Nachkriegszeit - Aufbauzeit

Gertrud Margarete Morsink, Landscheid

Am 21. Juni 1948, dem Tag der neuen Währung (DM), begann für die westdeutsche Bevölkerung ein neuer Anfang. Jede Person erhielt 40,- DM Startgeld. Die Rationierung der Lebensmittel war noch nicht aufgehoben. Für das neue Geld konnte man, falls vorhanden, alles haben was das Herz begehrte. Ein Erlebnis in den ersten Tagen nach der Währung, Eine völlig unbekannte Frau begegnete mir auf der Straße, blieb vor mir stehen. Sie fragte: "Darf ich Ihnen etwas Schönes zeigen?" Dann öffnete sie ihre Tasche. Darin lagen ein frisches Brot und ein Stück Butter. Glücklich erklärte sie mir: "Jetzt gehe ich nach Haus, dann wird gegessen bis nichts mehr rein geht. Die Butter wird so dick aufs Brot gestrichen, dass bei jedem Biss sämtliche Zähne auf der Butter abgebildet zu sehen sind!" und setzte ohne ein weiteres Wort ihren Weg fort. 1950 war es dann so weit. Die Rationierung der Lebensmittel wurde aufgehoben. Es gab nun fast alles zu normalen Preisen in jedem Lebensmittelladen zu kaufen. Alles was das Herz begehrte, und man sich leisten konnte. Die Fresswelle begann, es wurde fett und gut gegessen. Als die Sättigung erreicht war, merkte die Mehrheit, das Allzuviel ungesund ist. Strebsame, fleißige Menschen machten sich selbstständig, gründeten neue Firmen und Betriebe. Sie brauchten gute Arbeitskräfte, gaben den Menschen Arbeit, die damals durch die zerstörten Städte, Dörfer und Straßen reichlich vorhanden war. Die gezahlten Löhne waren zu der Zeit sehr gering. Die Menschen waren bescheiden, sie sparten manchmal lange bevor sie das heiß ersehnte Teil erwerben konnten. Hatten sie das Ziel erreicht, war die Freude groß. Das Sparen ging weiter. Junge Familien schufen sich mit Hilfe der ganzen Verwandtschaft ein eigenes Heim. Auch alte Häuser wurden renoviert und mit neuem Außenanstrich verschönert. Für die Hausfrauen brach aus damaliger Sicht ein goldenes Zeitalter an. Die vollautomatische Waschmaschine kam auf den Markt, dadurch entfiel der zeitraubende, immer wiederkehrende Waschtag der Woche. Später kam der Wäschetrockner hinzu, eine große Erleichterung. Der Höhepunkt in den fünfziger Jahren war der Schwarz-weiß-Fernseher. Für die frühen Besitzer manchmal eine Plage. Zu bestimmten Sendungen fanden sich Freunde und fast die gesamte Nachbarschaft ein. Die Menschen saßen vor dem Bildschirm und konnten die Geschehnisse der Welt im Wohnzimmer erleben, für viele damals noch unbegreifbar. Diese Zeit hielt Gott sei Dank nicht lange an. Jede Familie war bestrebt so schnell wie möglich einen eignen Fernseher zu besitzen. Viele alte Möbel wurden durch neue ersetzt. Manches gute alte Stück wechselte zum neuen Besitzer, der sich dessen Wert voll bewusst war. Mit der Zeit hatte man das Geld für moderne Möbel angespart. Im Wohnzimmerschrank war viel Platz für Neues. Sammeltassen waren der große Renner. Für Mütter das richtige Geschenk. An jedem Muttertag, Geburtstag und an Weihnachten wurde der Bestand mit einer neuen Tasse erweitert. Später kamen edles Geschirr und teure Gläser hinzu. Dieses wurde nur an Festtagen in Gebrauch genommen und steht heute noch wie damals unbenutzt in den Schränken. Elektroherd und Kühlschrank hielten Einzug in die Küche, der gute alte Herd hatte ausgedient und kam zum alten Eisen. Das tägliche Scheuern, Feuern, Brennholz reintragen und Asche entleeren entfielen. Viele neue Gerätschaften zur Arbeitserleichterung wurden erfunden und angeschafft. Bei alledem muss man sich fragen: Wo ist sie geblieben, die gewonnene Zeit? Mit der Wirtschaft ging es bergauf. Anfang der 1960-er Jahre begann das Zeitalter des Autos. Jeder junge Mensch wollte den Führerschein und natürlich das passende Auto dazu. Reichte es nicht für ein neues, wurde mit einem alten Vorlieb genommen. Hauptsache Auto. Man war nicht mehr an öffentliche Verkehrsmittel gebunden und konnte auch vom Wohnort entfernt liegende Arbeits- oder berufliche Stellen annehmen, für die ländliche Bevölkerung eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Das letzte Jahrhundert hat der Menschheit soviel Neues, Entdeckungen, Erfindungen und Fortschritt, auf allen Gebieten, aber auch viel Kummer, Leid und Unmenschlichkeit gebracht, wie jemals eine Zeit davor.