Pastor von Esch wegen Zauberei hingerichtet

Pfarrer Petrus Hildenbrand aus Mürlenbach kam 1630 auf den Scheiterhaufen

Ernst Becker, Mürlenbach

Entgegen der landläufigen Meinung wurden auch zahlreiche Geistliche Opfer des Hexen-und Zauberwahns. So der aus Mürlenbach stammende Pastor von Esch, Petrus Hildenbrand. Im Februar 1630 wurde er nach langer Haft und Folter als Zauberer hingerichtet. Seinen Prozess führte der Hexenkommissar Dr. Möden, der über 200 Personen, darunter mehrere Priester, zum Tode verurteilte. Unerklärliche Vorgänge, wie Unwetter oder Viehsterben, wurden als das Werk böser Mächte angesehen. Missernten, Hungersnöte, Seuchen und die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges beflügelten den Aberglauben an Hexen und Zauberer. In dieser furchtbaren Zeit erreichten die Hexenverfolgungen ihren Höhepunkt. Jedermann konnte in den verhängnisvollen Ablauf von Verdächtigungen, Verhören, erzwungenen Geständnissen und der zwangsläufig folgenden Verurteilung und Hinrichtung

geraten. Unter der Folter wurden auf die Fragen des Gerichtes nach weiteren an der Hexerei Beteiligten immer mehr Menschen benannt. Um die unbeschreiblichen Qualen zu beenden, gestanden die Beschuldigten schließlich alle Vorwürfe. Einige nahmen sich in ihrer Verzweiflung das Leben, obschon Selbsttötung als Todsünde galt, die zu ewiger Verdammnis führt. Schon der Anblick einer Folterkammer und der Folterinstrumente lässt den heutigen Besucher erschauern und nachfühlen, wie unendlich grausam die Angeklagten misshandelt und ihre Schuldbekenntnisse erzwungen wurden.

Pfarrer Hildenbrand wird der Prozess gemacht

Petrus Hildenbrand lebte mit einer Frau zusammen und hatte Kinder mit ihr - ein klarer Verstoß gegen das Zölibat. Der Kölner Generalvikar ersuchte deswegen den Grafen von Manderscheid-Blankenheim, Herrn Petrus - wie

Ausschnitt des Berichtes an den Grafen vom 14. Juli 1610, mit der Unterschrift des Petrus Hildenbrand

er in den Akten genannt wird - zu entlassen. Denn der Graf hatte das Kollationsrecht (Vorschlagsrecht für Kandidaten zur Besetzung der Pfarrstellen seines Territoriums). Graf Johann Arnold beließ den Pfarrer jedoch im Amt, denn dieser habe Besserung versprochen und auch seine Konkubine bereits entlassen. Das Verhängnis nahm trotzdem seinen Lauf, Petrus wurde wegen Zauberei angeklagt, verhaftet und eingekerkert. Er war vom 1. September 1629 bis zum 5. Februar 1630 auf der Burg Jünkerath inhaftiert. Die Prozessakten zum Fall Hildenbrand sind verschollen. Es sind aber Kostenaufstellungen betreffend seine Haftzeit und Hinrichtung erhalten geblieben, die sich im Landeshauptarchiv Koblenz befinden (Bestand 29A,493). Hieraus lässt sich der Hergang der Ereignisse großenteils rekonstruieren. Das weltliche Gericht durfte Geistliche weder foltern noch verurteilen. Zuvor musste das kirchliche Verfahren zur Amtsenthebung abgeschlossen sein. Da Esch seinerzeit zum Eifelde-

