Dreihundert Jahre Mühlentradition

Die Strotzbüscher Mühle

Friedbert Wißkirchen, Daun

Die letzte Mühle im Kreis Vulkaneifel, deren Wasserrad vom Uessbach getrieben wurde, war die Strotzbüscher Mühle, romantisch gelegen im „Siebenbachtal“. Die Strotzbüscher nennen das Uessbachtal auch „Sieben-bachtal“, weil man von der Anhöhe aus sieben Mal den Bach sieht, der sich durch die engen Talschluchten windet. Bevor das Wasser der Uess aufs Mühlrad der Strotz-büscher Mühle floss, hatte es schon die Mühlen in Mos-bruch, Hörschhausen, Schönbach, Meiserich, Demerath, Wollmerath, die Heckenmühle, die alte Lutzerather Mühle und die neue Lutzerather Mühle angetrieben. Und auch im Kreise Cochem-Zell wurden anschließend noch die Elfenmühle in Bad Bertrich und die Beurener Mühle vom Wasser des Grenzbaches Uess gespeist, der die Kreise Vul-kaneifel (Daun) und Cochem-Zell trennt und auch im Mittelalter schon Grenzfluss war. Die Mühlendichte am Uess-bach – alleine in Immerath gab es zeitweise drei Mühlen – und damit die Wirtschaftlichkeit war wohl mit der Grund, dass recht spät eine Mühle in Strotzbüsch errichtet wurde. Oder war es der schmale, beschwerliche und sehr steile Weg ins Uess-bachtal, in schneereichen Wintern kaum begeh- und

befahrbar, der einen Mühlenbau wirtschaftlich in Frage stellte? In den derzeit bekannten Abgabenverzeichnissen sind Steuern von der Mühle nicht vermerkt. Hinweise darauf, dass die Bewohner von Strotzbüsch auf die Mühle gebannt wurden, gibt es ebenso wenig. Nun gehörte im Mittelalter Strotz-büsch zum kurtrierischen Amt Cochem und kam erst 1794 verwaltungsmäßig zum kurtrierischen Amt Daun. Als Grundherren von Strotzbüsch werden die Herrschaften Ulmen und Pyrmont sowie die Trierer Kurfürsten genannt. Die erste Strotzbüscher Mühle stand nicht am gleichen Standort wie die heutige Mühle, sondern rund 200 Meter östlich. Vermutlich wurde sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut; 1827 ist sie bereits baufällig. Heute noch sind der Weg zur ersten Mühle und der Mühlgraben im Wiesengelände sichtbar. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts findet sich in den Kirchenbüchern die Berufsangabe „molitorius“. Der erste Müller, der erwähnt wird, heißt im Jahre 1701 Peter Daniels. Auf der benachbarten Immerather Mühle war um 1700 Johann Daniels als Müller, seine Frau Barbara entstammte der „Müllerdy-nastie“ Laubach, die zu dieser Zeit auf der Lutzerather

Mühle saßen. Als Patin wird Susanna Daniels aus Strotz-büsch genannt, vermutlich die Schwester des Müllers, die auf der Wollmerather Mühle (als Magd) lebte. Matthias

Daniels beantragte 1701 die

1 Neubelehnung mit der Immerather „Heckenmühle“. Die Daniels stammten vermutlich aus Wagenhausen und waren um 1700 auf den Uessbach-mühlen: Heckenhof, Woll-merath, Strotzbüsch und der Immerather Mühle tätig. Im Taufeintrag des Kindes Gertrud Böltes, Lutzerath, vom 28.8.1711 wird als Pate Johann Scheffer, Müller aus Strotzbüsch, genannt. 1734 heißt der Müller Johannes Heinrich Ludwig Laubach. Er wird am 25.6.1734 bei der Taufe von Gertrud, der Tochter seines Schwagers, des Lutzerather Müllers Johannes Rauen, als Pate genannt. 1762 wird bei der Eheschließung der Maria Elisabeth Brand von der Rengener Mühle, der Bräutigam Christoph Schwint als Müller von Strotzbüsch bezeichnet. Von 1770 bis 1778 hieß der Müller Ludwig Radermacher. Seine Frau Anna Maria Wahlen aus Strotzbüsch gebar ihm auf der Strotzbüscher Mühle die Kinder Luzia, Nikolaus, Johann, Anna Katharina und Anna Maria. Johann Radermacher finden wir auch auf der Saxler Mühle, die Müller-

