„Schlitzohrig - und trotzdem liebenswert“

Streit um die Heilquelle im Uessbach „friedlich“ beigelegt

Uli Diederichs, Manderscheid

Nachbarstreitigkeiten gab es immer schon; in der Vergangenheit genauso wie in der Gegenwart.

Doch sie unterscheiden sich häufig darin, wie sie gelöst wurden beziehungsweise werden. Heutzutage wird oftmals bereits bei der kleinsten Kleinigkeit mit harten Bandagen gekämpft; schnell wird ein Rechtsanwalt eingeschaltet oder sogar ein Gericht bemüht. Früher ging das vielfach noch anders. Zwar nicht immer mit „ganz legalen“ Mitteln, dafür aber friedlich und ohne Waffen. Liebenswert halt! Davon handelt meine Erzählung: Mitte der 1960er Jahre besuchte ich – wie damals oft - mit meinen Eltern und meinem großen Bruder die „Strotzbüscher Mühle“ im Tal der Uess. Der Eigentümer der Mühle, der alte Herr Friedhoff, der dort allein mit seiner Frau lebte und eine Gastwirtschaft betrieb, erzählte mir bei jedem Aufenthalt eine „wahre“ Geschichte, die ich sehr aufmerksam verfolgte (hätte ich sie sonst bis heute behalten!?). Und wenn er von sich aus mal nichts erzählte, quengelte ich so lange an ihm rum, bis er schließlich nachgegeben hat. An jenem

Tag ging er mit mir zur nahe gelegenen Heilquelle im Uessbach und gab folgende Begebenheit zum Besten: Der Uessbach sei seit Alters her die Grenze zwischen den Kreisen Daun (heute: Vulkaneifel) und Cochem (heute: Cochem-Zell). Einmal sei es zu einem großen Streit darüber gekommen, zu welchem der Kreise die im Bachbett sprudelnde, warme Heilquelle gehöre. Denn „die Bad Ber-tricher hätten sich die Quelle und das Heilwasser gern ein-verleibt“. Sogar die Landräte aus Daun und Cochem sowie die Amtsbürgermeister aus Gillenfeld und Lutzerath wären involviert gewesen. Das Ergebnis der vereinbarten staatlichen Überprüfung durch das Vermessungsamt war, dass der Quellaustritt akkurat in der Bachmitte lag; von jedem Ufer gleich weit weg. Deshalb gehörte die Quelle keinem der Anrainer. Quelle und Streit brodelten also munter weiter. Ein verschlagener „Kreis-Cochemer“ – so stellte es der alte Herr Friedhoff dar – habe dann auf seiner Kreisseite Anschüttungen im Bach vorgenommen und somit das Cochemer Ufer näher an den Quellaustritt verlagert.

Das hätte aber aus zweierlei Gründen nicht funktioniert: zum einen wäre das den Daunern sofort aufgefallen, und zum anderen hätte der Bach die Anschüttungen schnell wieder fort gespült. Ein schlitzohriger „Kreis-Dauner“ hingegen – der alte Herr Friedhoff konnte sich sein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen - habe etwas später dann heimlich und von allen unbemerkt unter der Wasseroberfläche einen flachen, aber sehr großen Stein zwischen der Quelle und dem Cochemer Ufer platziert. Dadurch sei der Wasserfluss so verändert worden, dass sich hinter dem Stein ein kräftiger Strudel gebildet habe. Dieser Strudel habe langsam, aber sehr beständig das Cochemer Ufer nach und nach unterspült. Beim Tauwetter im nächsten Frühjahr hätte dann ein starkes Hochwasser den ausgehöhlten Uferbereich einfach weg geschwemmt. So sei das Cochemer Ufer weiter und weiter vom Quellaustritt „gewandert“. Seither liege die Quelle eindeutig in der Kreis Dauner Bachhälfte. Und Streit habe es deswegen nie wieder gegeben.