Vulkaneifel: Mehr als Maare

Abbauflächen in der Diskussion

Hans-Peter Felten, Daun

Vulkaneifel, das sind die herrlichen, wassergefüllten Maare und die großen, verlandeten Trockenmaare. Vulkaneifel, das ist aber mehr als Maare! Vulkaneifel, das sind auch die vielen Vulkanberge, die wegen ihrer von weither sichtbaren Präsenz das Aussehen der Vulkaneifel noch stärker dominieren als die Maare. Vulkaneifel, das waren auch einige Berge, die es heute nicht mehr gibt. Sie waren nämlich Lagerstätten von Lava. Die Spannungsfelder, die sich aus Lavaabbau und Rohstoffsicherung einerseits sowie Landschaftsschutz und Artenschutz andererseits ergeben, sollen in diesem Beitrag aufgezeigt werden.

Verschwundene Eifelvulkane

Auf Grundlage des 1935 erlassenen Reichsnaturschutzgesetzes wurde von den zahlreichen Vulkanbergen des heutigen Landkreises Vulkan-eifel lediglich der Barsberg bei Bongard in einer eigenen Verordnung vollständig unter Schutz gestellt und 1939 als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen. Andere Berge erhielten einen Gipfelschutz, d.h. es wurden die Gipfel ab einer bestimmten Höhenlinie oder markante Felsformationen der Gipfel als Naturdenkmale (ND) ausgewiesen. Hier sind als Beispiele der zweithöchste Berg der

Eifel der Ernstberg bei DaunWaldkönigen, der Asseberg bei Daun, der Riemerich bei Daun-Neunkirchen, der Scharteberg bei Kirchweiler, der Vulkan Kalem bei Birresborn, der Radersberg bei Brück, der Kalenberg bei Oberstadtfeld, die Baarlei bei Pelm, der Rockeskyller Kopf oder der Steffelnkopf zu nennen.

Einige Berge waren auch in ein spezielles Landschaftsschutzgebiet (LSG) eingebettet wie z.B. der Hohe List bei Schalkenmehren, der Nero-ther Kopf, der Goßberg bei Walsdorf, der Wartgesberg bei Strohn, der Sassenberg bei Berlingen oder der Buerberg bei Schutz.

An all (!) den hier genannten Bergen wurde ganz legal mehr oder weniger umfangreich Lavaabbau an den nicht geschützten Bereichen betrieben – an den vielen anderen, nicht geschützten Bergen des Kreises ohnehin. Gelangte man mit dem Abbau in den geschützten Bereich, wurden die Schutzverordnungen aufgehoben oder zumindest neu abgegrenzt, wie erst kürzlich beim Wartgesberg geschehen. Bereits wenige Jahrzehnte nach der Unterschutzstellung wurde daher der Schutzstatus als ND beim Steffelnkopf, Ra-dersberg oder Kalenberg wieder aufgehoben. Sie sind inzwischen komplett abgebaut

und aus dem Landschaftsbild verschwunden. Sie folgten damit dem ebenfalls aus der Landschaft verschwundenen Goldberg bei Ormont. Der Goßberg bei Walsdorf verdient hier besondere Erwähnung. Er war als ND und LSG geschützt. Den Schutzstatus als LSG besitzt er heute noch! Dennoch ist auch der Goßberg bis auf eine kümmerliche Restwand aus der Landschaft verschwunden. Dass selbst der Status als NSG nicht unbedingt vor Lavaabbau schützt, belegt der Nerother Kopf. Mehr als dreißig Jahre nach der Ausweisung als NSG im Jahre 1978 hat der Lavaabbau im (!) NSG immer noch kein Ende gefunden!

An manchen der heute noch bestehenden ND wie Scharteberg, Rockeskyller Kopf oder Baarlei wird außerhalb der geschützten Bereiche Lava abgebaut, z.T. sogar an mehreren Seiten. Werden auch diese Berge dem Beispiel der Berge folgen, deren Schutzstatus man mit der Begründung aufhob, der Lavaabbau habe ihr Aussehen derart verändert, dass ihre charakteristische Form, die ehemals zu ihrer Unterschutzstellung geführt habe, nicht mehr erhalten sei?