Strotzbüscher Mühle um 1930, der mittlere Fachwerkbau ist die Mühle von 1838

familie Wahlen auf der Schal-kenmehrener Mühle wieder. Der Müller Nikolaus Gross, 1754 in Immerath geboren und mit Anna Maria Trautz-berg von Strotzbüsch verheiratet, wohnte um 1784 in Strotzbüsch und war wahrscheinlich der Mühlenpächter. 1818 kam Anton Weber, verheiratet mit Elisabeth Würschem als Müller nach Strotzbüsch. Vorher war er Pächter auf der Klottener Mühle. Zwischen 1819 – 1825 wurden die Kinder Matthias, Johann und Anna Maria geboren. Sein Vater, Christoph Weber, war gebürtig von Filz und starb 1829 auf der benachbarten Immerather Mühle. Ob die Müllerfamilien auch ständig auf der Mühle wohnten, ist fraglich, denn die Mühle befand sich nach

Bewertung des Gillenfelder Bürgermeisters „in unbaulichem Stande“. Auch die finanziellen Verhältnisse des Müllers Weber scheinen nicht rosig gewesen zu sein, wie später noch ausgeführt wird. Um 1820 wird Anna Maria Hauprich auf der Mühle geboren, vermutlich ist sie die Tochter einer Magd.

Die Mühle 1827

2 Im Mühlenkataster wird die

Mühle als „Gemeindsmühl“

bezeichnet und als Erbbestän-3 der Anton Weber angegeben. Er hatte am 20.11.1818 die Mühle von der Gemeinde gegen einen jährlichen Betrag von 10 ½ Taler gepachtet. Die Mühle verfügte über ein Wasserrad und einen Mahlgang. Der Bürgermeister der Bürgermeisterei Gillenfeld machte

1827 im Mühlenkastaster folgende Anmerkungen: „Das Wehr ist durchbrochen, der Mühlengraben verschlammt, nur 1 (Mahl-) Stein vorhanden, große Armuth des Eigentümers.... sie kann dermalen nicht mehr als Mühle betrachtet werden“. Er führt weiter aus, dass die Mühle verfallen und unbrauchbar und vom jetzigen Eigentümer seinem Gläubiger übergeben worden sei. Der Wert wird mit 200 Reichstaler geschätzt. Die Strotzbüscher suchten in dieser Zeit die benachbarte Immerather Mühle oder die Sprinker Mühle auf, um ihr Getreide mahlen zu lassen. Der schlechte Zustand der Mühle, fehlende Mahlkunden, bedeuteten keine Einnahmen. Die finanziellen Mittel für eine umfassende Reparatur oder

einen Neubau fehlten. Deshalb ließ der Gläubiger von Müller Weber am 6. August 1827 die Mühle bei „Johann Peter Josef Maria Theresia Piser, königlich preußischer Notar des Regierungsbezirks Koblenz im Wohnsitze der Gemeinde Lutzerath... die genannt Strotzbüscher Mühle mit Schulden, Hypotheken, Beschwerd, bekannte und unbekannte Lasten... zum erblichen Verkaufe“ meistbietend versteigern. „Der Anstei-gerer der Mühle ist gehalten, den bestehenden Erbbestand für die Gemeinde Strotzbüsch in allem zu handhaben, wie selbiger nach Aussage der jetzigen Eigentümer jährlich in 10 Tal(er) 15 Silbergroschen besteht.“ Außerdem wurde noch eine Wiese versteigert. Die Mühle wurde schließlich dem Meistbietenden, Johann Peter Scheid von St. Alde-gund, der vermutlich auch der Gläubiger war, für 220 Taler zugeschlagen. Obwohl die Gemeinde Eigentümer war, erfuhr sie von der Versteigerung erst im Nachhinein. Sie genehmigte dennoch den Verkauf, weil der neue Erbpächter sich verpflichtete, den bestehenden Pachtrückstand von 24 ½ Rt. zu zahlen. Schon 1828 reichte Johann Peter Scheid Pläne für den Neubau der Mühle ein und die vom Friedensgericht Daun bestellten Sachverständigen - die Schöffen Nikolaus Schäfer von Strohn und Johann Dusedong aus Lutzerath - legten in der Örtlichkeit das Baugrundstück

