FRITTENFETT

Kurz-Krimi

Rolf-Dieter Arndt †

Der Schuss im Salmwald ist präzise. Der Rehbock schaut noch einige Sekunden in Richtung Mündungsfeuer, dann bricht er zusammen. Jan Vanmeer entspannt die Munitionskammer der Doppelläufigen und bläst den Pulverschmauch aus dem Rohr. "Een goede schot" murmelt er in seiner niederländischen Sprache und zündet sich die Pfeife an. Der weiße Rauch mischt sich mit dem ersten Morgenlicht. Rubens, der bisher wie in einer Starre zwischen den dicken Filzstiefeln gelegen hat, erhebt sich blitzartig und schaut in Richtung des gegenüberliegenden Fichtenrandes in das gebrochene Auge des Bocks. Mit einem mächtigen Satz erreicht er den Boden der Tannenschonung ohne die Leitersprossen der Kanzel zu berühren. Die vollen Grautöne des frühen Morgennebels verhüllen den Vorsteherrüden als er in Richtung Fichtensaum entschwindet. Vanmeer nimmt einen Schluck aus der Flasche - ein Gemisch aus Tee und Rum - sein Wiederbelebungsmittel nach einer kalten Eifelnacht. Mit dem Fernglas versucht er die Spur des Hundes zu verfolgen und erwartet das Verbellen als Zeichen des Jagderfolges. Jedoch Totenstille - durch das Unterholz brechend erscheint Rubens am Fuße des Hochsitzes. Im Kegel der Taschenlampe erkennt Vanmeer die Reste eines schwarzen Lederstiefels in seinem Fang. Es ist alles klinisch rein in der Gerichtsmedizin. Edelstahlflächen - gedämpftes Licht aus OP-Lampen. Das weiße Tuch verhüllt nur spärlich die Umrisse eines menschlichen Torsos auf dem wannenartigen Tisch. "Kennen Sie schon die Todesursache Herr Doktor"? kommt die erste Frage kurz und knapp von den beiden Kriminalbeamten die aus Trier und Daun angereist sind. "Trinken Sie erst einmal eine Tasse Kaffee, es ist verdammt kalt für diese Jahreszeit" antwortet der Herr mit Nickelbrille, lichtem Haar und einem viel zu großen, grünen Arztkittel. Der Kaffee und der optische Zustand der Kanne

sind praktisch identisch - mittelbraun. "Wir sind in Eile", erwidert einer der Kommissare der Mordkommission aus der Eifelmetro-pole.- "Er starb durch massive Schlageinwirkung auf den Hinterkopf, - ein oder mehrere Schläge - ich kann es noch nicht sagen. Kaum Blut. Das deutet auf einen stumpfen Gegenstand hin- aber das Schärfste -massive Brandwunden am Oberkörper und an den Händen."

"Brandwunden" - der Tote hatte doch Kleidung an, Pullover - Hemd - Unterhemd als wir ihn fanden"- entgegnet der zweite Kripomann und greift nun in die Unterredung ein. "In der Tat Brandwunden - wir haben das klebrige Zeug an Kleidung und Haut bereits im Labor untersuchen lassen. - Pervers - es ist Frittenfett!"

"Frittenfett" erwidern die beiden Beamten sichtlich überrascht. "Ja, es scheint so, als habe man den Oberkörper nach der Attacke auf den Hinterkopf in Frittenfett getaucht." Habe mit Mc. Donalds telefoniert - das Zeug hat bei Gebrauch eine Temperatur von ca. 180 Grad. - Da geht jede Pelle ab soweit ich das als Humanmediziner beurteilen kann"- ergänzt der Doc süffisant. - "So meine Herren weitere Ergebnisse habe ich zur Zeit nicht, aber die Sache scheint für sie spannend zu werden." Man hat sich im Polizeihauptquartier in Daun eingerichtet. Die Kollegen des Betrugsdezernats sind dafür ins Kellergeschoss umgezogen. Die Fakten liegen auf dem Tisch. "Guten Morgen Kollegen" grüßt Kriminaldirektor Schöne und deutete auf die Tischplatte. "Keine Papiere, Handy, Schlüsselbund, Geldbörse oder Brille; dafür ein Flugschein auf den Namen Mr. Fietkowski - Ziel Bangkok.- Sieht aus als wenn man ihn übersehen hat." Die Aufgaben werden formuliert und an die Runde verteilt. Wer ist der Mann? Wo lebte er? Was hat er beruflich gemacht? Noch am Abend liegen alle Fakten vor. Der

Beamer-Strahl wirft die Ergebnisse an die weiße Bürowand im Eifelpräsidium. Der Jüngste in der Runde, Kommissar in Ausbildung, Dahlstein , präsentiert die Resultate der Ermittler der letzten Stunden.

