Ratenkredite

Gustav Winter, Daun

Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern "Wir sind wieder wer" und die Wirtschaftspolitik des damaligen Bundesministers für Wirtschaft, Ludwig Erhard - er schrieb das Buch: "Wohlstand für alle" - waren markante Ereignisse für den Beginn des Wirtschaftswunders in Deutschland.

Ich war zu dieser Zeit Mitarbeiter bei der Kreissparkasse Daun und in der Kreditabteilung tätig.

Nach den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren bestand ein starker Nachholbedarf an Gebrauchsgütern. Die technische Entwicklung brachte inzwischen Güter für den täglichen Bedarf auf den Markt, wovon man früher nur träumen konnte. Hier sollen nur einige Güter genannt werden: PKW, landwirtschaftliche Maschinen wie Schlepper, Mähdrescher, Melkmaschinen, Elektrogeräte für den Haushalt wie Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen, Möbel usw. Aber das Geld für solche Anschaffungen fehlte, denn das Einkommen war, gemessen an den heutigen Verhältnissen, gering. So zum Beispiel lag der Stundenlohn eines Bauhandwerkers um diese Zeit unter drei Deutsche Mark. Ersparnisse waren kaum vorhanden, also blieb nur die Kreditaufnahme für den Kauf eines notwendigen Einrichtungsgegenstandes. Den Ursprung von Ratenkrediten finden wir Ende des 19.Jahrhunderts, als "Nähmaschinen-Singer" den Ratenkauf für ihre Produkte anbot. In Deutschland setzte sich der Ratenkredit erst nach dem zweiten Weltkrieg durch, jetzt aber auch für andere Gebrauchsgüter. Um 1950 folgte die Einführung des Ratenkreditgeschäftes durch die Banken und Sparkassen. Um 1960 war der Ratenkredit voll im Trend. Seit dieser Zeit kennen wir die Begriffe Anschaffungsdarlehen, Ratenkredite, Konsumentenkredite, Teilzahlungsdarlehen, Kaufkredite.

Beispiel für einen Ratenkredit

Das Kreditinstitut räumt dem Händler einen Kreditrahmen ein. Der Kunde geht zum Händ-

ler, kauft einen Gegenstand, der jedoch nicht bar bezahlt werden kann. Der Händler vereinbart schriftlich mit dem Kunden, dass die Finanzierung durch das Kreditinstitut XY zu den im Kaufvertrag genannten Bedingungen übernommen wird.

Innerhalb seines Kreditrahmens konnte der Händler solche Kreditverträge bei dem Kreditinstitut einreichen. Nach Prüfung der Bonität wurde der Kaufpreis dem Konto des Händlers gutgeschrieben. Der Kunde musste die monatlichen Raten an das Kreditinstitut leisten. Da der Händler gegenüber dem Kreditinstitut bis zu vollständigen Rückzahlung des Ratenkredits haftete, behielt er solange am gekauften Gegenstand das Eigentum. Der Käufer konnte natürlich den Finanzierungsbetrag auch direkt bei der Bank aufnehmen. In einem solchen Falle konnte er den Händler bar bezahlen und einen Rabatt aushandeln. Mit der Zeit musste man feststellen, dass mancher Antragsteller seine Grenzen nicht mehr kannte und mehr anschaffte und Kredite aufnahm, als seine Einkommensverhältnisse dies zuließen.

Ich hatte mal eine Bauersfrau im Beratungsgespräch. Sie wollte einen Ratenkredit haben, um eine Melkmaschine zu kaufen. Ich hatte Bedenken, da die Frau nur zwei Kühe besaß. Aber sie sagte: "Esch grieg ön Melkmaschinn und wenn die letzte Koh dropp jet!" Es entstand ein regelrechter Ansturm auf Gebrauchsgüter, zumal die Händler sehr aktiv waren und vor allem mit der günstigen Finanzierung operierten. Noch eine Begebenheit, die ich erlebte: Als ich nach Feierabend noch ein Glas Bier an der Theke trank, saß ein fremder Mann neben mir, der gleich ein Gespräch anfing. Er sagte, dass er Vertreter für Nähmaschinen sei. Als ich ihm entgegnete, dass ich an einer solchen Maschine interessiert sei, legte er los: "Ich biete Ihnen eine moderne Maschine an, ohne Anzahlung und einer Fi-

nanzierung mit nur 1% Zinsen pro Monat. Als ich ihm entgegenhielt: "Das sind ja fast 25% effektiv", sagte er, dann hätte ich keine Ahnung, das wären nur 12%. Das Geschäft kam nicht zustande.

Erst nach Einführung der Preisangabenverordnung wurden die Kreditnehmer auf die Effektivkosten (wirkliche, tatsächliche Kosten)

aufmerksam gemacht. Mancher wurde jetzt vorsichtiger und suchte sich die günstigste Finanzierung aus.

Kauf und Finanzierung von Gebrauchsgütern waren neben dem Wohnungsbau sehr wichtige und bedeutsame Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft und damit kennzeichnend für das oft genannte Wirtschaftswunder.