Einige markante Berge wie der Ernstberg, Döhm, Vulkan Kalem, Hochkelberg oder

Römerberg erhielten einen besseren Schutzstatus und wurden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts als NSG ausgewiesen bzw. in größere NSG miteinbezo-gen. Die meisten der übrigen Vulkanberge des Landkreises Vulkaneifel sind seit den 1980er Jahren durch die LSG „Zwischen Uess und Kyll“, „Gerolstein und Umgebung“ und „Kelberg“ geschützt. Hinsichtlich der Bewahrung des Landschaftsbildes haben sich die Bestimmungen der LSG jedoch als äußerst schwache Schutzinstrumente erwiesen. Was der Verlust der verschwundenen Berge für das Landschaftsbild bedeutet, ist heute nur noch durch einen Vergleich historischer Fotografien mit den gegenwärtigen örtlichen Gegebenheiten zu ermessen. Einen guten Überblick bietet diesbezüglich die Bildergalerie „Vulkanberge – zu schade, um unter die Räder zu geraten“ auf der Internetseite des NABU-Daun, www.nabu-daun.de.

Rohstoffsicherung

Der großflächige Abbau der Vulkanberge setzte hauptsächlich mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem 2. Weltkrieg ein. Die rechtliche Grundlage zum Lavaabbau bildet das Bundesberggesetz (BBergG). Hinsichtlich des Gesteinsabbaues konkretisiert die sog. „Rohstoffsicherungs-klausel“ die Aufgabe des Gesetzes. Danach ist „dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden“ (BBergG §

Nerother-Kopf: Auch mehr als 30 Jahre nach seiner Ausweisung als NSG hat der Lavaabbau im NSG immer noch kein Ende gefunden

48, Abs. 1, Satz 2). Nichts beschreibt die sich daraus ableitende Position dieses Gesetzes gegenüber konkurrierenden Gesetzen besser als das in Behördenbüros kursierende geflügelte Wort: „Bundesrecht bricht Landesrecht, Bergrecht bricht Bundesrecht“. Dennoch sieht der erste Rohstoffbericht der Landsregie-1 rung von Rheinland-Pfalz

hinsichtlich des Gesteinsabbaues sogar noch „die Erfordernis, die Rahmenbedingungen zu verbessern“ (ebd. S. 25). Dazu zählt die Abkehr von der bisherigen Praxis, Abbauflächen entsprechend dem Bedarf bestehender Abbaubetriebe auszuweisen. Der Rohstoffbericht legt vielmehr dar: „Während die Rohstoffsicherung in der Vergangenheit überwiegend auf eine einzelbetriebliche Existenzsicherung ausgerichtet war, müssen die Regionalpläne darüber hinaus zukünftig vermehrt

auch Flächen sichern, die nicht bestimmten Unternehmen zugeordnet sind“ (ebd. S. 13). Im Klartext: Mehr Wettbewerb um die Vulkanberge! Welche Flächen für die Rohstoffnutzung in Anspruch genommen werden dürfen, ist in den Regionalen Raumordnungsplänen (ROP) festgelegt. Erstellt werden diese von der Planungsgemeinschaft der jeweiligen Region. Der ROP für die Region Trier wird derzeit überarbeitet und neu aufgestellt. Dabei werden auch die Flächen, auf denen Gesteinsabbau betrieben werden kann, neu ausgewiesen. Der Maßstab, der dabei anzulegen ist, wird im Rohstoffbericht wie folgt beschrieben: „Maßstab im planerischen Abwägungsverfahren ist deshalb die von der Fachbehörde vorgenommene Einschätzung einer gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen Eignung und Gewinnbarkeit

der Rohstoffe“ (ebd. S. 29). Im Klartext: Rohstoffsicherung first!

Damit es möglich wird, den im Rahmen kommunaler Selbstbestimmung bestehenden Abwägungsspielraum der Kommunen erst gar nicht zur Geltung kommen zu lassen, ist zudem „eine möglichst weitgehende Sicherung der bedeutenden Rohstoffflächen in den Regionalen Raumordnungsplänen als Vorranggebiete – und damit einer späteren Abwägung weitgehend entzogen – anzustreben“ (ebd. S. 13). Zur Erläuterung: Unter Vorrangflächen für die Rohstoffgewinnung sind die Flächen zu verstehen, die definitiv für den Gesteinsabbau in Anspruch genommen werden können, ohne dass es später vor Ort noch zu einer weiteren Abwägung kommt. Diese Flächen werden von den Gremien der Planungsgemeinschaft „eigenverantwort-lich“, wie es im Rohstoffbericht heißt, festgelegt.

