Muttersprache, Mutterlaut

Marianne Schönberg, Jünkerath

Da gibt‘s so ein liebes kleines Gedicht, eine Laudatio an die Muttersprache und die ist nicht immer Hochdeutsch. Wo Mensch geboren und aufgewachsen ist, da sind seine Wurzeln und den besonderen Klang der Worte, die man als Kind hörte, vergisst man nie; das ist gut so.

Im Laufe des Lebens werden Veränderungen nötig, gewollt

oder nicht, es muss nun mal sein. Eine ganz andere Sprache bestimmt auf einmal den Tag, die Mundart der Region und wer die nicht annehmen kann, nicht sprachbegabt ist, der bleibt einsam, fühlt sich miss- oder unverstanden. Unsre Mundart geht verloren, alle Regionen beklagen das. Nur wenige Menschen sprechen noch Platt und junge

Leute kaum. Der Grund? Woran liegt’s?

Der enge Bezug zur Heimat hat sich gewandelt, Hochdeutsch ist für die berufliche Entwicklung wichtig - englisch hingegen sehr. Da bleibt die Mundart auf der Strecke. Was macht sie trotzdem so wertvoll?

Ginge sie verloren, wären viele Regionen ohne die ganz

eigene Färbung der Aussprache, mal weich, mal deftig. Beispiel Sachsen: ein Wischlappen heißt Hader, die Stielpfanne in der Küche ist ein Diechel, ein Rodelschlitten für Kleinkinder die Käsehitsche. Hatten Sies gewusst? Beispiel Pfalz: sie hat viele Variationen in der Mundart, ich kenne nur, was Großmutter sagte. Da gab’s Lattwerch, das war Pflaumenmus, Stachelbeeren hießen Druschele und „Verheiratete“ war ein Gericht aus Mehlteig, wie Spätzle in den Topf geschabt, und dazu kleine Kartoffelstückchen. Gemeinsam gekocht - Verheiratete. Auf den Teller kam über die Jungvermählten eine Soße aus Milch und gerösteten Zwiebeln, das war’s.

„Bischde ach so lärisch?“ Die Frage kann man in Hochdeutsch nicht beantworten. Es handelt sich um eine Gemütsempfindung. Trauer?

Nein. Unlust? Stimmt auch nicht. Mensch fühlt sich rundum nicht wohl, sucht Kontakt, einen Gesprächspartner und den fragt man: „Bischde ach lärisch?“ Die Eifel ist ein Dorado für vielfältige Schattierungen in Sachen Mundart, moselfränkisch überschneidet sich mit ripuarisch -Fremde haben kaum eine Möglichkeit, zu verstehen. Seit Jahren pflegt man wieder die alte Sprache und Mundart soll erhalten bleiben, für Kind und Kindeskind; schließlich lebt jede Region aus dem ganz eigenen Klang der Muttersprache, sie steht für Heimat, und das ist wunderschön. Weil aber jede Medaille zwei Seiten hat, darf die andere nicht vergessen werden, das Hoch- oder Schriftdeutsch. Wenn Menschen aus anderen Ländern unsere Sprache erlernen wollen oder müssen, sollte man sie nicht mit

mundartlichen Redewendungen verunsichern. Platt ist eine gebietsbezogene Ausdrucksform, ihr Erhalt darf nicht auf Kosten der deutschen Sprache gehen, und das zu nutzen, liegt in unserer Hand.

So gern erinnere ich mich an meine ersten Schuljahre in Sachsen. Wir hatten einen ganz lieben Lehrer älteren Semesters. Es war Krieg, die jungen Pädagogen trugen feldgrau. Papa Kläß sorgte sich immer um uns und half, so beim Diktatüben und meinte: „Denkt dran Kinder, BAULA schreibt mer mit harten B (also P), nicht mit wei-chen.“ Später verstieg er sich zu einem Ausspruch, den ich nie vergesse: „Un das misst ihr wissen, sächsisch iss das reinste Hochdeitsch!“ Ein liebevoller Verfechter der Mundart, schade, dass ich nicht mehr mit ihm sprechen kann.