„Gerolsteiner Felsenspiele“

1924 – 1930

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

„Elmar, Herr vom Habichtshofe, sprach zu seinem Jagdgesinde …“ zitiert manch älterer Gerolsteiner spontan, spricht man ihn auf die „Gerolsteiner Felsenspiele“ an, die in den Jahren 1924 bis 1930 stattfanden. Besser bekannt sind sie unter dem Begriff „Elmarspiele“. Von den sechs Freiluft-Theaterstücken („Elmar“, „Genoveva“, „Parzival“, „Andreas Hofer“, „Der Königsmörder“ und „Die Hermannsschlacht“), die in jener Zeit von Laienschauspielern aufgeführt wurden, ist „Elmar“ am stärksten in Erinnerung geblieben; wie auch der Aufführungsort: der „Elmarplatz“. Die „Gerolsteiner Felsen-spiele“ waren weithin bekannt. So beschrieb die „Wochenpost – Österreichische (!) Illustrierte Hefte“ am 11. Mai 1930 die Freilichtbühne „… als die schönste Naturbühne

Gerolsteiner Felsenspiele, Freilichtbühne, 1930

Foto: Sammlung Dieter Schneider, Gerolstein

des Rheinlandes …“. Heute sind nur noch wenige Spuren zu finden.

Initiator und Vorsitzender des Vereins „Gerolsteiner Volksbühne e.V. in Gerolstein war Hubert Rader, von 1919 bis 1935 Pastor in Gerolstein. Die Durchführung der Spiele lag in den Händen des Kaplans

Emil Freichel, Schatzmeister des Vereins war Matthias Schmitt, Bahnhofstraße, Ge-rolstein.

Das „Eifelvereinsblatt“ beschrieb die Eröffnung der „Gerolsteiner Felsenspiele“ am 29.06.1924 (Peter und Paul) u.a. wie folgt: „… Mitglieder des Kath. Jugend-

Plakat zu „Elmar“ aus „Pfarrei St. Anna Gerol-stein“, Hrsg.: Cornelia Gerhards 2005

vereins in Verbindung mit anderen Gerolsteiner Bürgern und Bürgerinnen führen hinter dem trutzigen Felsen der Monterley, just vor dem als prähistorische Fundstätte berühmten „Buchenloch“, in Stärke von fast 200 Mitwirkenden das seiner Grundlage, dem Weber’schen „Dreizehn-linden“ würdige Schauspiel „Elmar“ (…) auf, und zwar auf einer Naturbühne, die geradezu prädestiniert dazu erscheint. Spiel und Natur verschmelzen hier zu Bildern, die an hinreißender Harmonie nicht zu überbieten sind. Die

bisherigen beiden Sonn-tagsvorstellungen zeigen die Leistungen der Spieler auf bewundernswerter Höhe. Die Farbenpracht der Kostüme erhöht den Eindruck …“.

Leider ist nicht überliefert, was den Initiator Hubert Rader bzw. die Verantwortlichen bewogen hat, im Jahr 1924 „Elmar“, nach Friedrich Wilhelm Webers „urdeutschen“ Versepos „Dreizehn-linden“, aufzuführen. Vielleicht liefert der

zeitgeschichtliche Hintergrund die Erklärung: Die Menschen, auch in der Eifel, leiden immer noch unter den Folgen des verheerenden und

verlorenen 1. Weltkrieges, die Bedingungen des Friedensvertrages von Versailles am 28.6.1919 werden als Diktat empfunden. Nicht selten kommt es zu harten Auseinandersetzungen zwischen französischer Besatzung und Bevölkerung, zu Repressalien, Schikanen und zu Übergriffen. In solchen Zeiten liegt es nahe, auf der Bühne edle Helden, wie den freiheitsliebenden stolzen Sachsen Elmar dazustellen. Die bereits zitierte österreichische „Wo-chenpost“ schrieb außerdem am 11. Mai 1930, ganz im Stil der damaligen Zeit: „(…) Als echte Kinder ihrer freien Gebirgsheimat (die Eifel; der Verf.) konnten sie sich so ganz in die Gemütsverfassung des durch harte Kriege unterjochten Sachsenvolkes hineinleben, ebenso in die Denkart des Tirolervolkes, dessen Freiheitskampf die Spielgemeinde (Gerolstein; der Verf.) durch die Aufführung von „Andreas Hofer“ im Jahr 1927 verherrlichte.“ Im Jahr 1925 brachte der Verein das Heimatspiel „Ge-noveva“ auf die Bühne, ein damals beliebtes und vielerorts gespieltes Stück nach