mit Hofraum in der Größe

4 von 180 Quadratruten , den

Wasserlauf usw. fest und setzen die Grenzsteine. Die alte Mühle sollte abgerissen und das brauchbare Material verwendet werden. Bei der Steuerschätzung 1830 wird eine Mahlmühle mit einem Mahlgang und einer Ölpresse vermerkt; als Eigentümer: Johann Peter Scheid angegeben. Der Steuersatz betrug sechs Reichstaler, weil in den Sommermonaten wegen Wassermangel nur eingeschränkt gemahlen werden konnte.

Am 15.02.1833 starb der Müller Johann Peter Porn, Ehemann von Anna geb. Rambo, auf der Mühle. Dies deutet darauf hin, dass zunächst scheinbar nur die Mühle selbst errichtet und das Wohnhaus später angebaut oder vollendet wurde.

Der Mühlenneubau von 1838

Auf dem Türstein der jetzigen Mühle ist die Jahreszahl 1838 eingemeißelt. Es handelt sich um das mittlere Gebäude mit dem oberen Stock in Fachwerk. Erkennbar ist noch eine Verstärkung des Giebels, an dem die Mühlräder angebracht waren, durch eine Außenstütze. Außerdem wurden Stall und Scheune errichtet. Die Gebäude links und rechts wurde später angebaut. Auch der Wasserlauf wurde verändert und ein Stollen von sieben Meter durch den Fels geschlagen, um das Wasser auf kürzestem Wege aufs Mühlrad zu leiten. Johann Peter Scheid hatte den Neubau errichtet und an den Müller Johann Nikolaus Rauen verpachtet oder später

verkauft.

Johann Nikolaus Rauen entstammte einer alten Müllerfamilie, die ihren Stammsitz auf der Lutzerather Mühle hatte. 1812 auf dieser Mühle geboren, erlernte er das Müllerhandwerk bei seinem Vater Johann Rauen. 1839 nach seiner Heirat mit Agnes Weber aus Strotzbüsch -vermutlich eine Nachfahrin der früheren Müllerfamilie Weber – übernahm er die Strotzbüscher Mühle. Er richtete auch auf der Mühle eine kleine Gastwirtschaft ein. Die wartenden Bauern konnten den Korn, den sie tranken, gleich in „Korn“ und in Natura bezahlen. Zwischen 1939 und 1858 kamen zehn Kinder beim Klappern der Mühle und dem Rauschen des Mühlbaches zur Welt. Bei der Geburt des zehnten Kindes am 15.09.1858 verstarben Mutter und Kind. Müller Rau-en heiratete 1861 in zweiter Ehe Margaretha Sartoris aus Strohn-Trautzberg. Seine zweite Frau schenkte ihm noch vier weitere Kinder. Ein halbes Jahr nachdem das 14. Kind am 03.03.1867 das Licht der Welt erblickte, starb der Vater Johann Nikolaus. Die Mühle verfügte seit den 1850er Jahren über zwei Mühlräder, zwei Mahlgänge zum Mahlen des Getreides und 1 Gang für die Ölmühle. Aus der Uess wurde das Wasser über einen Wasserkanal zum Wasserstau (Mühlenklaus) von zwölf Quadratruten (170 qm) geführt, und dann durch einen sieben Meter langen Felstunnel ober-schlächtig aufs Wasserrad

heutige Strotzbüscher Mühle – hinter der mit Efeu umrankten Tür liefen früher die Mühlräder, heute die Turbine

geleitet. Die Mühle übernahm nun der älteste Sohn Peter Josef, geboren am 25.5.1839. 1870 heiratete er Margaretha Huschens, die Tochter des Üdersdorfer Müllers Matthias Huschens. Die Kinder Magdalena, Anna Katharina, Johann und Leonhard erblickten noch im Uessbachtal das Licht der Welt.

