"Heil Dir, o mein Gerolstein!"

Feier "600 Jahre Stadtrechte" vor 75 Jahren -im Zeichen der Nationalsozialisten

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

Die alte Stadt Gerolstein feierte vom 21. bis zum 25. Mai 1936 die 600. Wiederkehr der Verleihung der Stadtrechte. Gut drei Jahre nach der so genannten "Machtergreifung" und Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (30.1.1933) wurde auch in Gerolstein deutlich, dass die Nationalsozialisten, organisiert vor allem in der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), weite Teile des öffentlichen Lebens bestimmten. Mit Vorliebe nutzten sie Feiertage und Feiern, wie z. B. auch die "600 Jahre Stadtrechte" in Gerolstein, um sich mittels Gemeinschaftsaktionen und symbolträchtiger Ereignisse eindrucksvoll vorzustellen, die Bevölkerung ideologisch auf ihre Ziele einzustimmen und emotional stärker an das Hitler-Regime zu binden. So trugen auch "die Jubelfeiern" vom 21. bis 25. Mai 1936 in Gerolstein eindeutig die Handschrift der Nationalsozialisten.

Bemerkenswerterweise wird in keiner Chronik Gerolsteins über dieses, für die Gemeinde so bedeutende Fest berichtet; was im Übrigen, die Kriegsereignisse ausgenommen, auch auf die vielfach verdrängte, vergessene und nicht aufgearbeitete Zeit von 1933 - 1945 zutrifft. Die Feierlichkeiten zur 600. Wiederkehr der Verleihung der Stadtrechte - die in preu-Bischer Zeit verloren gegangen waren - wurden am Donnerstag, 21. Mai 1936, am Fest Christi Himmelfahrt mit einer symbolträchtigen Aktion eingeleitet: In der Lindenanlage pflanzte man eine junge "Adolf-Hitler-Linde" an der Stelle, wo einst die berühmte und 1925 zusammengebrochene uralte "Gerichtslinde" stand. 1945, kurz nach Kriegsende, sägten Unbekannte diese neue Linde ab, heimlich und ebenso symbolhaft.

Am Samstag, 23. Mai, wurden ab 17.00 Uhr die auswärtigen Gäste empfangen, die Wehrmachtskapelle des I. Bat.-Inf.-Regiments 38 (Trier) gab Konzerte, u. a. auf der Löwenburg. 20.30 Uhr fand im Hotel Dolomit ein Begrü-Bungsabend statt und anschlieBend war ein Feuerwerk zu bewundern. Mit Böllerschüssen und Fanfarenklängen von der Löwenburg herab begann der Hauptfesttag, Sonntag, der 24. Mai. Nach den Festgottesdiensten in der katholischen Pfarrkirche und in der evangelischen Erlöserkirche und einem Konzert der Wehrmachtskapelle um

Pflanzen der "Adolf-Hilter-Linde" am 21.05.1936 (Archiv: Dieter Schneider)

Bürgermeister Laroche bei der Einweihung des Kriegerdenkmals

Einweihung des Kriegerdenkmals am 24.05.1936

10.00 Uhr am Rondell versammelten sich Gäste und Einwohnerschaft im Saale des Hotels zur Linde zu einer Feierstunde. Beteiligt war u. a. der Männergesang-Verein, der den Festchor "Heil Dir, o mein Gerolstein", komponiert von einem Gerolsteiner, vortrug. Bürgermeister Laroche - 1939 tödlich verunglückt - sprach die Begrüßungsworte und gedachte dann des Führers und Reichskanzlers, des Ehrenbürgers der Gemeinde Gerolstein, Adolf Hitler, dem ein Treuegelöbnis-Telegramm zugeleitet wurde. Wie die Trierische Landeszeitung am 25. Mai 1936 berichtete "... schloß (der Redner) mit dem Hinweis, dass Gerolsteins Einwohnerschaft hart und zäh wie die Felsen sei, die die Landschaft kennzeichneten. Und so wie Gerolsteins Bevölkerung sich in den vergangenen Jahrhunderten eingesetzt habe für die Erhaltung des Deutsch- und Volkstums, werde sie auch jetzt und in der Zukunft ihre Pflicht erfüllen." Ein Vertreter des Deutschen Gemeindetages ehrte die Gemeinde Gerolstein durch die Überreichung der Freiherr-von-Stein-Plakette. Landrat Dr. Wirtz (Daun) "sprach", so die Trierische Landeszeitung, "im Namen aller Gäste die Dankesworte und gab einen geschichtlichen Überblick über das Werden der Gemeinde, deren erste Ursprünge bis 5 000 (?!) Jahre vor Christi Geburt zurückreichen." Er sprach sich für eine Wiederverleihung der "im Jahr 1794 verloren gegangenen Stadtrechte aus." Zum Schluss verlas Dr. Wirtz das Antworttelegramm des Führers, das folgenden Wortlaut hatte: "Der anlässlich der 600-Jahr-Feier versammelten Bürgerschaft von Gerolstein danke ich für die mir telegraphisch übermittelten Grüße und erwidere sie mit festen Wünschen für ein weiteres Gedeihen Ihrer alten Gemeinde. Adolf Hitler." Weiter wird berichtet: "Mit einem dreifachen Sieg-Heil auf den Führer und das Reich . schloß die denkwürdige Feierstunde, die allen Teilnehmern unvergessen bleiben wird." Der Umzug durch die Gemeinde am Nachmittag zählte ebenso zu den Höhepunkten des Festes. Im Pressebericht fanden besondere Erwähnung: Ein Zug der Wehrmacht, sämtliche Gliederungen der NSDAP, der Gerolsteiner Arbeitsdienst aus dem "Fritz-von-Wille-Lager" und die Landjahr-Jugend aus dem Lager Mürlenbach. Der Festzug endete auf dem Hin-denburgplatz (heute Brunnenplatz), wo die Weihe des neuen Kriegerehrenmals für die aus Gerolstein stammenden Gefallenen des Ersten Weltkrieges stattfand. Der Vorsitzende des Denkmalausschusses, Ortsgruppenleiter J. Endris, übergab das Denkmal zur Obhut in die Gemeinde an Bürgermeister Laroche. Es ist bemerkenswert und heute nicht mehr nachvollziehbar, dass das Kriegerdenkmal nicht kurz nach dem Ersten Weltkrieg, sondern erst knapp zwei Jahrzehnte später errichtet wurde. Jedenfalls entsprachen der Bau und die Weihe des Ehrenmals exakt der Ideologie der Nationalsozialisten. Dies wurde deutlich in der "Weiherede" des Kreisleiters der NSDAP, W. Kölle, die als Höhepunkt der Feier bezeichnet wurde. Der Redner feierte das Heldentum der deutschen Soldaten und wies auf die vom Führer vorgegebenen Wege zum Wiederaufstieg des Vaterlandes hin. Dann: Musik der Wehrmachtskapelle, Männergesangverein, Kranzniederlegungen, Nationalhymne, Fahnenausmarsch. Die oben bereits zitierte Tageszeitung berichtete am 25. Mai 1936 weiter: "Der Sonntagabend stand im Zeichen des Volksfestes, bei dem alt und jung nicht zu kurz kamen. Der Montag steht im Zeichen des Tages der Gerolsteiner Jugend Gerolstein musste bis 1953 auf die Wiederverleihung der Stadtrechte warten, deren 50. Jahrestag im Jahr 2003 gefeiert wurde. 1986 beging die Stadt das große Jubiläumsjahr "650 Jahre Stadtrechte" mit zahlreichen Veranstaltungen.