Die Brennnessel-Falter in der Eifel

Dr. Josef Pedain, Gerolstein

Wanderer und Eifelbesucher erfreuen sich im Frühling an den seltenen Orchideen der Eifel und im Herbst an den Enzianen. Beide Pflanzenfamilien überraschen mit prächtigen Blüten. Ganz anders die Brennnessel. Sie kommt überall vor - vor allem in der Nähe von menschlichen Siedlungen -hat ganz unscheinbare Blüten und verursacht zudem noch Schmerzen, wenn der Wanderer sie berührt. Und doch hat diese Pflanze Bedeutung für die Menschen und ist lebenswichtig für einige Tiere. Viele Eifler, die Notzeiten erlebt haben, erinnern sich sicher an den rauen Geschmack von Brennnesselspinat, der Botaniker schätzt die Brennnessel, weil sie „zweihäusig“ ist (männliche und weibliche Blüten kommen auf verschiedenen Planzenindividuen vor) und der Gartenliebhaber erzeugt aus der Pflanze eine Spritzbrühe, die gegen viele Schädlinge im Garten wirkt.

In der Volksmedizin findet die Brennnessel Anwendungen und im 17. Jahrhundert war sie eine bedeutende Faserpflanzen und diente zur Herstellung von sehr festen Stricken und Stoffen. Der Ausdruck „Nessel“ wird noch heute benutzt für ein ungebleichtes Gewebe. Und schließlich ist die Brennnessel der Geburtsort, die Wirtspflanze von vielen Schmetterlingen. Dazu gehören drei der schönsten Falter Deutschlands: Landkärtchen, Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge. Die Brennnessel ist die Kinderstube dieser Großinsekten, ihre Raupen leben von und auf dieser Pflanze. Alle drei Falter fliegen in der Eifel noch häufig und sind es wert sie näher zu betrachten.

Landkärtchen

Dieser Falter legt seine Eier in Form von kleinen Türmchen auf die Unterseite von Brennnesselblättern ab. Die kleinen schwarzen Raupen

leben gesellig, die Puppen überstehen den Winter gut getarnt an einem welken Brennnesselblatt hängend. Im Frühjahr schlüpfen die Falter, sie gehören in der Eifel zu den ersten Schmetterlingen, die man an Doldenblütlern oder auf der Knoblauchsrauke beobachten kann. Das Besondere am Landkärtchen sind die beiden Formen: Im Frühjahr haben die Falter oberseits eine hellbraune Grundfarbe, Falter der nächsten Generation, die im Sommer schlüpfen, haben dagegen eine schwarze Grundfarbe auf der Oberseite der Flügel. Der Name Landkärtchen - doch recht ungewöhnlich für einen kleinen Schmetterling - lässt sich leicht erklären: Sowohl die Frühjahrs- als auch die Sommerform haben auf der Flügelunterseite eine Gitterzeichnung aus hellen Strichen, die einer Landkarte ähnelt.

Kleiner Fuchs

Der Kleine Fuchs ist wohl der

bekannteste unserer Großschmetterlinge. Er besucht unsere Gärten und ist auf Astern und Sommerflieder zu beobachten. Die Falter überwintern an geschützten Orten und fliegen im Frühling schon, wenn die Weidenkätzchen blühen. Die Raupen auf der Brennnessel leben in Gesellschaft auf der Oberseite der Blätter und sind deshalb leicht zu beobachten. Sie sind schwarz und haben auf dem Rücken zwei gelbliche Längsstreifen. Sie lieben die Wärme und leben auf Brennnesseln, die windgeschützt in der Sonne stehen.

Tagpfauenauge

Das Tagpfauenauge ist ein großer edler Falter mit prächtigem Aussehen. Er wurde zum Schmetterling des Jahres 2009 ausgewählt. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich das Tagpfauenauge durch die Klimaerwärmung in Zukunft in mehr als einer jährlichen Generation fortpflanzen wird. Die Deutsche Post hat im Juni 2009 eine Sonderbriefmarke als Block herausgebracht zum Thema Nationalpark Eifel. Auf dieser Marke sind unter anderem einige seltene Eifel-tiere zu sehen wie Schwarzstorch, Schwarzspecht und Wildkatze und besonders gewidmet ist die Marke dem Eifelgold, dem Besenginster. Doch leider ist auf diesem Block kein einziger Schmetterling zu sehen und dabei hätten die fliegenden Edelsteine doch besonders gut zum Eifelgold gepasst. Die jungen Räupchen des

Tagpfauenauges bedecken die Brennnesselpflanze mit einem Gespinst, die älteren sind schwarz und haben Stacheln. Sie sitzen auf der Oberseite der Blätter. Die im Sommer geschlüpften Falter überwintern an geschützten Stellen in Ritzen, unter Baumrinde oder auch in Schuppen und Dachböden. Die warmen Sonnenstrahlen bringen sie wieder zum Leben, sie sind die ersten bunten Frühlingsboten und saugen an Huflattich und Weidenkätzchen. Im Sommer wenn die nächste Generation geschlüpft ist, sitzen sie häufig auf Disteln aber auch im Garten auf Sommerflieder und Astern und prahlen mit den auffälligen blauen Pfauenaugen auf der Flügeloberseite.

Der Schutz von Schmetterlingen

Schmetterlinge sind beliebt, beschreiben doch viele Schlagerlieder wie schön es ist Schmetterlinge im Bauch zu haben. Aus der modernen Werbung sind Fotos von Schmetterlingen kaum mehr wegzudenken, sie stehen für ein leichtes frohes Lebensgefühl. (Doch leider wird auf diesen Werbefotos oft kein europäischer sondern ein amerikanischer Falter gezeigt, der Monarchfalter). Bei aller Beliebtheit wirklich gut steht es um Schmetterlinge noch lange nicht. Denn der größte Feind der Schmetterlinge ist die übertriebene Ordnungsliebe vieler Menschen. Leider werden auch in der Eifel Wiesen in den Gärten zu kurzgeschorenen Rasen-

flächen gemacht, auf denen keine einzige Blume blühen kann. Das öffentliche Grün von Grünanlagen, Friedhöfen, Spielplätzen und der Bewuchs entlang von Straßen und Wegen wird mehrmals im Monat gemäht. Zum Mähen dieses sogenannten Straßenbegleit-grüns werden in den letzten Jahren Maschinen eingesetzt, mit denen sogar die Straßengräben sauber ausgemäht werden können. Dabei wäre es doch so einfach für alle Gartenbesitzer ein paar Quadratmeter des Gartens verwildern zu lassen -auch mit Brennnesseln - oder auch ein paar Büschel Margeriten und Glockenblumen stehen zu lassen. Und wer das nicht kann, sollte wenigst keine gefüllten Blumen pflanzen sondern nur ungefüllte Astern und Dahlien, die den Insekten noch Nektar und Blütenstaub anbieten. Denn es geht nicht nur um die Schmetterlinge sondern auch um Bienen, Hummeln und Wildbienen, ohne deren Gegenwart und fleißige Arbeit wir immer weniger Obst ernten werden. Die beiden Falter Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge halten ihre Winterruhe oft in ungeheizten Gebäuden. Man sollte sie auf keinen Fall ins warme Zimmer bringen, das wäre für sie tödlich. Aber im Frühjahr wenn sie erwacht sind kann man ihnen helfen. Dann flattern sie oft zu Dutzenden an geschlossenen Dachboden- oder Kellerfenstern.

Man sollte schnell das Fenster öffnen und die Falter ins Freie entlassen.