Mitwirkende von „Andreas Hofer“. Ganz links: Hubert Rader

Friedrich Hebbels gleichnamigem Schauspiel aus dem Jahr 1843. Die Gerolsteiner Aufführung fand, wie seinerzeit berichtet, „großen Anklang (…), in dem Hunderte von Kindern als Gnome und Zwerge das Bühnenbild be-lebten.“

Und die „Wochenpost“ weiter: „Zum Spieljahr 1926 hatte Pfarrer Wieser (näheres nicht bekannt; der Verf.) Richard Wagners Parzivaldichtung eigens für die Gerolsteiner Felsenbühne eingerichtet. Auch den großen Anforderungen, die dieses erhabene Werk an die Spieler und den Verein stellten, wurde man vollauf gerecht und erzielte einen glänzenden Erfolg. „Nach den Aufführungen von“ Andreas Hofer“ im Sommer 1927 berichtet die Trierer Zeitung am 18.11.1927, dass „… Gerol-stein als letzte Freilichtbühne (es gab z.B. Naturbühnen in Malberg, Kronenburg, Neuerburg, Wittlich, Niederöfflin-gen und Idesheim; der Verf.) wirtschaftlich zum Erliegen kam – ja kommen musste

angesichts der Witterungsungunst und dem offenbar nachlassenden Interesse für solche Darbietungen im weiteren Hinterlande.“

1928 hat die Naturbühne auf dem „Elmarplatz“ keine Theateraufführung erlebt. Ob dabei Weltwirtschaftskrise, Inflation, Geldentwertung oder allgemeine Notlage eine Rolle spielten, ist nicht bekannt. Im Jahr 1929 ging es jedoch wieder weiter. Der Jesuitenpater Joseph Waibel aus Wien hatte im Winter 1928 sein Trauerspiel „Der Königsmör-der“ vollendet. Uraufgeführt wurde dieses Werk im Sommer 1929 bei den „Gerolstei-ner Felsenspielen“. Die letzte Vorstellung am 8. September

1929 „war durch die Anwesenheit des Dichters ausgezeichnet und wurde zu einem großen Erfolg“ (Wochenpost). Die Auswahl des Stückes für die Spielzeit im Jahr 1930, Heinrich von Kleists Drama „Die Hermannsschlacht“ (1821 veröffentlicht), darf man getrost mit den politischen Verhältnissen dieses

Jahres begründen. Das Schauspiel mit dem Befreier Hermann und der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus – wir begehen gerade mit oft zuviel Pathos und Deutschtümelei den 2000. Jahrestag – boten den idealen Hintergrund für das so genannte „Befreiungsjahr“ 1930. Im Sommer dieses Jahres verließen die letzten französischen Besatzungstruppen das Rheinland. Die Bewohner, auch die der Eifel, empfanden dies allgemein als Befreiung. Sie feierten in vielen Orten Feste, brannten Feuer ab oder pflanzten „Befreiungsbäume“ wie z.B. Buchen. Das Schauspiel „Die Hermannsschlacht“ traf genau die Stimmung des Volkes. Die Begeisterung für das Stück war dementsprechend groß. Für die Inszenierung hatte man mit dem Regisseur des Stadttheaters Trier, Watkin Brauer, einen Profi verpflichtet. Der löste, Berichten zufolge, die Aufgabe glänzend, besonders gut war die Darstellungskraft der Schlacht zwischen Römern und Germanen. Die großartige Kulisse dazu bot der Hintergrund der Gerolsteiner Naturbühne.

Am 7. September 1930 fand die letzte Aufführung von „Die Hermannsschlacht“ statt. Es war auch das letzte Stück der „Gerolsteiner Felsen-spiele“. Es dauerte 23 Jahre, bis eine Gerolsteiner Laienspielschar wieder ein FreiluftTheaterstück aufführte: „Der Speerwurf“, 1953 auf dem Gelände der Burg Gerhardstein, heute Löwenburg genannt.