Burgruine Jünkerath. Hier war Herr Petrus 157 Tage lang eingekerkert

kanat des Erzbistums Köln gehörte, war hierfür der Kölner Offizial zuständig. Erst als dieser die Degradation verfügt hatte, konnte das Gericht die Befragungen unter Anwendung der Folter fortsetzen. Dazu wurde auf der Burg Jünkerath bevorzugt der „Peinstuhl" als Folterinstrument eingesetzt - ein Stuhl mit vielen spitzen Dornen auf allen Flächen. Hierauf wurden die Angeklagten gesetzt und festgebunden. Unter der entsetzlich grausamen Tortur hat Herr Petrus mehrmals gestanden und alles widerrufen, sobald er wieder von der Folter frei war. Er schwor bei Gott und allen Heiligen, unschuldig zu sein - um bei der nächsten Folterung „wiederumb bekentlich" zu werden. Der Notar Funck hat in „Eiff prothocolla" (11 Niederschriften) alles säuberlich protokolliert und Kopien der Protokolle wurden per Boten dem Generalvikar zu Köln überbracht. Nach dem „Verzeichnis Aus-gelechte Boden Lohns wegen Herrn Petrus Hildenbrand auf Cölln zu dem Herrn Vicario und Obersiegeler" wurde der Landbote während des Prozesses insgesamt sieben Mal mit Unterlagen nach Köln geschickt.

Das Ergebnis eines derartigen Gerichtsverfahrens mit durch unmenschliche Folter erzwungenen Geständnissen war fast zwangsläufig die Verurteilung und Hinrichtung des Angeklagten. So traf die Todesstrafe auch Petrus Hildenbrand. Er ist in Gönnersdorf verbrannt worden, wie der Notar Funck vermerkt.

Strangulation für 4 Reichstaler

Als eine Gnade, die nicht allen Verurteilten gewährt wurde, war er vorher erdrosselt worden. Für seine Strangulation wurden Herrn Petrus 4 Reichstaler berechnet. Der Henker war ein gut bezahlter Mann. Zum Vergleich erhielt der Bote Merths, der Prozessunterlagen zum 90 km entfernten Generalvikariat in Köln brachte, lediglich 1 Reichstaler (3 Gulden und 6 Albus). Die Beschuldigten mussten alle Kosten des Prozesses tragen. So wurden dem Vermögen des Herrn Petrus die gesamten mit seiner Haft und dem Prozess zusammenhängenden Kosten und Auslagen in Rechnung gestellt - für Richter, Schöffen, Notar, Kost und Trank, Anfertigen der Verhör-Protokolle samt Kopien, Botenlöhne, sogar Kosten für die Kerzenbeleuchtung wurden nicht vergessen. Für die 157 Tage

Das Afelskreuz zu Esch

seiner Einkerkerung wurden „vor Kost undt Dranck" je 1/2 Reichstaler (Rtlr), somit 78

1/2 Rtlr angerechnet. Für die „Cölnischen Commißarien", die „wiederumb mit dreyen Knechten und fünff Pferden" angekommen waren, schlugen höhere Kosten zu Buche. Für die Commissarien „darunder des Freyhern Standts Personen" fielen 1

1/2 Rtlr und für einen Knecht 1 Rtlr „die Mahlzeith gerechnet" an. Der Verzehr an Wein war bemerkenswert hoch. Selbst die Kosten für die „zweyen Scharffrichtern" wurden ihm angelastet.

Am Schluss einer Kostenaufstellung ist nachgetragen: „Noch ein beht darauff er geschlafen, Gantz verfaulet ... 9 Reichsthaler". Ein verfaultes Bett in einem eisig kalten Verlies zur Winterzeit - alleine schon die Unterbringung des an Körper und Seele zerschundenen Pfarrers war grauenvoll. Die Beträge der Kostenaufstellungen sind in sieben verschiedenen Münzsorten aufgeführt: Reichstaler, Kopfstück, Königstaler, Albus, Heller, Gulden, Goldgulden. Keine der Münzsorten steht in einem dezimalen Wertzusammenhang mit einer anderen, so musste seinerzeit die Endsumme durch umständliches Umrechnen gebildet werden. Der Erzbischof von Köln war schon vor dem Ende des Prozesses von der Schuld des Pfarrers Petrus überzeugt, denn bereits im Jahre 1629 beauftragte er einen Jesuiten, Personen, die der unwürdige Pastor getauft hatte, noch einmal bedingungsweise zu taufen.