Artenschutz

Führt der Gesteinsabbau beim Landschaftsbild zu drastischen Veränderungen, bietet er für den Artenschutz hingegen eine einzigartige Chance. Quasi als Nebenprodukt der Abbautätigkeit erzeugt die gesteinsabbauende Industrie hervorragende neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Ohne die Vielzahl der hiesigen Lavagruben und Steinbrüche hätte der Landkreis Vulkaneifel nicht zu einer Region mit einer der dichtesten Uhupopulation deutschlandweit werden kön-

nen. Als Felsbrüter findet der Uhu in Brüchen und Gruben ideale Ersatzfelsen und damit Brutmöglichkeiten vor, die es für ihn früher in der Eifel-landschaft nicht in diesem Ausmaß gab.

Viele Amphibienarten, wie Geburtshelfer- oder Kreuzkröten, stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Geburtshelferkröten sind in unserer Landschaft selten geworden, finden aber ideale Lebensbedingungen in Abbaugebieten, da diese häufig

Wasserflächen aufweisen. Kreuzkröten finden in der allgemeinen Feld- und Waldflur überhaupt keine zusagenden Lebensbedingungen mehr. Sie benötigen flache, vegetationsfreie Gewässer. Im Landkreis Vulkaneifel kommen Kreuzkröten daher nur noch in den Abbauflächen vor. In den in Abbauflächen immer wieder neu entstehenden

Rohböden finden solitär lebende Bienen- und Wespenarten geeignete Substrate, um ihre Brutkammern anzulegen. Dort, wo sich der Rohboden allmählich zu begrünen beginnt, bieten Blütenpflanzen einer zunehmend größer werdenden Insektenzahl gute Lebensbedingungen. In den begrünten Bereichen errichten Ameisen ihre Bauten. In ihnen schmarotzen die Larven der Bläulinge an der Ameisenbrut, bevor sie sich zum fertigen Schmetterling

entwickeln. Für Blindschleichen und Eidechsen sind die von der Sonne aufgeheizten Wärmeinseln wahre Paradiese. Solche, für sie günstige Standorte finden Insekten und Reptilien kaum noch außerhalb der Abbauflächen. Unbeeinträchtigt von den ansonsten in der Landschaft allgegenwärtigen Düngemitteln und Pestiziden und unbeein-

Mauerpfeffer und Natternkopf besiedeln sehr schnell die rohen Lavaböden

flusst von menschlichem Eingreifen erreichen im Laufe der Zeit stillgelegte Abbauflächen oftmals die Qualität von Naturschutzgebieten. Wegen des häufigen Vorkommens gerade bedrohter Arten wurden bereits manche Erdaufschlüsse als NSG ausgewiesen. Selbst dort, wo diese Qualität nicht erreicht wird, ist die Artenvielfalt in den Abbauflächen oftmals höher als an gleicher Stelle vor dem Abbau. Abbauflächen haben somit größte Bedeutung für die Sicherung der Artenvielfalt.

Rekultivierung

Lange Zeit hindurch wurde den Abbauunternehmen zur Auflage gemacht, die Abbauflächen zu rekultivieren, d.h. es wurden Fremdmassen eingebracht, mit ihnen Böschungen und Halden überkippt, um diese anschließend einzusäen bzw. zu bepflanzen. Den Abbaufirmen eröffnete dies die Möglichkeit, ein zweites Mal am Abbau zu verdienen. Zuerst durch den Verkauf des beim Abbau gewonnen Materials. Anschließend ließ man sich das Einbringen anderswo zu beseitigender Fremdmassen erneut bezahlen. Damit wurde jedoch ein weiteres Mal in die Natur eingegriffen: Der Veränderung des Landschaftsbildes folgte die Zerstörung der zwischenzeitlich entstandenen Sekundärbiotope. Auch der Basaltbruch Asseberg wurde nach einem Beschluss des Stadtrates Daun von 1984 teilweise auf diese Weise rekultiviert. Aber schon bald zeigte sich, dass dies zu-

gleich zur illegalen Abfallentsorgung genutzt wurde. Im Jahre 1986 wurden Schlämme am Asseberg abgelagert, bei denen der Verdacht auf Blei bestand. Drei Jahre später mussten 11 Schafe getötet werden, die derart tief in ein am Asseberg abgelagertes Bindemittel hineingeraten waren, dass sie nicht mehr aus der zähflüssigen Masse befreit werden konnten. Das bisher gravierendste Beispiel illegaler Müllentsorgung in Gruben des Landkreises Vulkaneifel stellt sicherlich das Einbringen von 8.300 t mit Mutterboden vermischtem Sondermüll in die Lavagrube Eselsberg bei Dockweiler im Jahre 2006 dar. Die millionenteure Sanierung des verunreinigten Grubengeländes dauert noch an. Und selbst in diesem Jahr sorgten Rekultivierungsmaßnahmen für Schlagzeilen, als das Landesamt für Geologie und Bergbau in Lavagruben bei Oberstadtfeld und Rockeskyll Bauschuttablagerungen entdeckte, für die es laut Amt keine Genehmigungen gab.

