Wie die Berndorfer ihre Feldwege bauten

Florian Schulten, Gerolstein

In den Fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es in Konz bei Trier das Straßenbauunternehmen Hubert Zettelmeyer. Diese Firma schrieb in der Winterzeit die Gemeinden an und erfragte, ob Bedarf bestände für den Ausbau von Feldwegen (heute Wirtschaftswege). Da diese Wege, auch infolge der Kriegsjahre meist in einem sehr schlechten Zustand waren, aber die Gemeinden auch ständig Geldmangel hatten, musste etwas geschehen. Nun war, wie in Berndorf auch, der Ortsbürgermeister mit seinem Gemeinderat gefragt, ob man es sich leisten konnte einen Feldweg auszubauen. In diesen Jahren hatte fast jeder Haushalt im Dorf etwas Landwirtschaft und somit befand der Gemeinderat den Ausbau eines Weges. Schnell war man sich einig, dass ein Weg oder zumindest ein Teilstück gemacht werden sollte. Nach Rücksprache mit der Firma Zettelmeyer kam ein Mitarbeiter, um sich die Baumaßnahme anzusehen und ein Angebot zu unterbreiten. Nachdem man sich über die Modalitäten einig war, erhielt Zettelmeyer den Auftrag. Es war damals so, dass Zettelmeyer in jedem Jahr Aufträge aus der näheren Region sammelte und somit von einem Dorf zum anderen zog und zu annehmbaren Preisen Wege ausbaute, so auch in Berndorf. Vorher sollten aber in der Gemeinde einige Voraussetzungen geschaffen werden. Wie gesagt, die Gemeinden waren arm und durch Eigenleistungen (Fronarbeiten) war man bereit, die Kosten in einem erträglichen Rahmen zu halten. Es war Aufgabe des Gemeinderates, die Lieferung von Kies oder Schotter als Umlage auf die Landwirte festzulegen. Diese Umlage ergab sich aus den Einheitswerten der Areale, die natürlich unterschiedlich waren, ob die Grundflächen bebaut oder reine landwirtschaftliche Nutzflächen darstellten. Im Nachbardorf Hillesheim gab es damals schon einen Basaltsteinbruch/Schotterwerk, aber dieses Rohmaterial zu kaufen, war einfach zu teuer. Daher entschloss man sich den Kies in Eigenleistung durch die Landwirte zu liefern.

Gemäß einem Umlegungsschlüssel wurden die Bauern veranlagt, entsprechend ihrem Einheitswert Kies zu liefern. Dieses Material (Feldsteine) fand man auf den Ackerfeldern. Ganze Familien sammelten die Steine von den Äckern und transportierten diese mit ihren Ackerwagen zur Baustelle, wo das Material am rechten Seitenstreifen abgeladen wurde. Hier war die Baustelle abgesteckt und an Pfählchen der Name des Landwirtes angebracht. Mit der „Komm", ein trapezförmiges Gerät, welches die Abmessungen eines Kubikmeters hatte, wurden die Lieferungen abgemessen. Hatte der Bauer nun seine Sollmenge erbracht, wurde von einem beauftragten Bauaufseher der Gemeinde geprüft, ob das Material die erforderliche Größe hatte. Die Steine durften eine Größe von etwa 20-70 mm haben. Viele Steine waren zu groß, daher saßen die Anlieferer am Rand und brachten mit dem so genannten Kieshammer die Steine auf das erforderliche Maß. Hatten alle Veranlagten ihre Kiesmengen geliefert, stand dem Ausbau des Weges jetzt nichts mehr im Wege. Meist pünktlich zu dem von Zettelmeyer genannten Termin kam von einem Nachbarort, wo vorher ein Weg gebaut wurde, die Dampfwalze angefahren. Es war für uns Kinder immer ein ganz besonderes Erlebnis, wenn die Baufirma im Dorf war. Die Dampfwalze (nicht zu verwechseln mit der späteren auch heute noch arbeitenden Dieselwalze) zog einen Bauwagen und ein Was-serfass hinterher. Die Walze wurde mit Wasserdampf betrieben. Hierzu wurde sie mit Holz, Steinkohle oder Industriebriketts beheizt. Im Bauwagen wurden benötigte Kleingeräte und das Heizmaterial vorgehalten, aber es bestand auch die Möglichkeit für die Mitarbeiter, hier zu übernachten. Das Personal der kleinen Baukolonne bestand aus dem Vorarbeiter Wilhelm Thiesen aus Müllenborn und dem Walzenfahrer Johann Clemens aus Wallersheim. In dem Feldweg waren tiefe Fahrrillen und in der Mitte Aufwuchs von Gras. Um ein Planum zu bekommen, musste die Walze mit dem Aufreißzahn, der an der Rückseite angebracht war, die Mitte des Weges aufreißen. Das hierdurch angefallene Material wurde von Hand in die Vertiefungen wieder eingebaut und abgewalzt, so dass nun eine ebene Trasse geschaffen war. Im weiteren Fortschritt stand der Einbau des Kieses an. Diese Arbeit erfolgte in Handarbeit durch einige Landwirte. Dem war vorausgegangen, dass die Gemeinde diese Arbeiten versteigert hatte. Es hatten sich 4-5 Männer zu einer Arbeitsgruppe angeboten, den Kies für 17 Pfennige (!) pro Kubikmeter mit der Kiesgabel einzubauen. Es ist mir heute noch unverständlich, wie bescheiden damals die Ansprüche waren, oder aber der Not gehorchend, da man für Pfennige solche schwere Arbeiten ausführte. Nach Abwalzen der Kiesschicht wurde aus der Gemeindegrube der rote Kalksteinsand angefahren. Dieser Sand wurde mit Kreuzhacke und Schaufel abgebaut und durch ein schrägstehendes Sieb geschaufelt. Um den Kies zu verdichten, wurde der Sand ebenso von Hand aufgebracht und anschließend gut gewässert. Nachdem die ausgebaute Strecke noch mal abgewalzt wurde, war die Schlämmdecke fertig. Konnte es sich die Gemeinde leisten, fand im Anschluss ein kleines Richtfest mit den Gemeindearbeitern und den Angestellten der Firma Zettelmeyer statt. Nachdem ich Anfang der Sechziger Jahre in die Dienste eines Straßenbau-untemehmens in Gerolstein eintrat, begegnete ich wiederum Wilhelm Thiesen und Johann Clemens, die beide als Vorarbeiter dort tätig waren. Nun waren wir sogar Kollegen im Straßenbau. Die Schlämmdecken kamen mit der Zeit aus der Mode, da die Haltbarkeit durch die immer stärker werdenden Traktoren nicht mehr gewährleistet war.

Die nun üblichen Teer- und Bitumendecken garantierten eine bessere Stabilität und längere Haltbarkeit. Heute findet man, sei es aus Kostengründen oder weil die Landschaft nicht zu sehr versiegelt werden soll, wieder vereinzelt Schlämmdecken. Wenn ich heute durch die Berndorfer Flur gehe, muss ich feststellen, dass durch die Flurbereinigung wunderschöne gradlinige Wege gebaut wurden. Diese Wirtschaftswege sind aus bituminösem Mischgut hergestellt, sind leicht zu pflegen und passen gut ins Landschaftsbild. Hier trifft man außer den Landwirten auch Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer, die den Verkehr auf öffentlichen Straßen meiden.