SAROTTI-Mohr und Genüsse

Gretel Körner-te Reh, Ahlen

Aus Gründen der politischen Korrektheit heißt der SAROTTI-MOHR heute SAROTTI-MAGIER, der ehemals schwarze Diener wird zum modernen Zauberer, der mit den Sternen jongliert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er die Werbefigur schlechthin für feine Schokolade. Mit seinem bunten Turban, den weiten Pumphosen und orientalischen Pantoffeln hat er jahrzehntelang für Süßigkeiten "Made in Köln" geworben. Für mich war er der Inbegriff von Luxus aus Tausendundeiner-Nacht. Schokolade, Pralinen, Pasteten in Form von Tafeln, süßen Perlen und Bohnen, Eiern und Hütchen, gefüllt mit zarter Creme, Weinbrand und Knickebein, das war für Genießer ein Teil des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit. Im Geschäft meiner Eltern in Gerolstein am Bahnhof hatte ich als junges Mädchen diese Köstlichkeiten täglich vor Augen. Nicht, dass ich sie täglich essen durfte, das war zu teuer und auch unüblich zu jener Zeit, allein der Anblick erfreute mich. Die Cremehütchen konnte man auch einzeln kaufen, ebenso die Weinbrandbohnen. Sie lagen in quadratischen Metalldosen, versehen mit gläsernen Deckeln, die den Blick auf diese Hochgenüsse zuließen. Mit einer kleinen Zange füllte man die Süßigkeiten sorgsam in Cellophantüten, verschloss diese dann mit einer biegsamen Klammer. Im Sommer allerdings gab es eher Katzenzungen, Riegel von Nussmischungen oder Mandel-Schokolade, da sich die empfindlichen Hütchen und Bohnen durch die Wärme farblich veränderten. Lange Transporte schadeten den Kostbarkeiten, da Hitze auch das feine Gleichgewicht der Aromen zerstörte. Eine der für mich dekorativsten Pralinen-Schachteln war eine schwarze Stollwerck-Schachtel mit bunten Papageien bedruckt.

In unserem Geschäft gab es auch Tabakwaren und Utensilien für Raucher: Pfeifen aus Bruyere-Holz, echte Meerschaumpfeifen, holländischen Tabak und handgerollte HavannaZigarren. Unsere Kundschaft schwelgte in Zigarren, Stumpen, Zigarillos und Pfeifentabak.

Man entnahm eine der Zigarren, mit oder ohne Banderole, aus einem kleinen Sperrholzkist-chen und hielt sie unter die Nase, um mit Genuss den unvergleichlichen Tabakduft einzusaugen. Mit einem Zigarrenabschneider kappte man dann eine kleine dreieckige Spitze, führte die Zigarre zum Mund während man einen leichten Druck auf das Deckblatt ausübte und entzündete anschließend mit einem Streichholz die erlesene Ware. Eine gut abgelagerte Havanna war durch ihr starkes und einzigartiges Aroma die beste Zigarre der Welt. Andere Kunden wählten Zigaretten, mit und ohne Filter, die man in den Nachkriegszeiten auch einzeln kaufen konnte. Ich erinnere mich an einen Käufer, der zweimal wöchentlich drei lose "Overstolz"-Zigaretten kaufte. Nur für diesen Kunden lag in einer Schublade neben der Kasse eine offene Packung dieser Marke. Hier befanden sich auch für andere Abnehmer offene Zigarillokisten, Zehner-BriefchenPapierstreifen von Efka zum Selberdrehen der Zigaretten. Die richtig starken Raucher jedoch kauften Reval, Overstolz, Eckstein und andere Marken in Zehner-Schachteln. Das "Ketten-Rauchen" diente auch zur Verdrängung von Kriegserlebnissen. Von der Gefährlichkeit des Nikotins wusste man nichts oder wollte es nicht wissen.

Interessant zu beobachten war in jenen Jahren die Veränderung des Kaufverhaltens der Menschen, die ihre Süßigkeiten und Tabakwaren zunächst in kleinsten Mengen einkauften und das wenige Gute, das sie sich leisten konnten, sehr bewusst genossen. Später, mit fortschreitendem Aufschwung, kaufte man großzügiger ein, der Konsum dieser Dinge wurde selbstverständlich.

Die wirtschaftliche Erholung wurde auch sichtbar in der zunehmenden Auswahl an alkoholischen Getränken. So sehe ich immer noch die faszinierenden Blattgold-Partikel im Gewürzlikör "Danziger Goldwasser" schweben, diese Goldblättchen hatten es mir angetan. Echtes 22-karätiges Gold, welche Exklusivität

in einer Flasche! Der Duft dieses Likörs erinnert an Zitronen- und Pomeranzen-Schalen, Macis-Blüten und Zimt. Es gibt ihn heute noch zu kaufen. Eine alte Kaufmanns-Regel besagt: "Im Einkauf liegt der Gewinn." Deshalb füllte mein Vater aus großen Ballon-Gefäßen Wacholder-Schnaps in kleine 0,7 1 Flaschen um. Er steckte einen kleinen dünnen Schlauch in den Ballon, saugte kurz an, bis der Schnaps im Mund ankam, kniff den Schlauch zusammen und hielt ihn dann in die zu füllende Flasche. Hunderte von solchen Schnaps-Flaschen wurden dann per Hand verkorkt mit einem speziellen Holzgerät, das den Korken hielt, und dieser wurde mit einem Holzhämmerchen in den Flaschenhals getrieben. Ich durfte etikettieren, immer schön exakt ein viereckiges Etikett mit dem Abbild eines Wacholder-Zweiges in die Flaschenmitte und ein kleines sichelförmiges Papier-Schildchen für den Flaschenhals. Nach getaner Arbeit war Vater immer guter Laune! Er freute sich gewiss über den zu erwartenden Gewinn durch das Selbstabfüllen! Der neue Wohlstand, der sich auch im anderen Essverhalten ausdrückte, brachte es mit sich, dass die Leute zur Abrundung einer guten Mahlzeit gern ein Gläschen von diesem Kräuterschnaps oder einen Likör aus roten Beeren zu sich nahmen. Gerne denke ich an diese Zeit zurück, brachte sie mir und meiner Familie doch ein gutes Auskommen nach einer sehr entbehrungsreichen Zeit.