Daun, Burgfriedstraße 11

Hans Grafen, Darscheid

Diese Adresse war mal mein Zuhause. Dort wurde ich 1951 geboren, und dort habe ich gewohnt, bis meine Eltern mit mir im Jahre 1960 in ihr neu erbautes Einfamilienhaus auf den Kampbüchel zogen.

Aber meine Erinnerungen haften immer noch an jenem alten und stolzen Gebäude in jener scharfen Haarnadelkurve in der Burgfriedstraße. Der heutige Zustand ist wohl durch bauliche Veränderungen zum Teil anders als in den 1950-er Jahren, aber an den Fenstern der oberen Wohnung hat sich nichts geändert. Der Eingang zum Haus war über drei oder vier Basaltstufen zu erreichen. Die Haustür mit kleiner Fensterscheibe öffnete sich, und man stand in einem schmalen langen Flur mit Steinzeugfliesen am Boden. Links und rechts Türen und hinten, rechts im Flur, das Treppenhaus. Dunkles Holz mit quietschenden Stufen führte hinauf in den ersten und dann in den zweiten Stock, auch als Mansarde bezeichnet. In dem Parterre wohnte die allüberall bekannte Hebamme, Frau Haas, und im ersten Stock eine, mir in der Erinnerung gestrenge, pensionierte Lehrerin namens Fräulein Paula Gürten. Ich erinnere mich noch, dass sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters auf die Anrede „Fräulein" bestanden hat. Eine Etage höher, in der Mansardenwohnung, wohnten wir. Über unserer Wohnung war nur noch der Speicher. Dieser wurde auch als Trockenboden für die Wäsche benutzt. Mein Vater hatte sich dort oben eine kleine Werkstatt eingerichtet und setzte in seiner Freizeit, oder das, was man in diesen Jahren dafür hielt, defekte Radios instand.

In unserer Küche befanden sich Schrank, Tisch, Stühle und ein Kohleherd, der auch gleichzeitig zum Heizen diente. Als besondere Errungenschaft hatten wir einen Elektroherd zum Kochen. In der Küche war auch der einzige Wasseranschluss der ganzen Wohnung. Die übrigen Räume wurden jeweils mit einem Ofen beheizt. Da mein Vater beim RWE beschäftigt war, und als Mitarbeiter dieses Energiekonzerns günstigen Strom bekam, konnte zur schnelleren Beheizung auch ein Elektro-Direktheizer benutzt werden.

Das Kinderzimmer (für meine Schwester und mich) hatte zwei Betten und ein Wandregal. Nachtschränkchen waren ebenfalls vorhanden. Und ein Utensil, das heute fast niemand mehr kennt - einen Nachttopf. Dieser war unabdingbar, denn es gab nur eine Toilette im Haus, und die war im Keller. Und nachts in den Keller gehen war fast unmöglich. Dieses Klo im Keller war also für drei Wohnparteien! Da konnte man nicht immer dann, wenn man musste, sondern man musste auch schon mal warten, bis frei war. Aber dieses Klosett hatte schon Wasserspülung aus einem Kasten der eineinhalb Meter über diesem angebracht war. Natürlich mit Kette zum Ziehen. Klopapier war oft nur in Form von alten Zeitungen vorhanden. Das Klo war als Einbau vielleicht zwei Quadratmeter groß in die Waschküche integriert. In der Waschküche befand sich ein Waschkessel, mit dem man die Wäsche kochen konnte, wenn man zuvor das Feuer lange genug angezündet hatte. Zum Wäschewaschen kamen unter anderem auch ein „Persilknüppel" oder ein „Stampfer" zum Einsatz. Geradezu fortschrittlich wurden wir in dieser Waschküche so ab 1957, als ein elektrischer Heizwasserboiler installiert wurde. Das Wort „Komfort" wurde damals noch richtig klein geschrieben. Mancher wird sich fragen, wo denn das Badezimmer mit Dusche und Wanne war. Die Antwort ist schnell gegeben. Ein solches Zimmer war im ganzen Haus nicht vorhanden. Das hatte für uns Kinder natürlich Vorteile. Das tägliche Duschen und Haare-waschen, wie heute üblich, blieb uns erspart. Badetag war üblicherweise immer samstags. Dazu machte meine Mutter in der Küche auf dem Herd Wasser heiß. Dies kam dann gemischt mit etwas kaltem Wasser in eine Zinkwanne, die entweder auf dem Tisch oder auf dem Boden in der Küche stand. Dann kam die spannende Frage, wer zuerst in die Wanne durfte, meine Schwester oder ich. Meist geschah es, um des lieben Friedens willen, abwechselnd. Da Wasser teuer und kostbar war, wurde das Badewasser anschließend noch zum Putzen der Wohnung genutzt. Erst um 1958 wurde ein Heißwasserboiler mit ca. 15 oder 20 Liter Wasservorrat in der Küche installiert, was natürlich die Vorbereitung des Badetages erheblich vereinfachte. Wir Kinder hatten noch das Glück, dass damals in der Burgfriedstraße wenig Autoverkehr vorhanden war. Das führte gerade in der Winterzeit zu vielen Spielfreuden. Es war kein Problem, mit dem Schlitten von der Dauner Burg die steile Burgfriedstraße und den Arensberg hinab bis zur Bahnhofstraße zu fahren. Dies war nicht immer im Sinne der Eltern oder der wenigen Autofahrer. Gestreut wurde, wenn überhaupt, nur Asche oder Sand. An frostigen Tagen haben wir Kinder Wasser mit Eimern über unsere Schlittenbahn die Straße runter geschüttet, um so eine besonders schnelle Eisbahn zu haben. Der Umzug in unser neu erbautes Einfamilienhaus war wie ein Umzug in eine andere Welt. So viel mehr Komfort im Haus! Es gab ein Badezimmer mit fließend Warm- und Kaltwasser, zwei WC's sogar, eins im Erdgeschoss und eins im Obergeschoss! Beide ausgestattet mit Druck-spüler! Und - wir fühlten uns wie Fürsten - in jedem Schlafzimmer ein Waschbecken, ebenfalls mit Warm- und Kaltwasser. Ich glaube, wir sind heute bei soviel Luxus in unseren Wohnhäusern angekommen, dass man leicht vergisst, selbst diese kleinen Errungenschaften zu würdigen.