Vulkanausbruch: Ursache für die Hungersnot 1816/17 in der Eifel?

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

Am 5. sowie am 10./11. April 1815 brach der Tambora, ein Vulkan auf der indonesischen Insel Sumbawa, (kleine Sundainseln), aus. Beim wahrscheinlich größten Ausbruch in den letzten 2.000 Jahren wurde die unvorstellbare Masse von geschätzten 130–150 Kubikkilometer Asche, Magma, Gesteinstrümmer und Gase ausgestoßen (1883 schleuderte der Kraka-tau „nur“ etwa 18–30 Kubik-kilometer aus). Der Tambora, einst etwas über 4000 m hoch, schrumpfte durch die Explosion auf etwa 2.800 m. Es bildete sich ein Krater, die so genannte Caldera, mit einem Durchmesser von ca. 6 km und einer Tiefe von 1,1 km.

Der Tambora-Ausbruch führte nachweislich zu einer weltweiten Klimaverschlechterung. Nach der etwa ein Jahr dauernden Verbreitung des Staubschleiers um die Erde gingen die Temperaturen im Sommer 1816 deutlich zurück. Es waren folgende Faktoren, die in diesem Fall das Klima beeinflussten: Die Nähe zum Äquator führte dazu, dass Asche und Gase leichter von erdumfassenden Windströmungen erfasst und verteilt wurden, dazu kam die riesige Eruptionsmenge des Tambora. Und letztlich bildete sich aus der großen Masse an

ausgeworfenen Schwefelbestandteilen und Wasser eine Aerosolschicht, die in einer bestimmten Höhe das Sonnenlicht absorbierte, was zur Abkühlung der bodennahen Erdschichten (Troposphäre) führte.

Zweifelsfrei haben die Tambora-Ausbrüche im April

1815 das Weltklima für etwa 1 bis 2 Jahre beeinflusst. Beispielsweise wurde in Uccle, einer kleinen Stadt südlich von Brüssel – ca. 350 km vom Vulkaneifelkreis entfernt – die größte Sommerkälte des Jahres 1816 in Europa gemessen. In der Klimageschichte ist 1816 seit langem als „das Jahr ohne Sommer“ bekannt. Für die Menschen in der Ei-fel, seit 1815 erst zu Preußen gehörend, begann die Zeit unter der neuen Herrschaft denkbar ungünstig. Im Jahr

1816 folgten einem langen, frostigen Frühjahr ein verregneter, zu kühler Sommer und diesem ein viel zu früher Wintereinbruch. Die Frucht konnte nicht reifen, vielerorts wurden zum Beispiel die Kartoffeln erst im November mit Schlitten eingefahren. Eine furchtbare Hungersnot war die Folge.

Der Publizist Josef Görres aus Koblenz beschrieb Ende 1816 die Notlage so: „Seit Monaten schon nähren sich im Innern der Eifel viele Tausend Men-

schen von erfrorenen Kartoffeln, aus denen sie Kuchen backen, um ihr elendes Leben notdürftig zu fristen.“ Im Juli 1817 berichtet eine eigens eingesetzte Regierungskommission: „Der größte Teil der Bevölkerung in der tiefen Eifel schleicht jetzt umher mit eingeschwundenen kleinen Augen, hohlen eingefallenen Wangen (…) unfähig zur Arbeit (…) den Seuchen entgegensehend (….). Über 50 000 Menschen in den Bezirken Prüm, Daun und zum Teil Blankenheim befinden sich größtenteils in diesem Zu-stande.“ Für die Hungernden stellte der Staat schließlich zwei Millionen Taler bereit, zusätzlich spendeten die Einwohner Berlins und anderer Städte Geld oder Sachwerte. Wolfgang Rammacher stellt den Zusammenhang zwischen Vulkanismus und Klima in seiner Abhandlung “1816 – Das Jahr ohne Sommer“ (Ausgabe März 2004) nicht in Abrede, warnt jedoch vor einer Überinterpretation (wie z.B. „Jeder globale kalte Sommer wurde durch Vulkanismus verursacht“). Auch berichtet er von einer „… Serie schlechter bis sehr schlechter Sommer in West-, Süd- und Mitteleuropa, die ihren kalten Höhepunkt dann mit dem Sommer 1816 hatten“. Die Versorgungs- und

Nahrungsmittelkrise bzw. Hungersnot 1816/17 hatte mit Sicherheit auch andere Gründe als die oben beschriebenen (Vulkanismus). Die Eifel war rückständig und die Ursachen waren vielfältig: Grundsätzlich klimatisch ungünstige Bedingungen, schlechte Böden, die den Ackerbau erschwerten, Mangel an Dünger, durch Unwissenheit bisweilen mittelalterliche Methoden der Landbestellung, fehlendes Saatgut, fehlendes Bargeld, ungünstige Grundstücksgrößen durch Realteilung und

Mangel an Transportmöglichkeiten. Größere Investitionen in der Fortentwicklung wurden nicht getätigt und die Grenzlage der Eifel im Westen des Reiches führte vorrangig zu militärisch bedeutsamen Maßnahmen des Staates. Ob eventuell mit verursacht durch den gewaltigen Vulkanausbruch des Tambora oder/ und Rückständigkeit usw.: Die Eifel blieb noch viele Jahre ein Sorgenkind des Staates, ein Notstandsgebiet. Von „Preußisch“ oder „Rheinisch Sibirien“ bis zum heutigen Lebensstandard war es noch

ein langer Weg. Es entbehrt nicht einer gewissen Kuriosität: Traf die Eifel noch 1816/17 der Fluch – besser die Folgen – eines riesigen fernen Vulkanausbruchs, profitieren wir heute touristisch bzw. wirtschaftlich von der früheren Tätigkeit der (eifeler) Vulkane; unser Landkreis hat sich sogar bei ihnen seinen Namen entliehen: Vul-kaneifelkreis.

Quellen:

Rammacher Wolfgang, 1816 – Das Jahr ohne Sommer, März 2004, Übersichtsartikel in: WRammacher@online.de Renn Heinz, Die Eifel, Düren 2000