Johann Valentin Ignaz Büchel aus Hillesheim (1757 – 1810)

Aus dem Leben eines Menschenfreundes zum 200. Todestag

Heinz Schmitt, Trier

Zur Lebensgeschichte des Johann Valentin Ignaz Büchel, wie er mit vollem Taufnamen hieß, ist bisher etliches bekannt und veröffentlicht worden, so dass seine Biographie in groben Zügen nachgezeichnet werden kann. Doch verdienen wichtige As-

pekte derselben, noch näher betrachtet zu werden. Der Prümer Landrat Georg Bärsch konnte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei der Bearbeitung seiner Ei-felbeschreibung, der Eiflia Il-lustrata, wichtiges von Büchel zusammengetragenes Material verarbeiten und wies erstmals auf die Bedeutung dieses Mannes hin. Büchels Unterlagen hatte er von dessen Schwager, dem 1829 verstorbenen Prümer Bauinspektor Anton Nikolaus Lauterborn erhal-1 ten.

1922 erschien dann anonym unter den Initialen G. D. in Trier eine kleine Abhandlung über Bü-chel mit dem Titel „Ein vergessener Sohn der Eifel“, die wichtige Einzelheiten zu

Leben und Per-2 son mitteilte.

Auch anderweitig gedachte man seiner und seiner Schicksale, so dass hier ein kleiner

Abriss seiner Biographie ge-3 nügen soll.

Am 29. Juli 1757 kam Johann Valentin Ignaz Büchel als erstes von neun Kindern des 1731 geborenen Hillesheimer Amtsverwalters Georg Jakob Büchel und seiner aus Trier stammenden Frau Barbara Franziska Münzinger zur Welt. Wie sein Vater 1752 immatrikulierte er sich 1779 an der juristischen Fakultät der Universität zu Trier. Bereits 1774 hatte dort das Bakkalaureat der artistischen Fakultät erlangt. In der Folgezeit war er seinem Vater als Amtsgehilfe beigegeben worden, allerdings ohne Bezahlung. Dies nährte vermutlich den Verdacht der Unredlichkeit in Gelddingen. So wurde er 1793 aus dem kurtrierischen Dienst entlassen, weil man ihn – mit großer Sicherheit zu Unrecht – der Unterschlagung eingenommener Gemeinde-und Amtsgelder bezichtigte. Hiergegen wehrte er sich vehement und gemeinsam mit seinem Vater vor dem Reichskammergericht in Wetzlar. Als 1794 die Franzosen die kurfürstliche Herrschaft im Trierer Land beendeten, wa-

ren sie bei der Einrichtung ihrer eigenen Verwaltung auch auf einheimische Kräfte angewiesen. Hier fand auch Valentin Ignaz Büchel ein neues Betätigungsfeld. 1795 finden wir ihn als Verwalter des neugebildeten Kantons Ulmen. 1796 wird er Assessor am Zivilgericht zu Trier, bald darauf Richter und seit dem 2. August 1798 erscheint er als Präsident des Strafgerichtshofes des Saardepartements daselbst. Sowohl dem Zivilgericht als auch dem Kriminalgericht war je ein Kommissar des Pariser Direktoriums beigeordnet, die den Geschäftsgang zu beaufsichtigen hatten. Zwischen Büchel und dem Kommissar Duplat kam es bald zu Spannungen, die der Regierungskommissar Rudler am 9. Februar 1799 dem Justizminister nach Paris meldete, wobei er Büchel die Schuld daran gab und sich gegen eine Ablösung von Duplat aussprach. In der Folge scheint sich Büchel als Präsident des Strafgerichts nicht mehr wohlgefühlt zu haben. Daher bewarb er sich am 16. März 1801 um einen Posten beim geplanten Appellationsgericht des Saardepartements, das von Mainz nach Trier verlegt werden sollte. Dieses trat am 23. September 1802 an die Stelle des gleichzeitig aufgelösten Revisionsgericht. Das Appellationsgericht wurde am 13. Januar 1803 offiziell

eingeführt, aber Büchel war

4 nicht mehr dabei.

Als nämlich Napoleon an

diesem Tage eine Neuordnung

des Gerichtswesens in Kraft

treten ließ, wurde Büchel nicht übernommen und war fortan Privatmann. Durch sein menschliches Auftreten bei den Strafprozessen hatte er sich zwar die Achtung und Liebe des Publikums erworben, sich aber gleichzeitig bei den französischen Behörden verdächtig gemacht. Büchel hatte es zu einigem Vermögen gebracht und konnte so am 4. April 1805 ein ehemals dem Trierer St. Paulinstift gehörendes Hofgut

samt Kapelle in Kasel b. Trier

5 für 10500 Franc kaufen.