Zwei Berichte über Zauberei an den Grafen

Von dem 1604 verstorbenen Grafen Hermann von Manderscheid-Blankenheim war örtlichen Amtsträgern und Pfarrern für den Bereich seiner Grafschaft anbefohlen worden, über zauberische Vorfälle zu berichten. Als damaliger Pfarrer von Alendorf kam Petrus Hildenbrand diesem Auftrag in zwei aktenkundigen Fällen nach (Landeshauptarchiv, Bestand 29A,490): Am 14. Juli 1610 berichtet er an den Grafen Arnold über

die dem Thonis Scheffer zu Waldorf auf unerklärliche Weise binnen kurzer Zeit verendeten sechs Ferkel. „Wolgeborner Grave, gnediger Herr, was E.G. gnedigst anbefohlen zu erkundigen, wie es mit den sechs ferckeln zu Waltorff (Waldorf) zugangen, fuigen ich E.G. gehorsam zu wißen...". Am 28. August 1613 folgte ein weiterer Bericht an den Grafen betreffs einer an der Schultheißen Peters Tochter verübten Zauberei. Sie war im Garten auf ihre linke Seite gefallen, hatte aber später im rechten Bein, darauf sie nicht gefallen war, so große Schmerzen, dass sie „überlaut geschrien und nit anders gement das bein muiß entspringen und verhitzen." Sie fühlte die Schmerzen von einem Ort zum anderen zwischen Haut und Fleisch laufen. Für sie ein klarer Fall, da „erfindtlich doch nichts mehr dan faulert Zauberey" vorlag. Für die mutmaßlich verübte Zauberei kamen zwei Frauen aus Feusdorf in Betracht, die von der Tochter des Schultheißen benannt und in dem Bericht des Pfarrers Hildenbrand an den Grafen namentlich enthalten sind. Eine Anklage gegen die beiden Frauen ist nicht überliefert. Ob der unglückliche Pastor an Hexen und Zaubererei glaubte, als er selber noch nicht betroffen war?

Ein Jahr nach seiner Hinrichtung erschien (1631) die Schrift „Cautio Criminalis" des deutschen Jesuiten Friedrich von Spee, welche die Hexenverfolgungen scharf kritisierte und zu einem Umdenken beitrug. Er hatte seine Schrift vorsichtshalber anonym herausgegeben,

wohl wissend, wie gefährlich jede Kritik und Einmischung sein konnte. Zu seiner Zeit hatte der Hexenwahn einen Höhepunkt erreicht. Die verbreitete Annahme, Hexenprozesse gehörten zum dunklen Mittelalter, ist unzutreffend, denn den Verfolgungen fielen die meisten hingerichteten Hexen und Zauberer nicht im Mittelalter, sondern in der Frühen Neuzeit zum Opfer.

Sein Schrank gibt noch Zeugnis von Herrn Petrus

Von Petrus Hildenbrand zeugt noch ein mit kunstvollen Schnitzereien verzierter Eichenschrank, den er für die Sakristei seiner Kirche zu Esch zur Aufbewahrung der Messgewänder hatte anfertigen lassen. Dieser Schrank mitsamt den darauf befindlichen Inschriften war in alten Schriften überliefert, sein Verbleib aber unbekannt. Der Schrank sei wegen Altersschwäche zerfallen und dann vernichtet worden - ein historischer Beleg also unwiederbringlich verloren. Die Freude des Verfassers war daher groß, als er diesen wunderschönen, handgefertigten Eichenschrank im Heimatmuseum zu Mayen ausfindig machte. Dorthin war er 1923 - stolze 300 Jahre alt - aus der Sakristei von Esch verbracht worden. Die Inschriften belegen die Anschaffung durch den unglücklichen Pastor:

PETRUS HILDENBRAND

DE MURRELBACH
ME FIERI FECIT 1623

VON GUNNER PER MATTI : BEVINGEN .\.

STORFF :

Das bedeutet:

PETRUS HILDENBRAND AUS MÜRLENBACH

LIEß MICH ANFERTIGEN 1623

DURCH MATTI BEVINGEN VON GÖNNERSDORF

Der fromme Hilger Hildenbrand folgte seinem Bruder Petrus als Pfarrer von Esch. Nach der mündlichen Überlieferung war er es, der um 1630 auf einer Anhöhe nahe des Ortes, rechts der Straße nach Jünkerath, das Afelskreuz (Ablaßkreuz) errichten ließ. In ihrem Heimatort Mürlenbach - seinerzeit Murrelbach genannt - war die Existenz der beiden Priester vergessen. In Esch und Umgebung ist der Fall des hingerichteten Herrn Petrus dagegen in leicht unterschiedlichen Legenden überliefert und bis heute sehr lebendig.

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