Suche nach der glückseligen Einsamkeit

Porträt des Malers Johann Peter Allroggen in Retterath

Alois Mayer, Daun

"Warum ich in die Eifel gezogen bin? Die Liebe hat mich dorthin gezogen!" So schlicht und einfach antwortet Johann Peter Allroggen. Und dann schaut er seine Frau Waltraud an, liebevoll, und in seinen Augen leuchtet immer noch der Glanz inniger Gemeinsamkeit. Hans nennen ihn alle, die ihn näher kennen. Seine Werke signiert er aber mit "J.P.", Kürzel seines Taufnamens Johann Peter. Und den erhielt er 1941, als er in Anstel, Nordrhein-Westfalen, geboren wurde. Bereits als Schulkind zeichnete er gern, entwickelte ein Talent, das seine Umgebung staunen ließ. "Alles interessierte und reizte mich, es zeichnerisch auf Papier, auf Pappe oder Sperrholz zu bringen. Erfreuen konnte ich mich an dem Geruch von frischen Farben und an Terpentin, etwas, was mich selbst heute noch fasziniert", erinnert sich J.P. Allroggen. Sein Vater, Schreinermeister, machte ihm Mut und ermunterte ihn, seine Talente zu entwickeln und zu fördern. So trat J.P. nach seiner Volksschulzeit 1955 eine dreijährige intensive Ausbildung in Düsseldorf als Dekorationsmaler an, wo er "Zeichnen und Malen für angewandte Kunst" von der Pike auf erlernte. Und dann lernte er seine Waltraud kennen und lieben, ein Eifeler Mädchen aus Mayen. Er heiratete sie und zog 1965 nach Diessen am Ammersee. In München fand er Arbeit als Dekorationsmaler, eine kunstvolle Tätigkeit, die er mit anerkanntem Geschick erledigte. Und doch spürte er damals in seinem Inneren: "Neben der reinen Auftragstätigkeit mit vorgegebenen Inhalten und Zielen lockte mich mehr die künstlerische Wiedergabe von Natur und Landschaft." So füllte er seine Freizeit aus mit Kunstmalerei, die sein tiefes Farbempfinden und seine Naturliebe sichtbar werden ließ. Aber es waren Bilder, noch nicht für die Öffentlich-

keit gedacht, sondern private Zeichnungen, Ergebnisse eines Hobbys und von Entspannung, Resultate von Probieren und Beobachten. Und diese Werke sah dann 1966 der Maler Heinz Münnich aus Starnberg. Tief beeindruckt von dem hohen Können des jungen 25-jährigen Allroggen, ermunterte er ihn, die gewerbliche Dekorationsmalerei aufzugeben und sich nur noch der Kunstmalerei zu widmen. Ein hohes Risiko - die Aufgabe eines sicheren Berufes mit geregeltem Einkommen gegen den unsicheren Beruf eines freien Malers mit fraglichen finanziellen Mitteln. Doch als Herr Münnich alle Bilder von J.P. Allroggen für seine Galerie in Berlin ankaufte, waren die Würfel gefallen. Seit dieser Zeit ist Allroggen nur noch als Kunstmaler tätig. Seine Kenntnisse hat er in der intensiven Zusammenarbeit mit dem akademischen Maler Münnich verfeinert und zu einem Können entwickelt, das in der Fachwelt hohe Anerkennung findet. Später komplettierte er sein künstlerisches Wissen und Können während zahlreicher Studienreisen nach Holland, Frankreich, Italien oder in die Schweiz. Die Natur in ihrer Gesamtheit, aber genauso die Natur in ihrer einmaligen Winzigkeit, beeindruckte Allroggen mehr als Großstädte wie Berlin oder München. Er sehnte sich nach Ruhe und Stille, nach beschaulicher Muße. Die Eifel, die Heimat seiner Frau, rief ihn, weckte tiefes Verlangen, bot sich an, in ihr zu wurzeln und sein Talent weiter zu entwickeln. So zog Familie Allroggen 1970 nach Retterath im Vulkaneifelkreis, ein abgelegener Ort im stillen Tal der Elz. Ein älteres Haus wurde gekauft und umgebaut. Am Bergeshang, umgeben von hohen Bäumen, bietet es ein treffliches Panorama auf das schmucke Dorf mit seiner Kirchturmspitze, die sich keck aus dem waldigen Hang erhebt. Weit zu gehen, braucht