Daneben widmete er fortan seine Freizeit der Geschichtsforschung und hatte den Plan gefasst, eine Geschichte der Eifel zu schreiben. Seine in verschiedenen Archiven gemachten diesbezüglichen Sammlungen und Exzerpte kamen – wie bereits gesagt – später an Georg Bärsch, dem sie bei der Bearbeitung der Eiflia illustrata beste Dienste taten. Die Stadtbibliothek zu Trier besitzt noch heute Teile von Büchel`s Sammlungen. 1809 sollten durch die französischen Besatzungsbehörden neue Männer zur Aufstockung der Nationalgarde ausgehoben werden. Hiergegen regte sich Widerstand, weil diese Maßnahme nicht durch kaiserliches Dekret von Napoleon selbst angeordnet war, wie es die Verfassung vorsah und nicht einmal der Departementsvorsteher Keppler die

Aushebung mit persönlicher

6 Autorität für gut hieß. Dazu

ließen Gerüchte über eine bevorstehende Landung der Engländer an der Kanalküste, die Schwierigkeiten der

Franzosen in Spanien und Napoleons zögerliches Vorgehen in Österreich Hoffnungen aufkommen, dass die französische Herrschaft nicht mehr allzulange andauern werde. Vor allem in den Bezirken Daun, Hillesheim, Bernkastel und Birkenfeld kam es zu Unruhen gegen die Aushebung. Valentin Ignaz Büchel und sein Bruder Peter (1762– 1848), der Geistlicher war, wurden von den Behörden als Mitaufrührer angesehen. Beide wurden verhaftet, ihr

Vermögen und ihre Papiere

7 eingezogen. Die Trierer

Militair-Kommission sprach am 26. Januar 1810 ihr Urteil. Sechzehn Angeklagte wurden zum Tode, sieben zu zwölfjähriger und 19 zu achtjähriger Kettenstrafe verurteilt.

Zehn der Todesurteile wurden

8 letztlich vollstreckt. Valentin

Ignaz erhielt 12 Jahre Kettenstrafe, sein Bruder wurde freigesprochen. Eine Zeitlang wurden beide Brüder auf der Burg Hamm bei Bitburg unter Gewahrsam gehalten. Auf dem Weg zur Strafverbüßung nach Frankreich fand Valentin Ignaz am 18. Juli 1810 in Clermont en Argonne, gut 20 km westlich von Verdun, ein gewaltsames Ende. Der ihn begleitende Gendarm gab an, Büchel habe fliehen wollen und deshalb habe er ihn mit dem Bajonett niedergestochen. Vermutlich wollte er sich aber nur seines lästigen Auftrages und seines Gefangenen entledigen, wozu der große Argonner Wald denkbar geeignet war. Büchels Menschlichkeit im Gerichtssaal hatte Jahre zu-

vor tiefen Eindruck auf die Beobachter in Trier gemacht. Besonders schwer muss ihm die Verkündung des ersten Todesurteils gefallen sein, die sein Amt als Präsident des Trierer peinlichen Gerichtshofs am 14. April 1499 von

9 ihm forderte. In seiner Rede

zur Urteilsbegründung teilt

er der Zuhörerschaft mit, wie

es zu dem strengen Spruch

kam und gibt ihr warnende

Maßregeln mit, die solches in

10 Zukunft verhüten sollen.

Aus jedem Wort spürt man sein Mitgefühl für den unglücklichen Angeklagten Heinrich Windheuser, einen im belgischen Lüttich geborenen jungen Mann. Auch wenn Büchel keinen Zweifel daran lässt, dass dem Gesetz Genüge getan werden muss, so spricht er dem Delinquenten doch mit warmen Worten Trost zu und versucht, ihm die Angst vor dem schrecklichen Ende zu nehmen.

Er ruft ihm zu: „Heinrich Windheuser! Das Tribunal verurteilt Euch zur Todesstrafe. Es that hiebei nichts anders, als was das Gesetz befahl, und die zwar harte, jedoch heilige Pflicht von ihm forderte.“ Das Gericht habe aufrichtig versucht, Entlastendes zu finden: „Allein, die Schwere eurer Handlungen überwogen alle Ver-theidigungsgründe, und die

11 unerbittliche Themis war

nicht dahin zu bewegen, die Wageschale auf eure Seite zu lenken. Müßet ihr aber nicht auch selbst gestehen, daß ihr der blinden Göttin diese Strafe abgezwungen habet?“

Büchel würdigt auch die guten Seiten des Verurteilten und macht klar, daß nicht nur Schlechtigkeit, sondern auch äußere Umstände einen Menschen zum Verbrecher machen können. Er stellt dem Verurteilten tröstend die Endlichkeit allen menschlichen Daseins vor und dass ihm nach seinem Tod die Morgenröte der Ewigkeit entgegenlächeln werde. „Füget euch also in die Schicksale der Vorsehung, die die Lebensaugenblicke des Würmchens gezälet hat, wie die Lebenstäge des Menschen – wie die Lebensjahrhunderte des Engels! ... Wohlan! So zeiget auch hier euren Muth und eure Geistesstärke. Verscheuchet alle Furcht, alle Zaghaftigkeit, und setzet ihm mit Gelassenheit, mit Unerschrockenheit und Stand-haftigkeit entgegen. Er öffnet den Weg dieses Kerkers des Lebens.“

