Geschichte und Geschichten

Der heilige Donatus mit dem Hakenkreuz

Alois Mayer, Daun

"Unglaubliche Vorgänge in Demerath. Pfarrer und verhetzte Nachläufer im Gegensatz zum nationalsozialistischen Staat". So lautet eine fett gedruckte Überschrift in der Ausgabe des Trierer Nationalblattes vom 10. September 1935. Es berichtete als einzige Zeitung, wenn auch erst drei Monate später, über einen Vorfall, der noch heute im Gedächtnis älterer Bürger von Demerath ist.

Was war geschehen? Im Juni des Jahres 1935 war es in Demerath zu einigen, aus der Sicht der Nationalsozialisten, schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen, die dazu führten, dass am 24. Juni der dortige Pfarrer Matthias Strauss wegen des "Vergehens gegen das Heimtückegesetz" und einige Dorfbewohner wegen "Landfriedensbruch" verhaftet wurden. (Matthias Strauss, * 5.9.1893; 1922: Priesterweihe in Trier; seit 31.3.1931 Pfarrer in Demerath).

In einem Schreiben vom 25. Juni 1935 stellte die Gestapo Trier zu den Vorfällen in Demerath fest, dass man gegen die o. g. Personen auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Amtsbürgermeisters von Gillenfeld vorgegangen ist. Als Grund für die vorgenommenen Verhaftungen gab die Gestapo an: "Pfarrer Strauss hatte am 15. Juni 1933 den Kirchenmaler Hans Zunder damit beauftragt, Ausbesserungen in der Kirche von Demerath vorzunehmen. In der Kirche selbst befindet sich u. a. eine Statue des hl. Donatus, des Schutzpatrons gegen die Blitzgefahr. Der Heilige trägt in der rechten Hand ein Wappenschild. Auf diesem war die Demerather Kirche gemalt und am oberen Rand ursprünglich Wolken. In den Wolken ein Kreis, aus dem drei Blitze auf die Kirche niederzucken.

Entsprechend der ausdrücklichen Anordnung des Pfarrers, hat Zunder in diesen Kreis ein Hakenkreuz gemalt. Offensichtlich wurde hiermit beabsichtigt, jedem Betrachter der Statue vor Augen zu führen, dass das Hakenkreuz der katholischen Kirche die Vernichtung bringt. Dem Angeklagten Zunder sollen später Bedenken gekommen sein." Hans Zunder, am 5.4.1912 in Rheine geboren, wohnte damals in Demerath. Er bewunderte die alten, noch mit Stroh gedeckten Häuser des entlegenen Eifeldorfes und malte sie und die Umgebung. Eines Tages sprach er den Pastor an, er wolle die Heiligenfiguren in der kleinen Kirche polychromieren, falls der Pfarrer die Farbe zur Verfügung stellte. Dieser war begeistert und bat die Pfarrangehörigen während einer Predigt, den Künstler als Entgelt mit Lebensmitteln zu versorgen. Der alte Herr machte sich gleich ans Werk. Der Schutzheilige der Kirche war eine kleine Figur, die den heiligen Donatus darstellte. Dieser römische Legionär trug eine Lanze und Rundschild. Auf diesen malte er die Kirche von Demerath, dazu einen Blitzstrahl, der aus den Wolken kam und an der Kirche vorbei in den Boden ging. Herr Zunder bat Pastor Strauss um Erlaubnis, das Bild mit den Anfangsbuchstaben (HZ) seines Namens signieren zu dürfen. Er verschachtelte diese beiden Buchstaben so geschickt, dass sie wie ein Hakenkreuz aussahen. Er wollte damit versteckt ausdrücken, dass der Hakenkreuzblitz die Kirche zerstören wollte, diese aber von Donatus beschützt wurde.

