Kleine Sprachreise in die Eifel

Gretel Koerner-te Reh, Ahlen

"Abfahrt des Zuges nach Trier, über Euskirchen, Blankenheim, Gerolstein, auf Gleis 1, außerhalb der Halle!" So klang es am Hauptbahnhof Köln vor 50 Jahren, vielleicht noch früher. Da fuhren auch noch Dampfloks, es gab 1., 2. und 3. Klasse-Waggons, letztere mit unbequemen Holzsitzen. Langsam verlässt heute der moderne Niederflurzug den Kölner Hauptbahnhof in Richtung Eifel. Optisch und technisch hat man die Züge enorm aufgerüstet, eine Zugführerin sitzt gut sichtbar im Cockpit, ein Bord-Bistro bietet seine Dienste an. Der Einstieg klappt mühelos über eine breite, flache Stufe, die Sitze sind mit frischen, bunten Textilien bezogen, jetzt aber teilweise belegt mit Kindern und deren Rucksäcken, mit Taschen und den wohl unverzichtbaren Plastiktüten der Erwachsenen, da der Stauraum über Kopf sehr begrenzt ist. Die Tüten zeigen die Aufschriften von C&A und Kaufhof wie eh und je. Es geht vorbei am Stellwerk EIFELTOR, der Pforte zur alten Heimat. Stimmengewirr, Handy-Klingeln, gleichmäßiges Brummen anstelle des Ratterns früherer Fahrten dringen an mein Ohr. Und dann diese vertrauten melodischen Töne des Eifeler Platt. Sie erwärmen mein Gemüt. Zwei Endvierzigerinnen batscheln (schwatzen) über ihren Eidam (Schwiegersohn), der Schandarm (Polizist) ist, und über die Schnour (Schwiegertochter) der anderen Mitreisenden. Wenn ich auch nicht einwandfrei die Mottersproch vom Eefeler Kond (Muttersprache vom Eifeler Kind) spreche, so verstehe ich sie doch immer noch recht gut. Die Schnour also wünschte sich als Mitbringsel aus der Stadt ein Bleichmittel für ihre Spronzelen (Sommersprossen). Dies wird nun verächtlich diskutiert. Kaltherzig hört sich das an, Dialekt kann treffen, mitten ins Schwarze, wie ein Pfeil. Entsetzen, Schock, Missgunst, all das steckt drin in einfachen Eifeler Wörtern. Aber Dialekt kann eben alles. Er ist hart aber auch witzig, tölpelhaft und gescheit, traurig und froh. Für mich klingt es immer nach Kindheit, also nach einer Zeit, in der die Welt noch überschaubar war. Man sagt ja, dass Dialekte uns Nomaden zurück zu den Wurzeln führen. Die Psychoanalytiker Leon und Rebecca Grin-berg schreiben: "Die, die zurückkehren, sind nicht mehr dieselben, die damals fortgingen; und der Ort, an den sie zurückkehren, ist auch nicht mehr derselbe wie einst!" "MESCHERNISCH, hier Bahnhof MESCHERNISCH" tönt es aus dem Bahnhofs-Lautsprecher. Ja wir nähern uns der Heimat. Keiner singt die Ortsnamen so trefflich wie hier, keiner macht aus dem CH ein SCH, nur die Menschen im Raum Köln, Trier, Aachen. Jedoch eine einheitliche Mundart gibt es nicht in der Eifel. Im nördlichen Teil gilt die kecke Kölner Aussprache (ripuarisch), im südlichen Teil der Trierer Dialekt (moselfränkisch). Spricht man z. B. von einer grünen Bluse, sagt man in Köln "de jröön Blus", in Trier aber "de griin Bluus". Viele französische Wortreste sind außerdem vertreten. Die französischen Besatzungszeiten und auch die Sprachmode, - französisch ist eine elegante Sprache, - sind Ursache hierfür: parapluie (Regenschirm), plumeau (Oberbett), trottoire (Bürgersteig), gendarm (Polizist), usw. Der Trierer klagt auch: "Ich hann kalt", (Französisch: J'ai froid), ihm ist kalt. Mein Zug fährt vorbei an Wiesen mit alten Badewannen als Viehtränken, schmutzigen Kühen, vorbei an Tannenwäldchen, Birkenhainen. Bäche begleiten den Schienenstrang, die Ufer sind naturbelassen, bewachsen mit Wiesenschaumkraut und Sumpfdotterblumen. Unzählige Hügel der Maulwürfe ragen aus herrlich gelben Löwenzahnwiesen hervor. Schafe zupfen an Grashalmen und Island-Pferde traben über grüne Weiden. Die Strecke Köln-Trier ist eine der schönsten in Deutschland. Ich wäre keine echte Eifelerin, würde ich im Zug nicht etwas Essbares auspacken. Früher wurden Eier, Wurst- und Schinkenbrot hervorgeholt, kaum dass man im Zug saß. Heute reicht eine Banane. Später in Gerolstein, meinem Reiseziel, werde ich mich an kernigem Holzofenbrot mit Schmalz erfreuen, dazu ein köstliches Eifeler Sprudelwasser oder ein Bitburger Pils trinken. Vor allem freue ich mich auf den "Deppekooche", einen Topfkuchen aus Kartoffeln, Zwiebeln, Salz, Eiern und durchwachsenem Speck aus dem guten, alten, gusseisernen Topf. Nicht, dass die Eifeler kein delikates Wildbret mit heimischen Pilzen zubereiten könnten oder gar eine fangfrische Forelle mit Mandeln und guter Butter, ich liebe halt die alten, einfachen Gerichte meiner Kinderzeit, denn die schmecken nirgends so wie bei Muttern! Diese Exkursionen in die Eifel sind nicht gerade für Diät-Zeiten angesagt, ich mag nämlich Birrebunnes (Kuchen mit Birnenbelag), Heffkecheltjer (Hefeküchlein) und Hedelischkooche (Buchweizen-Pfannkuchen) mit dem einzigartigen Drees (Sprudel) zubereitet. Bei dieser Schlemmerei kann man nicht abnehmen!

Der Eifeler "nimmt" nichts, er "holt" nur! Er "holt" sogar ab, wenn er Gewicht verliert! Er geht nicht "zu" jemandem, der andere kommt "bej mech". Man ästermiert (achtet) das Geburtstagskind und strunzt (gibt an) mit seinem Geschenk. "Esch gradeleren Desch", ich aber gratuliere Dir! Meng Mottersproch ist für viele Fremde Kauderwelsch. Man schreit es dem anderen entgegen, Fetzen erreichen als Singsang das Ohr des Fremdlings. Ist das nicht spannend?

Langsam nähern wir uns meinem Reiseziel, die Kyll führt viel Wasser. Pelm, die Kasselburg, da kann man seine Jacke anziehen, das Gepäck bereitstellen. Endlich wieder daheim! GEROLSTEIN, hier Bahnhof GEROLSTEIN! Übrigens: der internationale Tag der Muttersprache ist der 21. Februar jeden Jahres!