Dann mahnt er die Zuhörer. Gerade seine Äußerungen zur Rolle der Eltern bei der Kindererziehung haben nichts an Aktualität verloren und verdienen es noch heute zitiert zu werden:

„Aeltern! Kinder! und Mitbürger! Nehmen sie hier ein warnendes Beispiel, welches das erste von dieser Art ist, so sich ihnen bei unserm Gerichtshofe darbeut. O möchte es doch das Letzte seyn! O möchten wir in der Folge von dieser schmerzlichen Pflicht entbunden bleiben!“ „Aeltern! Leget bei euren Kindern ein gute Grundlage zu ihrer Erziehung und zu ihrer künftigen Bildung. Fasset

sie mit liebevoller Wärme bei der Hand, und führet sie und führet sie auf die Bahn der Tugend zurück, wenn sie etwa davon ausglitschen. Präget tief in ihre zarten Herzen ein, daß ohne Begriff der Tugend sich die Seele in Finsternis verliere, wo sie ohne Stab und Stütze zwischen Rettung und Verderben schwanket.“ „Kinder! Gebet den hämischen Einlispelungen der Verführung und des Lasters kein Gehör. Schließet euch aufs engste an eure Eltern an, und folget ihren Winken; denn sie sind eure vertrautesten Steuermänner, die euch durch die gefärlichen Wogen dieses stürmischen Weltmeeres glücklich führen werden.“ Sein von tiefer Humanität geprägtes Auftreten gegenüber diesem und späteren Angeklagten trug ihm in der Folge beim Publikum und der übrigen Bevölkerung höchste Achtung ein. Eine richterliche Haltung nämlich, die damals durchaus nicht alltäglich war. Heute scheint es unbegreiflich, dass ein Mensch wegen Einbruchdiebstahls sein Leben in die Wagschale werfen musste, doch damals waren die Gesetze drakonischer als Drakon selbst. Gut sechs Wochen nach der Verkündung des Urteils wurde Heinrich Windheuser hingerichtet. Die erstmals in Trier durchgeführte seelenlose maschinelle Tötung eines Menschen mittels der Guillotine ergriff die Zuschauer damals tief und löst noch heute allein bei dem Gedanken daran Schaudern aus. Im Sterbebuch der Trierer

Pfarrei St. Gangolf ist es nachzulesen: „Am 30. 5. 1799 ist auf dem Markt guillotiniert, das heißt enthauptet worden Heinrich Windheuser aus Lüttich, 25 Jahre, dem Brauch nach wie ein Katholik vorbereitet. Jene Maschine wird Guillotine genannt nach seinem französischen

Erfinder, der Guillot genannt

12 wurde.“

Sein einstiger Richter Johann Valentin Ignaz Büchel folgte ihm elf Jahre später in die Ewigkeit und es mag offen bleiben, wessen Tod der leichtere war.

Anmerkungen:

1 Bärsch, Georg (Bearb.), Eiflia illus-trata, Aachen u.a. 1824-1855, III, 2, 1, S. 87f.

2 G. D., Ein vergessener Sohn der Eifel, in: Trier. Heimatbll. 1 (1922), S. 156f.

3 Zu Büchel vgl. auch: Kuhn, Hans Wolfgang / Kuhn, Halgard, Zur Säkularisation der Abtei St. Maximin, in: Jb. Westdt. Ldsgesch. 26 (2000), S. 99-177, bes. 143-145; Stein, Anke, Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht zu Wetzlar 1693-1806 als Rechtslehrer u. Schriftsteller, Berlin 2002

4 Dressler, Joseph, Geschichte der Trierer Gerichte 1794 - 1813, Trier 1957, S. 12, 16, 39

5 Schieder, Wolfgang (Hrsg.), Säkularisation und Mediatisierung i. d. vier rhein. Departements, Boppard 1991, III, S. 70 Nr. 5778

6 Zum Widerstand gegen die Aushebungen vgl. Marx, Jakob d. Ä.,

Geschichte des Erzstiftes Trier, Trier 1858-64, V, S. 529-533

7 Landeshauptarchiv Koblenz: 276 Nr. 1013, (1141); 276 Nr. 1347, (3244): Akten zur Verhaftung und Beschlagnahme

8 Der Beobachter, Nr. 2055 v. 13. 2. 1810; Marx, a.a.O.

9 Stadtarchiv Trier: FZ 253, Nr. 16: Urteilsschrift im Fall Windheuser

10  Stadtbibliothek Trier: T 129/75 8° : Rede des Bürgers Büchel, Presidenten des peinlichen Tribunals des Saardepartements, gehalten zu Trier den 25ten Germinal 7ten Jahres, in der öffentlichen Sitzung, in welcher der Heinrich Windheuser von Lüttich, wegen eines mit Einbruche verübten Diebstahles, zur Todesstrafe verurteilet wurde, Trier 1799; Ebenfalls in: Bistumsarchiv Trier 49/48 Nr. 51

11 Themis = griechische Rachegöttin

12 Bistumsarchiv Trier: Kirchenbuch Trier-St. Gangolf 14, S. 455