Das rief heftigen Protest mehrerer Demerather Nazis und den von Karl Münch hervor. Der Ortsgruppenleiter meldete die Tat nach Trier. Daraufhin erschienen zwei Gestapobeamte mit dem Auto, um den Künstler zu verhaften. Während der Verhandlung im Pfarrhaus durchschnitten Jugendliche, teils in Hitlerjungenuniform, die Reifen des Wagens. Der Pfarrer verurteilte die Tat und warnte die Jugendlichen vor den Gefahren, die auf sie und ihre Familien zukommen könnten. Auch sollten sie sich keine Sorgen machen, der Maler werde in ein bis zwei Tagen wieder zurück sein. Die Reifen wurden geflickt und der Künstler abtransportiert. Der Pastor erkrankte nach den Aufregungen akut an einer schweren Darmblutung. Er war 1914/18 Soldat in der Türkei, dort an einer Tropenruhr erkrankt, woraus eine Darmschwäche und ein schlechter Allgemeinzustand resultierten.

Am 19. Juni 1935 - am Tag vor Fronleichnam - erschienen erneut Gestapobeamte aus Trier, um den Pastor zu verhaften. Herr Zunder hatte beim Verhör angegeben, er habe die Anfangsbuchstaben seines Namens im Einverständnis mit dem Pastor Strauss angebracht. Dieser habe ihn zu diesem "Hakenkreuz" aufgefordert, denn "er wolle dem Karl Münch einen auswischen und es solle zum Ausdruck gebracht werden, dass der Nationalsozialismus die katholische Kirche bekämpfe und zu vernichten trachte". Pfarrer Strauss war jedoch krank. Der Dauner Arzt Leo Masson wurde nach Demerath zitiert. Er bestätigte, dass er nicht transport- und haftfähig sei. Man glaubte dem Doktor nicht recht, weswegen sogar der Kreismedizinalrat aus Daun nach Demerath kommen musste. Auch dieser bestätigte: Pastor Strauss ist nicht transport- und haftfähig.

Was geschah am Fronleichnamstag?

Wegen der Verhaftung des Malers Hans Zunder - er war beliebt im Dorf - und der rigiden Vorgehensweise der Gestapo im Pfarrhaus, kam es einen Tag später an Fronleichnam zu Handgreiflichkeiten und einer kleinen Dorfrevolte. In der Wohnung des Peter Burghard versammelten sich fünfzehn bis zwanzig Dorfbewohner. Einer von ihnen, Matthias Sänger, bemerkte am Schluss der Versammlung, dass es endlich einmal an der Zeit sei, sich den Ortsgruppenleiter Karl Münch von Demerath vorzunehmen. Er erhielt Zustimmung, das wolle man nach dem feierlichen Gottesdienst mit anschließender Fronleichnamsprozession ausführen.

Doch es entwickelte sich anders. Der ganze Ort war für die Fronleichnamsprozession festlich geschmückt. Diese fand aber wegen der Erkrankung des Pastors nicht statt. Er wurde auf einem Sessel in die Kirche getragen, wo er die Gemeinde nur segnen konnte. Auch der Ortsgruppenleiter war in Uniform in der Kirche. Draußen kam es dann zu einem lautstarken Streit mit seinem Schwager, dem Schmiedemeister des Ortes. Der Ortsgruppenleiter fühlte sich bedroht und schlug seinen Schwager ins Gesicht, worauf dieser ihn in eine dornige Schlehenhecke stieß. Die Dorfjugend traktierte ihn zusätzlich mit Tritten. Zerschunden und mit zerrissener Uniform lief er zum Telefon und unterrichtete in der Kreisverwaltung Daun den Landrat. Dieser alarmierte die SA des Südkreises. Mit Lastwagen fuhr man nach Demerath, umzingelte das Dorf und schaffte alle erwachsenen, männlichen Einwohner ins Gefängnis nach Daun.

In den Prozessakten liest sich das so:

"Pfarrer Strauss ließ sich, angeblich krank, von zwei Dorfbewohnern in die Kirche tragen. Er las statt eines festlichen Hochamtes eine stille heilige Messe. Von seiner Haushälterin ließ er dann die Litanei vom bitteren Leiden vorlesen. Die Kirche trug im Gegensatz zu diesem Festtag keinerlei Schmuck, wohl hing an auffallender Stelle ein Kreuz. Als dann gegen Ende der Messe die Haushälterin den Gesang zum sakramentalen Segen anstimmte, erstrahlte plötzlich in hellster elektrischer Beleuchtung das Bild einer schmerzhaften Mutter Gottes. Die an diesem Vormittag sonst übliche Fronleichnamsprozession ließ der Pfarrer ausfallen!"