J.P. Allroggen nicht, um Mal-Anstöße zu finden. Sie sind unmittelbar vor seiner Haustür, in Hülle und Fülle. Egal ob es Blumen, Tiere, Landschaft oder die so genannten Unkräuter wie der Löwenzahn sind. Die Motive des ländlichen Lebens liebt er besonders. Da klettert das Eichhörnchen am rissigen Baumstamm empor, und dort im Teich sucht der Frosch quakend nach einem Weibchen. Da schnattern Enten, und ein Igel sucht nach der Schnecke. Und es gelingt Allroggen, all dies detailgetreu aufs Papier zu bringen. In einer Genauigkeit, die an Fotografien erinnert. Mit einer Farbbrillanz, die manche Fotografen nur mit digitaler Bildbearbeitung schaffen. So natürlich, dass man glaubt, jeden Moment flattert der Hahn los und der Tautropfen auf der Rose rinnt die transparenten Adern der Blätter herab. Von Kind an bis heute, hält Allroggen an seiner Liebe zur detailgenauen Wiedergabe fest. Er ist ein wahrer Meister der Miniaturen, der Lupenmalerei und des Malens mit "Einhaarpinsel". Jede Schneeflocke vermittelt Winteridylle, und die Federn eines Rotkehlchens sind so zart, dass man die feinsten Verästelungen erkennt, als betrachte man sie unter einer Lupe.

Die Sucht nach der Suche

Allroggen ist ein Künstler. Im wahrsten Sinne des Wortes, wenn das Wort "Kunst" die Bedeutung "Können" beinhaltet. Seine Bilder sind ein Genuss, nicht nur für Naturliebhaber. Sie zeigen Land und Leben in einer Form, wie sie heute oft nur noch in der Erinnerung oder in Träumen existieren. Sie sind idyllisch, heiter und unverbraucht. In seinen Werken ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest für den Menschen, der sich einen Sinn für das Schöne bewahrt hat.

"Warum soll ich sie anders malen, als ich sie sehe?", fragt er und gibt auch die Antwort: "Natürlich weiß ich, dass vieles in unserem Leben und in unserer Welt in Unordnung ist. Selbstverständlich setze ich mich kritisch mit Umweltproblemen auseinander. Aber nützt es jemandem, wenn ich Chaos und Durcheinander, Schmutz und Zerstörung aufs Papier banne? Ich habe heile Welt kennen gelernt. Ich habe mich in ihr wohlgefühlt und tue es immer

noch. Es ist meine Sehnsucht, die Sehnsucht vieler Menschen, sich eine intakte Welt zu schaffen. Diese Suche nach Vollkommenheit - gleich ob in der Musik, in der Literatur, in Filmen, in der Kunst oder sonst wo - ist ein Grundbedürfnis des Menschen. In meinen Bildern träume ich mir so ein Stück romantisch nostalgische Kindheitserinnerung." Was er denn von der sogenannten modernen Kunst hält, wird er gefragt, und Allroggen antwortet schlicht und erlaubt Einblicke in seine Denk- und Gefühlswelt: "Ich kenne moderne Kunst. Vieles davon ist wirklich Kunst, aber bei Weitem nicht alles. Ich hatte Kontakte und Begegnungen mit Beus und anderen heute in der Kunstszene sehr Bekannten. Was manche von denen aber als Kunst oder Können empfinden, deckt sich nicht mit meinen Auffassungen. Manche .Künstler' brauchen heute nichts Handwerkliches mehr zu können, sie können sich aber darstellen. Ich habe nichts gegen das Abstreifen einer Ölquaste auf Papier oder das Kleben eines Pflasters auf eine Badewanne oder das Einschlagen von 48 rostigen Nägeln in ein Holzbrett, das kann ich auch. Aber ist das Kunst, so wie ich es verstehe? Manche Menschen unserer Zeit möchten am liebsten alles verändern, die Natur wie die Mode manipulieren? Ich sehe einen Strauch, ein Kaninchen und freue mich, dass es noch niemandem gelungen ist, dem Strauch blaue Blätter zu geben und dem Kaninchen einen grünen Balg." Wahrscheinlich denken und fühlen viele so wie Allroggen. Denn seine Bilder sind gefragt, finden besten Absatz, schmücken Ateliers und Privaträume. Etwa 50 bis 60 Bilder entstehen jährlich neu, die in zahlreichen Ausstellungen gezeigt werden, besonders viele in seiner Geburtsheimat rund um Anstel, aber auch in der Eifel, in Monreal und in Daun. Und sein großes Atelier verbirgt noch eine schier unerschöpfliche Fülle an Zeichnungen und Gemälden mit den unterschiedlichsten Inhalten und Kompositionen.

