Korn und Hafer für den Hilgerather Pastor

Notarielle Urkunde von 1805 über das Pfarrzusatzgehalt –

Friedbert Wißkirchen, Daun

Die Pfarrei Hilgerath, ab 1807 trägt sie den Namen Beinhausen, kann auf eine mehr als 500jährige Geschichte zurück blicken. Der Name „Hilgerath“ deutet durch seine Endsilbe „rath“ darauf hin, dass die Anhöhe, auf der die Kirche steht, durch eine Rodung entstanden ist. Ob die Vorsilbe „Hilger“ auf „Heilig“ hinweist oder einen Eigennamen -bleibt offen. Bis 1803 gehörte die Pfarrei zur Erzdiözese Köln und kam dann zur Diözese Trier. 1794 war die weltliche Herrschaft des Trierer Erzbischofs durch die französische Besetzung der linksrheinischen Landesteile, auch der Eifel, abgelöst worden. Die danach vorgenommene strikte Trennung zwischen Kirche und Staat wirkte sich auch auf die Pfarrei Hilgerath aus. Die 1802 durchgeführte Neuorganisation der Pfarreien im Bistum, lehnte sich stark an die neuen verwaltungsmäßigen Strukturen an. Im Kanton Daun wurde St. Nikolaus in Daun Hauptkirche. 10

1 „Succursalen“ , wurden im

Kanton eingerichtet, darunter auch Hilgerath mit 757 Gläubigen.

Die Kirche, auf einer Anhöhe von 530 m gegenüber dem Ort Beinhausen gelegen und weithin sichtbar, war Mut-

terkirche für die Dörfer der „Struth“. 1805 gehörten zum Kirchspiel: Beinhausen, Boxberg, Gefell, Hörschhausen, Katzwinkel,

Kradenbach,

2 Merzbach , Nei-chen, Nerdlen,

3 Scheid . Boxberg

(bis 1802 in der Pfarrei Kelberg), Hörschhausen und Katzwinkel (von 1803-05 zur Pfarrei Darscheid gehörig) kehrten in den Pfarrverband Hilgerath zurück. Eine Pfarrkirche zu unterhalten, fiel den Bewohnern der armen Struthge-meinden nicht leicht, zumal der Kirchenneubau (1803) begonnen war und auch die Kapellen in den Orten – mit Ausnahme von Beinhausen -unterhalten werden mussten. Zusätzlich hatten die Pfarrangehörigen für den Unterhalt ihres Pfarrers selbst zu sorgen und Geld- oder Naturalleistungen zu erbringen. Alleine

Die Kirche Hilgerath mit dem Turm aus dem 15. Jahrhundert und dem 1805 errichteten Kirchenschiff. In den 1970er Jahren ist die Kirche durch ein Querschiff nochmals vergrößert worden.

von seinen Pfarrangehörigen konnte der Pastor nicht leben, so dass die meisten Geistlichen auch noch eine kleine Landwirtschaft betrieben oder die kirchlichen Ländereien bewirtschaften ließen. 1752 betrugen die Einnahmen von Pastor Matthias Pinten (1738 – 1759) 24 Malter Hafer und 3 Malter Korn. Daneben hatte

er die Pachteinnahmen von 3

4 Morgen Land, Stolgebühren ,

6 Taler von den Dorfkapellen und 12 Taler aus einer Messestiftung, wahrlich ein dürftiges Einkommen. Die Französische Verwaltung hatte im Rahmen der Säkularisation die meisten kirchlichen Güter und Ländereien eingezogen und zum Großteil meistbietend versteigert. Die Einnahmen aus dem Kirchenvermögen in Form von Pacht oder Eigennutzung entfielen zum Großteil. Der Pfarrer erhielten nunmehr ein Gehalt, „welches von der fränkischen Regierung in

seiner Eigenschaft als Succur-1 salist für Vergeltung seiner

5 Pastoralbemühungen“ gezahlt wurde.

Bis 1803 war Michael Zender, gebürtig aus Oberehe, Pastor der Pfarrei. Ihm folgte Joachim Hoffmann (1803-1805), der die alte Kirche – bis auf den Turm aus dem 15. Jahrhundert – abreißen ließ und ein neues Hauptschiff errichtete. Bei der Visitationsreise von Bischof Man-nay im Jahre 1805 führten die

Schöffen Klage über Pastor

6 Hoffmann. „Deputierte von

Hilgerath wünschten einen

anderen Geistlichen, sagten,

Herr Hoffmann sei gut für

(als) Frühmesser, er könne

nicht cathechisieren und

wisse nichts; er mache Schul-7 den mit Brandwein trinken.“

Diesen Beschwerden trug der Bischof scheinbar Rechnung und ernannte 1805 als neuen Pastor Clemens Trapp (* 1769 in Blankenheim). Pastor Trapp führte den Kirchenneubau zu Ende und war bis

1826 „Hirte“ der Hilgerather Pfarrei.

