ-JUSTINGER Elisabeth (Mehren mit Nachbarorten); KRAUS Cäcilia (Steffeln); LAUBACH-KORT Anna Maria (Bm Gillenfeld Strohn; Prüfung 27.9.1827); LENARTZ-BRAMER Anna Maria (Bm Dockweiler mit Hinterweiler, Kirchweiler); MEHREN-ETTEN Anna Luzia (Hilles-heim; Prüfung 26.9.1832); NELL Petronella (Boverath); ÖHMEN-BLUM Eva (Neroth und Gerolstein; Prüfung 27.9.1827); PERA-THEISEN Angela (Bm Gillenfeld mit Udler); PETERS-SCHMITZ Maria Kath. (Bm Sarmers-bach, Struth); PHILIPPI Anna Katharina (Ormont); RAUEN-MOHRS Maria (Mehren mit Nachbarorten); RAUEN-NOHN Anna. (Bm Gillenfeld; Prüfung 27.9.1827); RIE-SENBERGER Anna Katharina (Kerpen); SÄNGER-PFEIFER Kath.. (Bm Gillenfeld mit Strotzbüsch); SCHÄDGEN Anna Maria (Bm Weidenbach); SCHEID-LEIKE Anna (Hallschlag, Ormont, Auw); SCHLOSSER-KRAUS Cäcilia (Bm Steffeln); SCHLÖSSER-RODEN Maria Kth. (Bm Sarmersbach, Struth); SCHNORRENBERG Anna Christine (Bm Dockweiler mit Kirchweiler); SCHOMMERS Maria Eva (Boverath, Daun); SPANIGER Margarethe (Ge-rolstein); STEFFENS-RING Barb. (Mehren mit Nachbarorten); STOLL Dorothea (Dreis); SUHR-MAYER Maria Elisabeth (Bm Daun mit Pützbachtal); SURGES-SCHNOR-RENBERG Margarethe (Pelm, Rockeskyll; Prüfung 27.9.1827); THIELEN-RAUEN Maria (Bm Gillenfeld); THO-ME Katharina (Birresborn); THÖNNES-KRÖFGES Marg. (Bm Daun mit Pützbachtal); WEBER-STEFFGEN Anna (Bm Gillenfeld); WEYERSBACH-GRÄFEN Marg. (Mehren mit Nachbarorten); WILLEMS-RODENBÜSCH Katharina (Mürlenbach).