Ein Pfarrer in der Hölle

Erwin Holzer, Feusdorf

Das im Jahr 1687 gegründete Hüttenwerk Jünkerath besaß von Anfang an auch eine große Hammerschmiede mit zwei von Wasserrädern angetriebenen Schmiedehämmern, die mitunter rund um die Uhr in Betrieb waren. Bis zu 80 Schläge in der Minute machten die Hämmer, um das in der Hütte erzeugte, im Herdfeuer immer wieder von neuem erhitzte Roheisen in

handelsfähige, gleich dicke und lange Stäbe umzuformen. Die Tageserzeugung beider Hämmer konnte bei 40 bis 50 Zentnern liegen. Das Jünke-rather Stabeisen wurde dann auf zum Teil weit entlegene Märkte transportiert und dort u.a. für Karren- und Wagenachsen und Radbeschläge weiter verschmiedet. Das Wasser für die Jünkerather Schmiedehämmer wurde

durch ein Wehr von der Kyll durch einen Hüttengraben bis zu den die Hämmer antreibenden Wasserrädern geleitet. Ein Teil des Hüttenkanals verlief dabei, wie sich alteingesessene Jünkerather noch erinnern mögen, offen entlang der Straße Richtung Feusdorf, andere Teile flossen unterirdisch ab. Daran knüpft folgende Geschichte an: Der Pfarrer einer nahen Ge-

meinde (Jünkerath als Ort gab es damals noch nicht) hatte seine Pfarrkinder auf einem entlegenen Hof besucht. Dort hatte man ihn üppig bewirtet und auch - wie sich das gehörte - großzügig mit geistigen Getränken versorgt. Es war schon etwas später am Abend, als er sich dann, beladen mit Geschenken, beschwingt von Speis und (alkoholischem) Trank und gefolgt von guten Wünschen seiner Pfarrkinder, auf den Heimweg machte, der ihn auch ein Stück entlang des offenen Hüttenkanals führte. Müde und etwas benebelt, verlor er dabei den Tritt und stürzte in das schnell dahinfließende Wasser des Hüttenkanals. Von der starken Strömung fortgetrieben, schrie er nach Kräften, verlor aber bald das Bewusstsein. Glücklicherweise hörten die Hammerschmiede der Nachschicht seine Hilfeschreie und eilten herbei. Sie zogen den durchnässten und bewusstlosen Pfarrer aus dem Hüttenkanal und brachten ihn in ihre Schmiede, um ihn aufzuwärmen und wieder zu beleben. Als der arme Pfarrer nach einiger Zeit das Bewusstsein wiedererlangte, sah er sich in einer dunklen, von unheimlichen Feuern und flackernden Fackeln nur schwach erhellten Umgebung. Unkenntliche, nach Schwefel und Feuer riechende Gestalten mit geschwärzten Gesichtern und Leibern beugten sich über ihn. An den Wänden standen furchterregende Gegenstände aus dunklem Eisen. Dumpfe Hammerschlä-

ge erschütterten die Luft, es zischte, Dämpfe stiegen auf, Funken sprühten überall. Den armen Pfarrer erfasste ein furchtbarer Gedanke: das konnte nur die Hölle sein! Der blanke Schrecken erfasste ihn, und voller Angst und Entsetzen rief er aus: „Ihr werten Herren Teufel, lasset mich doch noch einmal mit meiner lieben Frau und meinen Kindern sprechen, ich war nämlich betrunken, als ich gestorben bin!“ (ein für einen katholischen Pfarrer heutzutage zwar seltsamer, aber in den damaligen Zeiten und in der gefühlten Todesstunde vielleicht doch verzeihlicher Wunsch). Die Schmiedeknechte konnten der Pfarrer jedoch bald überzeugen, dass er doch noch auf Erden weilte und stellten mit einem guten Schluck seine Lebensgeister wieder her. Für sie selbst war diese Geschichte ein Quell großer Heiterkeit, vor allem, da manche von ihnen doch eher dem neuen Glauben anhingen, und sie haben diese Posse rund um den Pfarrer sicher manches Mal am Rande ihrer Schmiedefeuer weitererzählt. Der alte Hüttenkanal wurde in seinem oberirdischen Verlauf 1985 zugeschüttet, so dass heute keine Gefahr mehr besteht, über ihn ins feurige Reich der höllischen Schmiedeknechte getrieben zu werden. Der Schreck unseres Pfarrers, als er sich inmitten der Schmiede und ihrer Feuer wiederfindet, ist im übrigen nicht ganz unerklärlich: Den Schmieden sagte man seit frühester Zeit magische

Fähigkeiten nach und vermutete sie im Bund mit überirdischen, manchmal finsteren Kräften. Sie beherrschten das rotglühende Eisen, erhitzten es, hämmerten es, kühlten es ab, um es in unerklärlichem Rhythmus erneut zu erhitzen und immer wieder zu schmieden, bis es auf für Außenstehende unerklärliche Weise die gewünschte Form und Festigkeit erreicht hatte. Es leiteten sie dabei keine gelehrten Formeln, sondern ihr Spürsinn und ihre Intuition und natürlich das von ihren Vorfahren weitergegebene, sorgsam gehütete geheime Wissen um die Eigenschaften und Eigentümlichkeiten ihres Werkstoffs Eisen. Ihre Werkzeuge stellten sie selber her. Die ersten Schmiede arbeiteten dabei besonders gerne mit Meteoreisen, also Eisen, das vom Himmel gefallen war, dem man besondere, magische Eigenschaften nachsagte. Während früher jedes Dorf noch seinen Schmied hatte, den die Kinder andächtig und staunend bei seiner schweren und doch faszinierenden Arbeit beobachten konnten, ist dieses alte Handwerk heute bis auf wenige Ausnahmen verschwunden. Geschmiedet wird heutzutage zwar immer noch, aber dies geschieht sozusagen im Verborgenen, von fleißigen Maschinen und Automaten, an uns Menschen geht dieser Zauber nun vorüber!

Quellen: Mündliche Überlieferung; 275 Jahre Arbeit am Eisen. Kleine Chronik der Jünkerather Maschinenfabrik GmbH, Jünkerath, 1962; Vergessene Künste. Bilder vom alten Handwerk, Ravensburg 1984