Die Konsequenz aus all dem kann nur sein, sowohl zur Unterbindung von illegaler Abfallentsorgung als auch zum Erhalt der in Brüchen und Gruben entstandenen Sekundärbiotope auf jegliches Einbringen von Fremdmaterialien zu verzichten. An Stelle der Rekultivierung sollte grundsätzlich eine Renaturierung treten. Bei dieser werden mit Einstellung des Abbaues die Betriebseinrichtungen entfernt und das

Gelände zum Vorteil der Natur anschließend sich selbst überlassen.

Es sei nicht verschwiegen, dass die Forderung nach Rekultivierung der Abbauflächen auch gelegentlich von Landschaftsschützern erhoben wird, stellen in ihren Augen doch Abbauflächen „Wunden in der Landschaft“ dar. Aber auch hier gilt: Durch eine Rekultivierung wird das Landschaftsbild nicht wiederhergestellt. Es erfolgt nur ein weiterer negativer Eingriff, indem die entstandenen Sekundärlebensräume und deren Artenvielfalt vernichtet werden!

Die Zukunft?

Es ist möglich, den Lavaabbau auf Bereiche zu beschränken, in denen die Auswirkungen auf das Landschaftsbild nicht derart gravierend sind wie bisher, ohne dass es zu Engpässen bei der Versorgung mit Lava kommen müsste. Anderenorts werden zudem Straßen gebaut, gänzlich ohne auf Lava zurückgreifen zu können. Auch sind die Zeiten vorbei, in denen man meinte, den Abbau mit tatsächlichen oder vermeintlichen Notlagen begründen zu können, so wie es z.B. beim früher zum Kreis Prüm gehörenden Steffelnkopf geschah. Sein Abbau

wurde im Landschaftsplan

2 Vulkaneifel von 1968 wie

folgt begründet: „Er würde im Hinblick auf den wirtschaftlichen Notstand des Kreises Prüm wesentlich zur Belebung seiner Wirtschaft in seinem östlichen Abschnitt beitragen“ (ebd. S. 33).

Die Bedeutung des lange Zeit sehr personalintensiven Gesteinsabbaues für den Arbeitsmarkt ist erheblich zurückgegangen. Inzwischen bedarf es immer weniger Menschen, um mit immer größeren Maschinen in immer kürzerer Zeit ganze Berge verschwinden zu lassen. Und sowohl hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen als auch im Hinblick auf die Gesamtwertschöpfung hat die Tourismusbranche den Gesteinsabbau längst um ein Vielfaches übertroffen.

Es wird jedoch nicht alleine von Abbauunternehmern und den Erstellern der Regionalpläne abhängen, wie das Aussehen der Vulkaneifel

sich entwickelt. So lange Rohstoffvorkommen in erster Linie als willkommene Gelegenheit angesehen werden, Gemeindekassen aufzufüllen, geht dieser Vorteil für einzelne Gemeinden eindeutig zu Lasten einer ganzen Region, die zu einem erheblichen Teil vom immer noch einmaligen Landschaftsbild und dessen nachhaltiger Inwertsetzung lebt.

Die im Zuge einer verantwortbaren und das Landschaftsbild schonenden Rohstoffgewinnung entstandenen Abbauflächen sollten zudem nicht länger als Wunden in der Landschaft angesehen werden, die möglichst schnell kaschiert werden müssen. Sie

müssen vielmehr als Möglichkeit erkannt werden, die Artenvielfalt zu sichern. Eine so gestaltete Vulkaneifel, bei der die Verantwortlichen behutsam und verantwortungsvoll mit der einmaligen Landschaft umgehen, wird nicht nur von ihren Bewohnern als lebenswert empfunden werden können, sondern in gleichem Maße von ihren Besuchern.

Literatur:

1 Oberflächennahe mineralische Rohstoffe in Rheinland-Pfalz, Landesamt für Geologie und Bergbau RLP, Mainz 2007

2 Beiträge zur Landespflege in Rheinland-Pfalz – Gutachten über den Natur- und Landschaftsschutz in der Vulkaneifel, Kaiserslautern 1968