Ab 1878 lebte Peter Josef Rauen mit seiner Familie im Dorf und verkaufte seine Mühle an Jakob Neumann, der aus Daun-Steinborn stammte und mit Magdalena Raskop verheiratet war. Neumann war bis dahin Pächter der Oberscheidweiler Mühle

gewesen. Bei der Volkszählung 1880 wurden acht Personen auf der Mühle registriert. 1890 übernahm der Sohn Philipp Neumann den Betrieb. Er war mit der Strohner Müllerstochter Susanne Winter verheiratete und hatte neun Kinder.

1911 heiratete die Müllerstochter Katharina Neumann den Müller Nikolaus Lätsch aus Niederscheidweiler. Wenig später übernahm Schwiegersohn Nikolaus Lätsch die Mühle und führte sie bis zum Tod; seine Witwe verpachtete die Mühle an Müller

Frey, der sie bis zum großen

5 „Mühlensterben“ in den

1950er Jahren betrieb. Die Mühlengebäude gingen an Hubert Friedhoff und seine Frau Friedericke geb. Abendroth über. Die geplante Geflügelzucht kam nicht so recht in Gang, weil die eigene Stromerzeugung mit Wasserkraft und Turbine für die Brutöfen nicht ausreichte. Friedhoff betrieb Landwirtschaft und hatte auf der Mühle eine kleine Gaststätte und Pension eingerichtet.

Seit 1987 hat Siegfried Or-schel die Mühle als Privatdomizil in Besitz. Auch er nutzt die Wasserkraft zur Stromerzeugung.

Wasserrecht und Heilquelle

Diente der Uessbach früher ausschließlich zum Antrieb des Mühlrades, treibt seit den 1960er Jahren bis heute die Wasserkraft eine Turbine zur Stromerzeugung. Müller Lät-sch ließ sich 1921 folgendes Wasserrecht eintragen: „Dem Müller ...steht das Recht zu, den Uessbach durch ein festes Wehr anzustauen, das Wasser zu entnehmen und fortzuleiten, es zum Betriebe einer Wasserkraftanlage zu gebrauchen und in den Bach zurückzuleiten. Das Wasser wird dem Bach mittels offenem Graben entnommen und in diesem und einem Stollen auf

das Wasserrad geleitet. Das

6 Recht ist durch „Ersitzung“

erworben.“ Dieses Wasserrecht steht auch den heutigen Eigentümern zu.

Noch eine Besonderheit weist die Strotzbüscher Mühle auf. 150 m nördlich der Mühle liegt im Uessbach eine Mineralquelle, deren Temperatur etwa 19 Grad beträgt. Auch wenn das Wasser nach Schwefel riecht („Et stinkt wie faul Eier!“), soll es vor allem bei Magen- und Darmerkrankungen, aber auch bei Hautkrankheiten eine heilende Wirkung entfalten. Der frühere Müller Friedhoff schwor auf das Wasser und war davon überzeugt, dass die Genesung von einem langjährigen Magenleiden ausschließlich auf das heilende Wasser der Mineral-Quelle zurückzuführen war.

Quellen:

Sartoris Anton, Eine Mühlenwanderung im romantischen Uessbachtal, in „Die Eifel“ 1991/1

Akten Amt Gillenfeld, LHA KO Best. 655.185

Mayer Alois, Ortsfamilienbuch Gillen-feld, 2000

Schumacher Werner, Familienbuch Lutzerath-Driesch, 2005 Archiv der Verbandsgemeindeverwaltung Daun, Akte Strotzbüsch Wißkirchen Friedbert, Mühlen in Strohn, in HJB Vulkaneifel 2006 Wißkirchen Friedbert, Die Immerather Mühlen, in HJB Vulkaneifel 2008

1 Belehnung = Pachtung

2  Mühlenkataster = Steuerliste zur Bewertung der Mühle für gemeindliche Abgaben

3 Erbbeständer, Erbpächter = zeitlich unbefristeter Pächter, Pachtverhältnis ging auf Erben über

4   Quadratrute = preußisches Flächenmaß, 1 Quadratrute = 14,185 qm, 180 Quadratruten = 1 Morgen

5  Mühlensterben = mit staatlichen Prämien wurden die kleinen Mühlen zur Aufgabe bewegt; die meisten Mühlen stellten auch aus wirtschaftlichen Gründen den Betrieb um 1955 ein.

6  Ersitzung = Recht, dass durch langjährige Ausübung/Nutzung erworben wurde.