Das erste Fernsehgerät

Brigitta Westhäusler, Hillesheim

Kaum eine Errungenschaft kennzeichnet den wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950-er Jahren mehr als die Verbreitung jenes Gerätes, das heute so selbstverständlich und inmitten multimedialer Vielfalt beinahe wieder untergeordnet ist.

Meine Tante kaufte als erste in der Familie ein solches Gerät, auf Ratenzahlung bei Neckermann. Meine Tante war überhaupt eine bemerkenswerte Frau, für ihre Zeit sehr emanzipiert und modern.

Sie war Witwe, arbeitete in einem Büro und ihre beiden Töchter gingen bereits zur Universität. Sie interessierte sich für alle technischen Neuerungen und war natürlich auch vom Fernsehen begeistert. Sie suchte nach Möglichkeiten, ein solches Gerät zu erwerben. Die Rente ihres Mannes war wenig, ihr Verdienst war gering, die Töchter brauchten etwas Geld

- und der Preis für ein Fernsehgerät war unerschwinglich.

Aber das Wirtschaftswunder bescherte die ersten Versandhäuser und brachte dem .Normalverbraucher' die Möglichkeit der Ratenzahlung. Und dann war es soweit: Eines Tages im Schicksalsjahr 1954 (nach der denkwürdigen Fußballweltmeisterschaft) wurde ein großes Paket geliefert. In der Fensterecke neben dem Buffet wurde dann das .neue Möbelstück' aufgestellt, denn so sah es in etwa aus. Es war ein Klotz, ca. 80 cm hoch und 50 cm breit und aus Nussbaumholz. Die Vorderfront war zweigeteilt: Im oberen Bereich der Bildschirm - 17 Zoll, um präzise zu sein - und unten eine Stoffbespannung wie bei den Radiogeräten, die von Messingleisten im V-Muster gehalten wurde. "Weltblick" stand in einer Art Schreibschrift auf dem unteren Rahmen des Bildschirms.

Ja, und dann kam der spannende Augenblick

- der erste Fernsehabend. An das Programm erinnere ich mich nicht mehr, aber an die Fernsehansagerin Irene Koss, die mit ihrem

Kurzhaarschnitt und ihrer eleganten Kleidung auffiel. Es gab ja nur Abendprogramm, vielleicht zwei Stunden, und eigentlich durfte ich sowieso nicht schauen. Aber am Anfang war es eben eine Sensation. Ich erinnere mich nur, wie sich meine Großeltern fein machten, um zu meiner Tante in die Wohnung zu gehen, obwohl wir zusammen in einem Haus wohnten. Sie dachten wirklich daran, dass es .Heimkino' war, und meine Großmutter war sich nie ganz sicher, ob der Mann oder die Frau auf dem Bildschirm nicht doch in unser Zimmer schauen konnten. Alle waren wir auf dem Sofa oder auf Stühlen gruppiert und starrten auf die bewegten Bilder, schwarzweiß natürlich. Auf dem Couchtisch in Nierenform lagen in einem Ständer mit Bambusgriff Salzstangen bereit. Das Zimmer war abgedunkelt, und man wagte nicht zu sprechen. Am Anfang war es wirklich wie in einem Kino. Man blieb sitzen, bis das so genannte Testbild erschien, ein scheinbarer Wirrwarr geometrischer Zeichen. Dann wurde das Licht wieder eingeschaltet, und es entspannte sich eine Diskussion über das Gesehene.

Meine Grundschullehrerin war sehr politisch eingestellt und erwartete auch von uns jungen Menschen schon ein gewisses Interesse am Weltgeschehen. Einmal fragte sie, von welchem wichtigen Ereignis man spräche, das für uns alle bedeutend wäre. Ich erinnere mich, dass verschiedene Vorschläge gemacht wurden, mit denen sie aber nicht zufrieden war. Schließlich meldete ich mich und fragte, ob sie wohl die Präsidentschaftswahlen in Amerika meinte. Ich hätte gehört, Eisenhower wäre wiedergewählt worden. Und da hatte ich den Joker gezogen! Sie fragte nach, woher ich das wüsste, und ich konnte da mit meinen .Fernsehkenntnissen' angeben. Das war so ungewöhnlich, dass ich diese kleine Begebenheit nicht vergessen habe. Wie hat sich seitdem alles verändert! Welchem Informationsfluss stehen wir heutzutage gegenüber!