Zeuge Josef Fleschen gibt zu Protokoll:

"Wir versammelten uns auf dem freien Platz vor der Kirche. Anwesend waren auch der Ortsgruppenleiter Münch, der stellvertretende Stützpunktleiter Johann Stolz-Haubrich und der SA-Mann Karl Hahn. Plötzlich geriet Peter Burghard in Erregung und ging mit geballten Fäusten auf den Ortsgruppenleiter Münch los und schrie ihn an: Jetzt kannst Du dem Volk den Segen geben!' Etliche von uns drangen ebenfalls auf Münch ein und Matthias Sänger rief: ,Du kannst jetzt noch einen verhaften lassen!' Münch wurde hin und her gestoßen. Er versuchte zu flüchten, aber Matthias Sänger, Ambrosius Fleschen und ich ergriffen ihn, warfen ihn über eine Hecke und verprügelten ihn ordentlich".

In den Prozessakten heißt es ferner, dass auch der stellvertretende Stützpunktleiter Stolz-Haubrich von der Menge bedroht wurde und von dem Dorfbewohner Jakob Kiefer als Staatsbetrüger und Kommunist bezeichnet wurde. Der anwesende SA-Mann Hahn wurde ebenfalls verprügelt.

Am 24. Juni 1935 erschien die Trierer Gestapo erneut in Demerath, drang im Pfarrhaus zu Pfarrer Strauss vor. Aber diesmal hatte sie einen eigenen Medizinalrat aus Trier mitgebracht. Der untersuchte Pfarrer Strauss auf Haftfähigkeit. Sogar die noch jüngere Haushälterin musste sich untersuchen lassen. Man hatte nämlich Blutspuren in der Toilette gefunden und vermutete Menstruationsblut! Der Trierer Arzt schrieb den ernstlich erkrankten Pastor transport- und haftfähig. Strauss wurde verhaftet und sofort abtransportiert nach Trier. Dort saßen er und die übrigen Verhafteten aus Demerath lange Zeit im Gefängnis. Bauern aus dem Dorf und aus nahe gelegenen Ortschaften versorgten währenddessen deren Vieh und brachten die Ernte ein.

Ein Jahr wegen Heimtücke

Bis zur Gerichtsverhandlung soll die Gestapo mehrfach wöchentlich in Demerath gewesen sein und viele Bewohner in der dortigen Schule verhört haben, ein Zeichen, dass die Nationalsozialisten diesen Zwischenfall sehr ernst genommen hatten!

