Starköchinnen ohne Sterne

Marianne Schönberg, Feusdorf

Gepflegte Speisen sind "in". Den Köchen verleiht man Auszeichnungen, den Gourmettempeln Sterne! Welch eine Auswahl, eine Fülle exklusiver Speisen ! Das Beste ist gerade gut genug für verwöhnte Gaumen! Als Pizza bei uns noch ein Fremdwort war, gab's Köche -vornehmlich Frauen die vollbrachten Tag für Tag ein kleines Wunder; sie füllten die Teller der Familie mit Speisen. Nahrhaft sollten die sein, sättigend. Wenn dann noch wohlschmeckend - das hätte doch mindestens einen Stern verdient. Nichts dergleichen, kaum ein Dankeschön, das gehört zu Mutters Aufgaben im Haus. Woher nahm sie die Zutaten? Kartoffeln und Rüben, rote und gelbe, an so was kam der Mensch ran und beinahe jeder auf dem Lande hatte ein kleines Gärtchen. Da wuchsen Salat, Erbsen, Bohnen, Grünzeug, Radieschen, Möhren, Sellerie - In der Stadt gab's schon mal einen Balkon, da konnte man statt Blumen Kräuter züchten oder Tomaten. Mein Vater versuchte es mit Tabak. Die Ernte war klein, fein. Doch liebevoll Gepflegtes hatte seinen besonderen Wert und so wurde es auch angenommen. Was hat man aus dem bescheidenen Angebot alles zubereitet und in gefälliger Form serviert. Da gab's zum Abend zwei gebackene Brotscheiben, in der Mitte eine Scheibe Käse; auf ein Salatblatt dekoriert, sah das richtig gut aus - ein Stern für die Köchin. Mittags - Kartoffeln, Salat und Spiegelei. "Kind, Du magst kein Ei? Da freut sich der Vater, der bekommt dann heute zwei." Sylvester. Kartoffelsalat war angesagt, doch der sollte dekoriert werden. Zwölf Stunden, also zwölf Dekos. Dazu brauchte man drei hartgekochte Eier, jeweils in Viertel geteilt; schon sah die runde Schüssel gut aus. In die Mitte Zeiger aus Schnittlauch

- ein Stern für die Köchin. Weshalb immer Salzkartoffeln oder Gepellte? Geringelte, das war's. Fein geschält, geringelt, dazu Hering oder Quark, vielleicht gebratene Blutwurst und Zwiebeln in Milchsoße? So was Feines - ein Stern für die Köchin. Wenn's zum Frühjahr ging, die Kartoffeln rar wurden, hatten Mehlspeisen Saison. Nudeln - oft noch selbstgemacht -waren beliebt. Mit Apfelmus wurden sie zum Star der grauen Wochen und wenn's ein wenig Fleisch für Gulasch gab, war's ein Festessen. Wo blieb der Stern für die Köchin, die sich um hausgemachte Nudeln oder Klöße stundenlang mühte? Was ich mir wünschte? Sterneköche sollten im Fernsehen mit einfachen Zutaten und ohne technische Hilfen das auf den Teller zaubern, was unsre Eltern und Großeltern kochten, alltags und zu Festen

- schafften sie's? Ein ganz neuer Stern müsste kreiert werden.

Wer ihn wohl bekäme?