...und dann mit dem Handwagen zum Bleichen an die Kyll

Mathilde Gros, Eltville am Rhein

Manchmal, wenn ich an die erste Notzeit nach dem Krieg zurückdenke und dann an die 1950-er Jahre, als es auf schier unglaubliche Weise unentwegt bergauf zu gehen schien, fallen mir Zeilen eines Liedes ein, von Wolfgang Neuss gesungen, das diese Wandlung doch so gut beschreibt:

Die Straßen haben Einsamkeitsgefühle,
und fährt ein Auto, ist es sehr antik.
Nur ab und zu mal klappert eine Mühle,
ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg.
Aus Pappe und aus Holz sind die Gardinen,
den Zaun bedeckt ein Zettelmosaik.
Wer rauchen will, der muss sich selbst bedienen,
ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg.
Jetzt kommt das Wirtschaftswunder.
Jetzt gibt's im Laden Karbonaden schon und Räucherflunder.
Jetzt kommt das Wirtschaftswunder.
Der deutsche Bauch erholt sich auch und ist schon sehr viel runder.
Jetzt schmeckt das Eisbein wieder in Aspik,
ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg.
Man muss beim Autofahren nicht mehr mit Brennstoff sparen.
Wer Sorgen hat, hat auch Likör und gleich in hellen Scharen.
Die Läden offenbaren uns wieder Luxuswaren...

Luxusware. In der Tat! Zu Beginn der 1950-er Jahre war es die erste Waschmaschine, die mitten im Schaufenster beim Elektrohändler stand. Ein magischer Anziehungspunkt für jede Hausfrau. Es waren zunächst teilautomatische aus Holz, manche mit Kohlen zu beheizende, aber sie boten den Frauen, die sich eine solche Anschaffung erlauben konnten, eine schier unglaubliche Arbeitserleichterung. Nun war es nicht mehr erforderlich, abends die Wäsche einzuweichen, sie am nächsten Morgen in einem Kessel zu kochen. Die heißen Teile hob man mit einem Holzstab heraus. Sie mussten entweder auf einem Waschbrett genibbelt oder auf einem stabilen Holztisch mit einer Bürste geschrubbt werden. Danach wusch man die Wäsche mehrmals aus, jedes Teil musste per Hand ausgewrungen werden. Diese zeitaufwendige Arbeit kostete viel Kraft. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir danach in Bütten die Wäsche auf den Handwagen geladen und dann zum Bleichen hinunter an die Kyll gefahren haben. Dafür musste sonniges Wetter sein. Am Kyllufer gab es ausreichend freie Wiesenflächen, um die Betttücher, Plumeaus- und Kissenbezüge, Handtücher und Tischdecken exakt auszubreiten. Schmale Pfade wurden dazwischen frei gelassen, um darüber zu gehen und die Wäsche zu beiden Seiten zu begießen. Das Wasser schöpften wir aus der Kyll.

Man konnte zwischendurch wohl mal nach Hause gehen, aber sobald man annahm, dass die Teile trocken waren, eilte man zurück, sie erneut zu begießen. Das geschah mehrmals den Tag über. Auch musste die Wäsche gedreht werden, um die andere Seite zu bleichen. Am Spätnachmittag wurde die von der Sonne weißgebleichte Wäsche aufgesammelt. Man entfernte erst noch die Grashalme, die sich hier und dort angeheftet hatten, dann fuhr man die Bütten heim. Jetzt wurde die Wäsche abermals in SIL erhitzt. Darin ließ man sie über Nacht ziehen, um sie nach mehrmaligem Ausspülen und Auswringen endlich auf die Leine zu hängen. Es war der Stolz jeder Hausfrau, ihre blütenweiße Wäsche im Wind flattern zu sehen. Wie gut haben wir Hausfrauen es doch heute: Die vollautomatische Waschmaschine wird gefüllt, wir lesen sogar die Minuten ab, wann die Wäsche fertig ist, ohne unser weiteres Zutun. Danach nimmt der Trockner uns die Arbeit ab, sie auf die Leine zu hängen. Ein wahrer Luxus!