Die Weinfelder Muttergottes

88 Jahre ist sie alt, Frau Luzia Kremer in Schalkenmehren. Als Unverheiratete schrieb sie sich Luzia Mayer und stammt aus Daun-Gemünden. Doch ihre Sprache und vor allem ihr Gedächtnis, sind so frisch und klar, wie bei einem jungen Menschen. Und voller Stolz sagt sie: "Von wem das Gedicht von Weinfeld stammt, weiß ich nicht. Wir haben es in unserer Schulzeit bei der Lehrerin Anna Becker gelernt. Bis heute habe ich es behalten, und jedes Mal, wenn ich in Weinfeld bin, am Grabe meines Mannes, kommen mir diese Verse in den Sinn und geben mir Kraft und Trost."

Dieses Gedicht, das in Dialekt gesprochen wesentlich blumenreicher und melodischer wirkt, wird hier der besseren Lesbarkeit wegen, in Hochdeutsch wiedergegeben:

Da oben auf den Eifelbergen
da liegt ein Maar, ganz einsam und allein,
und verborgen unter Eschenbäumen
ein Kirchlein, steinalt und klein.
Dort sieht man keinen Beichtstuhl
und keine Kanzel,
keine Orgel, die am Sonntag spielt,
doch ein großer Reichtum ist darin,
das ist ein altes Marienbild.

Es ist die Schmerzhafte Muttergottes.
Sie hält auf dem Schoß den lieben Sohn,
das Opferlamm, das für uns Menschen
gehangen hat am Kreuzesthron.

O, Kummer! Sieben Schwerter gehen
so tief durch dieses Mutterherz.
Du siehst in ihren Mutterblicken
ein Meer voll Leid, ein Meer voll Schmerz.
Und kniest du vor der Schmerzensmutter,
und ist dein Leid auch noch so groß,
schaust du ihr nur in deren Augen
und auf das Kind auf ihrem Schoß,

dann schmilzt dein Leid und all dein Kummer,
wie vor der Sonne der Winterschnee.
Was du zu tragen hast, ist ja nur
ein kleines Tröpfchen von einem großen See.

Foto: Alois Mayer, Daun