Bei den Visitationen der Pfarreien wurden dem Bischof häufig Beschwerden vorgetragen, dass die versprochenen Naturalien oder Geldleistungen für den Geistlichen und den Küster nicht erbracht wurden. Pfarrer Trapp wollte Sicherheit über sein Zusatzgehalt, das von den Gläubigen aus dem Kirchspiel aufzubringen war. Ob vom Pastor oder dem Bischof gefordert, sollte durch notariellen Vertrag genau festgelegt werden, welche Leistungen dem Pfarrer zustanden und wer sie aufzubringen hatte. Am Donnerstag, dem 4. Juli 1805 erschien auf Ersuchen

in Sarmersbach, dem dama-8 ligen Hauptort der Mairie

Sarmersbach, Friedrich Josef Stephanie, öffentlicher Notar des Saardepartementes, mit Wohnsitz in Daun, um im Namen Napoleons allen

Erschienenen den Gruß zu

9 entbieten und einen Vertrag

über Pfarrzusatzeinkünfte zwischen dem jeweiligen Pastor von Hilgerath und den Pfarrangehörigen zu beurkunden. Ein Gebäude, das eine so große Zahl von Menschen fassen konnte, war nicht vorhanden, so daß die Beurkundung im Freien, vor dem Haus, in dem Amtsstube der Bürgermeisterei untergebracht war, stattfand. Ein Tisch war nach draußen geschafft worden, hinter dem der Notar platz nahm, davor stand ein Stuhl für die Unterzeichner der Urkunde. Der Notar hatte als amtliche

und unabhängige Zeugen Kaspar Deblon, Ackerer von Daun und Peter Hommelsen, Kohlenbrenner aus Steinborn (heute: Stadtteil von Daun) berufen und sie zum Termin mitgebracht. Zunächst verlas Notar Stephanie die Namen der Erschienenen nach Dörfern getrennt und stellte fest, wer anwesend war oder fehlte. Haushaltsvorstände (Anzahl) aus den Dörfern Nerd-len (21), Kradenbach (12), Neichen (13), Merzbach (2), Boxberg (18), Beinhausen (7), Katzwinkel (9), Hörschhausen (10), Gefell (10), Sarmersbach (18) waren persönlich erschienen, insgesamt 117 Männer und 6 Frauen - alle Witwen - wurden aufgerufen. Nur 3 Haushalte waren – vermutlich krankheits- oder altersbedingt – nicht persönlich vertreten. Durch notarielle Urkunde verpflichteten sich die Pfarrangehörigen, folgende Leistungen für den Pastor zu erbringen:

21 ½ Liter Korn und Hafer

10 hatte „ jede ganzen Ehe“ ,

11 „jede halbe Ehe ... nur die

Hälfte“ zu liefern. Stichtag

für die Feststellung ob „ganze

oder halbe Ehe“ war der 24.6.

des Jahres. Die Frucht war am

11. November jeden Jahres

in die vom Pfarrer bestimmte

Behausung zu bringen, aber

nicht außerhalb der Pfarrei.

Sollte keine Fruchtlieferung

erfolgen, wurde der Wert des

Korns mit 190 Franken und

der Hafer mit 57 Franken

angesetzt. Der Pfarrer hatte

die Wahl zwischen Geld und

Naturalien.

Jeder, der ein Gespann hatte,

war verpflichtet, die „Wit-

12 tums-Felder“ zu pflügen

und auch den Dung aufzubringen. Der Pastor hingegen musste für die Beköstigung von Mann und Vieh sorgen. Die Arbeiten wurden mit elf Franken bewertet. Die Pfarrangehörigen hatten das notwendige Holz zum Heizen des Pfarrhauses kostenlos zu liefern, „wobei sie jedoch verhofften, daß er (der Pastor) mit dem Gebrauch sparsam sei, in Hinsicht, daß das Holz in Ermangelung von Gemeindswaldungen bei

ihnen ein kostbarer Artikel

13 sei“ . Der Holzwert betrug

30 Franken.

Die Pfarrangehörigen verpflichteten sich auch, das Vieh des Pastors zu hüten und zu halten. Mehr als 4 Stück Rindvieh und 25 Schafe durften nicht auf die Gemeindeweiden getrieben werden. Zur

Bestreitung der Kosten hatte

14 jeder 7 ½ Centimes zu zahlen, ausgenommen die Haushalte aus Beinhausen und

15 Neichen, auf deren Bann

sich die Weiden befanden. Ein Wahlrecht zur Geldleistung bestand ebenso im Werte von 4 Franken.