Am 9.8.1935 wurde Pfarrer Strauss von der Regierung ein Unterrichtsverbot erteilt, "weil er Gemeinderatsmitglieder als Gesinnungslumpen bezeichnet hatte". Die Gerichtsverhandlung des Kölner Sondergerichts fand in Trier am 9. September 1935 statt. Es erging ein rechtskräftiges Urteil, nach dem Pfarrer Strauss "wegen des Vergehens gegen das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Volk und Staat" zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Der Angeklagte Hans Zunder erhielt fünf Monate und die verhafteten Dorfbewohner (Peter Burghard; Lambert Burghard; Ambrosius Fleschen; Josef Fleschen; Johann Honadel; Matthias Sänger; Karl Stolz) drei Monate Gefängnis. Da die Untersuchungshaft bei sämtlichen Angeklagten auf das Strafmaß angerechnet wurde, durften die verurteilten Dorfbewohner nach Hause zurückkehren. In der Urteilsbegründung steht unter anderem: "Es ist bedauerlicherweise eine weitverbreitete Lüge, der Nationalsozialismus sei der katholischen Kirche feindlich gesinnt. Er macht hier eine genaue Unterscheidung. Er denkt gar nicht daran, jemandem seinen Glauben aus dem Herzen zu reißen, im Gegenteil, er schützt die Kirche. Dann hat aber auch der Priester die heilige Pflicht, Obrigkeit und Staat zu ehren und nicht, wie es der Angeklagte Strauss getan habe, zu verleumden. Wir aber können verlangen, dass Personen, wenn sie sich schon nicht zum Nationalsozialismus bekennen wollen, wenigstens den Mund halten. Strauss hat sein Ansehen als katholischer Geistlicher in schmählicher Weise missbraucht. Er hat durch das Anbringenlassen des Hakenkreuzes an der Statue, aus dem Blitze auf die Kirche niederzucken, den Staat verächtlich zu machen versucht und heute, nachdem er von Anfang bis zum Ende gelogen, unter dem Druck der Tatsachen eine Erklärung abgegeben, die als ziemlich fadenscheinig anzusehen ist. Hätte er korrekt gehandelt, die Liebe und die Anhänglichkeit seiner Pfarrkinder nicht missbraucht, ständen heute nicht so viele Angeklagte vor dem Sondergericht, deren Tun nur auf das unbegreifliche Verhalten ihres Seelenhirten zurückzuführen ist".

Man muss sich natürlich fragen, wie es überhaupt zu einem solchen Zwischenfall kommen konnte, dessen Ausgang für die Betroffenen glimpflicher verlief, als man dies von den Nationalsozialisten eigentlich erwartet hätte. Eine der Ursachen liegt darin, dass das Verhältnis der Dorfbewohner zu ihrem Pfarrer gerade im ländlichen Raum traditionell sehr gut war, zumal in diesem Fall Pfarrer Strauss sich vor 1933 im dörflichen Vereinsleben, u. a. durch die Gründung einer Musikkapelle, sehr engagiert hatte. Darüber hinaus wurde auch in dem Gespräch mit Zeitzeugen deutlich, dass die dörfliche Atmosphäre in Demerath schon vor diesem Zwischenfall vergiftet gewesen ist. Schon vor 1935 war es mehrmals zu Auseinandersetzungen zwischen den örtlichen politischen Leitern der NSDAP und der Dorfbevölkerung gekommen. Aber auch das Verhalten von Pfarrer Strauss zur Be-völkerungen trug zu Auseinandersetzungen bei. Es ist nachweisbar, dass er nicht nur sehr streng war, sondern auch seine Worte - selbst von der Kanzel aus - nicht immer kontrollierte und dadurch mehrmals große Probleme bei der Dorfbevölkerung, beim Lehrer und anderen Persönlichkeiten hervorrief.

Neben der von Pfarrer Strauss gegründeten Musikkapelle existierte in Demerath auch eine SA-Kapelle (Josef Fleschen). Zwischen beiden Vereinen gab es offensichtlich erhebliche Spannungen. Am 23. Februar 1933 veranstalteten beide Kapellen, mit Unterstützung der SA-Kapellen aus Steineberg und Steiningen, einen Umzug durch Demerath. Vor diesem Umzug war abgesprochen worden, dass man Pfarrer Strauss ein Ständchen bringen wollte. Entgegen der Absprache hatten sich die SA-Kapellen nicht daran beteiligt. Daraufhin hatte die Musikkapelle den Umzug unterbrochen, um dem Pfarrer ein Ständchen zu bringen. Deshalb wurde sie von den SA-Kapellen attackiert. Am 24.6.1936 wurde Strauss aus der

Haft entlassen. In Demerath konnte er sich nicht mehr halten. Die Querelen waren zu groß und der Dorffriede zerrüttet. So verzichtete er am 1.10.1936 auf seine Stelle und verzog von Demerath. Er ging nach Linz/Rhein, trat 1953 seinen Ruhestand in seinem Geburtsort Püttlingen an, wo er am 14.12.1972 mit 79 Jahren verstarb und dort beerdigt wurde.

Quellen:

Josef Dresen "Der Kreis Daun im Dritten Reich" Bistumsarchiv Trier