J. P. Allroggen ist nicht nur ein Meister romantischen Malens, sondern er begeistert mit seinem Können und seiner Kunst viele Menschen allen Alters und aller Schichten. Geschult ist er in allen Techniken der gegenständlichen Malerei des 19. Jahrhunderts. Von ihr hat er die feinsten Techniken der Lasur und der Lupenmalerei übernommen, beherrscht daneben auch in Vollkommenheit die Kunst der Kohle-, Sepia- und Bleistiftzeichnungen. Mit seinen Blumendarstellungen auf Porzellan und Elfenbein bewegt er sich an der Obergrenze dessen, was mit Pinsel und Farbe an Präzision machbar ist. Gerade bei den kleinen Miniaturen werden seine Fingerfertigkeit und die Liebe zum Detail erkennbar. Akribisch genau sind seine Werke, dreidimensional, sich auszeichnend durch äußerst große Realität. Das unterscheidet Allroggen als Künstler von dem oberflächlichen Maler. Dies erklärt auch seine Vorliebe für Landschaftsidylle. Und der Betrachter seiner Bilder empfindet ebenfalls die Wärme und Liebe zur Natur und Kreatur, die der Künstler hier eingebracht hat. Und dies ist ebenfalls eine Botschaft, seine Botschaft! "Ich bin der Malerei verfallen", sagt er mit überzeugender Stimme. "Morgens um fünf Uhr stehe ich in meinem Atelier oder sitze draußen in der morgenfrischen Natur, atme deren Duft und lasse mit dem Pinsel und leuchtenden Ölfarben meine Seele aufs Papier bringen." Und nach einer nachdenklichen Pause fährt er fort: "Es stimmt das Sprichwort: ,In der Ruhe liegt die Kraft'. Und die beeindruckende Eifelland-schaft, die anbetungswürdige Stille schenken Kraft und innerliche Stärke, bannen die lebendigen Motive aufs Papier." Der Maler Allroggen hat Recht. Nur der, der mit der Natur verwachsen ist, kann das Gesehene und Erlebte so umsetzen. Bis mittags arbeitet er an seinen Bildern, fertigt nachmittags Zeichnungen an, präpariert Leinwände oder sucht in Gemeinsamkeit mit seiner Frau neue Ideen in stillen Winkeln von Eifeldörfern und Landschaften. Er ist Ästhet, ohne dabei schönzufärben oder bloß schön zu färben. "Ich bin kein Mann großer Worte. Elitäres Gehabe, wie es oft bei Vernissagen anzutreffen ist, ist mir fremd. Mit meinen Bildern will ich alle Menschen erreichen." Und dies gelingt ihm. Seine Bilder sind verspielt oder dokumentieren. Da sind Martinszüge in einer enormen FarbenVielfalt, da beeindrucken Häuser, Fenster und Türen, da erstrahlt die Dauner Burg in geheimnisvollem Licht und selbst Zeichnungen über längst abgerissene "Herzhäuschen" künden "Ja, so war es einmal!" Man träumt sich in die Weinfelder Kapelle hinein und glaubt, den Bittgesang in ihr zu vernehmen, und erfreut sich an dem stolzen Hahn, dessen Gefieder in magisch metallischem Glanz prangt. J.P. Allroggen mit seinem grauen Schnurrbart sagt selbst über seine Kunst: "Mit meinen Bildern möchte ich den Zauber der Natur wiedergeben, Erinnerungen und Sehnsüchte wecken. Ich bin ein glücklicher Mensch, denn ich habe das Talent bekommen, die Natur zu zeichnen, wie sie ist, und ich freue mich, dass meine Bilder so vielen Menschen etwas bedeuten." Seine zahlreiche Ausstellungen finden Anerkennungen. Seine Zeichnungen, Bildkompositionen und Gemälde gefallen - sie wecken beim Betrachter wohlige Gefühle, eine ausgeglichene gelassene Heiterkeit. Sie verströmen einen Hauch von Sehnsucht und Melancholie und regen an, sich hineinzuversetzen in eine Welt geheimer Wünsche und liebgewonnener Träume. Daher gebührt J. P. Allroggen und seiner Kunst Hochachtung und Bewunderung.