Alle Haushaltsvorstände einer Gemeinde hafteten auch für diejenigen, die nicht erschienen waren oder nicht zahlten bzw. lieferten. Der Pastor konnte seine Dienste in der jeweiligen Gemeinde einstellen, bis die Rückstände beglichen waren. Die Kosten des notariellen Vertrages gingen zu Lasten der Pfarrangehörigen. Der Gesamtwert des Pfarrzusatzgehalts der Pfarrangehörigen belief sich auf etwa 500

Franken. Es erreichte damit die gleiche Höhe, wie die gemäß eines Dekrets Napoleons festgesetzten Gehälter für die Pastöre an Filialkirchen. „Nachdem Ihnen das Gegenwärtige in der Übersetzung in

deutscher Sprache war vorge-5 lesen worden“ unterschrieben die Schreibkundigen sowie die Zeugen Deblon und Hommelsen und Notar Stephanie. 35 Personen zeichneten den Notarvertrag hinter ihrem Namen mit einem X; dahinter vermerkte der Notar „als welche erkläret haben, nicht schreiben zu können“. Pastor Clemens Trapp scheint mit seinen Pfarrangehörigen zufrieden gewesen zu sein, denn er blieb über 20 Jahre in Hilgerath. Vor 1885 wurde das Pfarrzusatzgehalt in Höhe von 775 Mark jährlich durch die Zivilgemeinden übernommen und der Vertrag von 1805 abgelöst. Heute ist es kaum vorstellbar, dass unsere Vorfahren über Jahrhunderte lang jeden Sonn- und Feiertag und dazu noch an manchen Werktagen, zu Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen, zur Christenlehre am Sonntagnachmittag zu Fuß den Weg aus ihrem Heimatdorf bis zum Pfarrkirche Hilgerath auf sich nahmen. Bei Wind und Wetter, Eis und Schnee, auf ausgefahrenen, schlammigen Wegen mussten die Gläubigen oft mehr als 1 Stunde Fußweg zurück legen. Es zeugt aber auch von der großen Gläubigkeit der Bewohner der Struth und der besonderen Verbundenheit mit ihrer Kirche, die dem Hl. Hubertus geweiht ist und heu-

te weithin sichtbar den Blick auf sich zieht. Der Hl. Hubertus hat auch Eingang in das Ortswappen von Beinhausen, dem ehemaligen Wohnsitz des Pastors, gefunden: über einem Berg, der Anhöhe Hil-gerath, ist ein Hirschgeweih mit Kreuz dargestellt.

Quellen:

Pfarrer Peter Schug: Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier - Trier 1956 Karl Oehms: Der Kanton Daun – Neuordnung von Diözese und Pfarreiien im Jahre 1803

Archiv der VGV Daun - Notarielle Urkunde des Notars Friedrich Josef Stephanie vom 4. Juli 1805

- Sammelakten von Gefell, Kradenbach, Nerdlen, Sarmersbach,

1 Succursalen = Filialkirchen, Succursa-list = Pastor an einer Filialkirche

2 Merzbach – untergegangener kleiner Ort westlich von Boxberg

3 Scheid – untergegangener, ehemaliger Springiersbacher Hof bei Sarmersbach

4 Gebühren, abgeleitet von Stola, für Amtshandlungen des Pastors (Trauungen, Taufen, Begräbnisse)

5 Urkunde des Notars Friedrich Josef Stephanie vom 4. Juli 1805

6 Deputierte = Kirchenvorstandsmitglieder, Schöffen

7 Karl Oehms – Der Kanton Daun – Neuordnung von Diözese und Pfarreien 1803 – in HJB Vulkaneifel 2004

8 Mairie = Bürgermeisterei im französischen Kanton Daun

9 Alle Verträge begannen: „Napoleon, von Gottes Gnaden und der Republik Grundverfassung, Kaiser der Franken, König von Italien, allen denen, die Gegenwärtiges ersehen, Gruß...“

10 ganze Ehe = Haushalt, in dem Mann und Frau noch leben oder die Frau verstorben ist.

11 halbe Ehe = Haushalt in dem der Mann verstorben ist und die Frau noch lebt

12 Kirchengüter (Felder, Wiesen), die dem jeweiligen Pastor zur Nutzung überlassen waren.

13 Die Struthgemeinden verfügen auch heute noch über wenig Waldbesitz.

14 100 Centimes = 1 Franken

15 Bann = Gemarkung