Harry Fietkowski, 28 Jahre, ledig, LKW-Fahrer, letzter Wohnsitz Fließem, Kreis Bitburg, Polizeilich bisher nur bei einer Kneipenschlägerei auffällig.

Arbeitgeber Tierkörperverwertungsgesellschaft mit Sitz an der Obermosel. "Ein Gammelfleischfahrer"- resümiert der ebenfalls anwesende Staatsanwalt aus dem in Dunkelheit getauchten Teil des Raumes. "Sie haben die beste Nase, Kommissar Gottschalk, nehmen Sie noch unsere junge Kollegin vom Erkennungsdienst mit und befragt den Arbeitgeber" - ordnet Kriminaldirektor Schöne an. Kommissar Gottschalk und seine junge Kollegin entsteigen schnell ihrem Dienstwagen und eilen auf die Tür mit dem Schild - Betriebskontor - zu. Es riecht überall fremdartig und ein wenig nach Aas. Die Kollegin vom Erkennungsdienst nestelt nach einem Taschentuch und presst es auf Mund und Nase "Igittegitt". Das Büro des Betriebsleiters der Sammelstelle für tierische Abfälle liegt direkt neben der Waage - nur eine dünne Fensterscheibe trennt die zwei Duftzonen.

Dichter Rauch nach Havannatabak entströmt der Zigarre des Firmenchefs und füllt den Raum. "Ja es riecht bei uns schon etwas anders als bei Douglas"- resümiert er in Richtung der noch immer maskierten und blassen Kripobeamtin."Was darf ich für Sie tun"- die Stimme norddeutsch eingefärbt, klingt dabei recht gekünstelt. Kommissar Gottschalk zieht seine Dienstmarke und schaut durch die Brille dem Chef fest in das Gesicht. "Wir hätten Fragen zu Ihrem Mitarbeiter Fietk.....""Der Fiete ist offensichtlich verduftet." fällt der Chef ihm sofort ins Wort -"Habe noch eine Rechnung mit ihm offen und vorsorglich das letzte Gehalt einbehalten. Ich habe da klare Prinzipien, wer nicht spurt -RAUS!" Kommissar Gottschalk notiert in seine Kladde. "Sie haben ihn entlassen."- bohrt Gottschalk nach." Habe Unregelmäßigkeiten an der Waage festgestellt -häufig war der Abfall sehr

nass. Sie verstehen, Fitness-Gurus machen Gewicht durch Schwitzen - das Gegenteil ist wenn man Wasser zusetzt. Ich will es abkürzen. Ich habe den Verdacht, es verschwanden massiv Fleischteile." Ein Telefonat unterbricht die Befragung und Gottschalk hört nun Wortfetzen wie -Sonderabfall-Begleitscheinverfahren-Veteri-närstempel-mein Prinzip. Sein Blick ist dabei auf ein Regal fixiert mit dunklen Probegläsern und der Aufschrift -Rückstellmuster Frittenfett

- "Entsorgen Sie auch Frittenfett"- geht die Frage über den Brillenrand hinweg an den Firmenchef. "Leider, hat uns Brüssel aufgedrückt. Viel Aufwand wenig Penunzen, Sie wissen schon", dabei reibt er Daumen und Zeigefinger zusammen. "Wir nehmen ihnen ein wenig Arbeit ab." Gottschalk zeigt auf einige Muster und die Kollegin packt sie zügig ein in der Hoffnung den Ort schnellstens verlassen zu können.

"Aha - die Herren vom BKA!", begrüßt Kriminaldirektor Schöne in Daun die beiden Ankömmlinge und checkt dabei kurz die Dienstausweise. "Sie sind ein Glückspilz Kollege Gottschalk" ruft der Beamte aus Wiesbaden mit dickem Rauschebart und der Physiognomie eines Uni-Professors in die Runde. "Mit DNA war nichts mehr, wegen der Temperatur, aber Stoffreste etc. haben wir ausreichend aus einer Probe von der Dönerbude an der B 410 gesichert."

Das Sondereinsatz-Kommando aus Mainz hat alle Schlüsselstellungen bezogen. "Aktion"! ruft der Einsatzleiter in sein Funkgerät. "Der Vogel ist ausgeflogen", ist die Antwort des Einsatzleiters nach Durchsicht des abgewrackten Imbissstandes mit der Werbeaufschrift "Truckerworld"- "Erkennungsdienst und Spurensicherung, das ganze Programm, der Rest abrücken zur Dienststelle" gibt KD Schöne seine Anweisungen aus dem Einsatzzentrum.

"Kein Happy-End für Euren Tatort Eifel im nächsten Monat. Sorry wir hätten Euch wirklich etwas Frisches dazu gegönnt", frotzeln die Mainzelmänner vom SEK - dreimal Lichthupe

- und preschen davon.