Die „Burg Mirbach"

Ein vergessenes Bauwerk der späten „Burgen-Romantik" im Kontext seiner Entstehung

Dr. Michael Losse, Marburg Vorbemerkung

Bereits vor vielen Jahren berichtete Herbert Wagner im Heimatjahrbuch des Kreises Daun über die „Burg Mirbach", doch bietet deren aktueller Zustand akuter Substanzgefährdung den Anlaß, dieses interessante Baudenkmal erneut zu thematisieren. Das Objekt gehört als eines der spätesten Beispiele in Deutschland zu den Kunstruinen, einer Architekturform, die besonders in Landschaftsparks des 18./19. Jh., den sog. Englischen Gärten, anzutreffen ist. Doch wurde die „Burg Mirbach" noch nicht abschließend im Kontext gewürdigt. Insofern sei hier vorab die Epoche der Burgen-Romantik und -Rezeption charakterisiert.

Burgenromantik und -rezeption im Rheinland und in der Eifel im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Zur Vorgeschichte: Verfall und Zerstörungen von Burgen und Schlössern in der Frühen Neuzeit

Zahlreiche Zerstörungen von Burgen - wie allgemein von Adelssitzen und Wehrbauten - in unserer Region verursachten die Kriege der Frühen Neuzeit, darunter der 30-jährige Krieg 1618-48. Eine Zerstörungswelle bis dahin unbekannten Ausmaßes brachten der Eifel sowie weiten Teilen des linksrheinischen Gebietes dann im letzten Drittel des 17. Jh. die vom französischen König Ludwig XIV. ausgelösten Kriegszüge; sie hatten flächendeckende Zerstörungen von Burgen, Schlössern, Städten und Dörfern zur Folge und verursachten viel menschliches Leid. Unter dem seit 1624 als leitender Minister Frankreichs amtierenden Kardinal Richelieu war der Erwerb des Rheinlandes ein Ziel französischer Politik. Infolge des Westfälischen Friedens zum Ende des 30-jährigen Krieges war es 1648 zu ersten

Gebietserwerbungen im Elsaß gekommen. Ludwig XIV. besetzte dann im Rahmen der sog. „Reunionspolitik" linksrheinisches Gebiet, darunter die Eifel: Nach Zerstörungen in den 1670er Jahren kam es während der „Reunions-kriege" 1688/89 durch die französische „Ent-festigungspolitik" zur Schaffung eines weiten Wüstungsgürtels um die damals französischen Festungen Luxemburg und Montroyal/Mosel.1 Die meisten Burgen und viele Orte in der Eifel und anderen besetzten Gebieten wurden systematisch von französischen Truppen zerstört. Bei der systematischen Zerstörung so vieler militärisch eigentlich unbedeutender Burgen in der Eifel und anderswo ist festzustellen, dass Burgen noch gegen Ende des 17. Jh. als Machtsymbole wahrgenommen wurden, denn bei Zerstörungen von Burgen ist zu unterscheiden zwischen der Zerstörung realer militärischer Potentiale/Wehrbauten und der Zerstörung von Machtsymbolen: Im Falle der Zerstörungen von Burgen durch Frankreich wurde deutlich, dass sowohl das militärische Potential als auch die Identität der deutschen Gegner getroffen werden sollten, indem man sogar unbrauchbare mittelalterliche Befestigungen gezielt zerstörte. Ein Beispiel für das planmäßige Zerstören der französischen Truppen aus dem Kreisgebiet bietet das Vorgehen in Hillesheim: Am 29. August 1689 rückten sie unter der Führung des Herzogs Louis Francois de Bouffiers (16441711) vor die Stadt, die niedergebrannt wurde, nachdem die Franzosen zuvor Tore und Türme der Stadtbefestigung gesprengt hatten. Auch andere in diesem Land gelegene Kellereien und kurfürstliche Schlösser, als da ist Kerpen, Schönecken, Schönburg, Daun, Kochem, Ulmen, Mayen, Wittlich, Monreal bei Mayen, Manderscheid und viele andere mehr wurden zerstört, worauf die Franzosen hinwegzogen.2

Mit dem 1697 geschlossenen Frieden von Rijs-wijk büßten die Trierer Erzbischöfe als zuvor bedeutendste Landesherren im Eifel-Mosel-Gebiet Teile ihrer Eigenständigkeit ein. Weitere französische Übergriffe auf das Eifel-Mosel-Gebiet brachten bald schon der Spanische Erbfolgekrieg (1701-14) und der Polnische Erbfolgekrieg (1733-35). Frankreich konnte 1735/66 das Herzogtum Lothringen erwerben. Mit Ausnahme einiger kleiner Gebiete war das Mittelrheingebiet Ende des 18. Jh. aber noch Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation; es war durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Kurfürsten-, Herzog-und Fürstentümern, Grafschaften, reichsritter-schaftlichen Herrschaften, Reichsstädten sowie Abteien und Stiften jedoch kein einheitliches Gebilde.

Und wieder waren es Franzosen, diesmal nicht königliche Soldaten, sondern französische Revolutionstruppen, die um die Wende vom 18. zum 19. Jh. für die Zerstörung von Burgen und Schlössern in der Eifel verantwortlich waren: 1792 wurde das linksrheinische Gebiet infolge der Französischen Revolution erneut von Frankreich besetzt, und 1798 kam das Gebiet durch die französische Verwaltungsorganisation zum Rhein-Mosel-Departement. Mit dem Frieden von Luneville (9.2.1801) erfolgte die erzwungene Abtretung des linksrheinischen Gebietes an Frankreich. Die französische Besatzungsverwaltung beschlag-

nahmte kirchlichen und adeligen Besitz, und der Reichsdeputationshauptschluss (25.2.1803) beseitigte schließlich die geistlichen Fürstentümer und brachte vielen deutschen Adeligen als Entschädigung für ihren verlorenen Besitz links des Rheines neuen Grundbesitz im rechtsrheinischen Gebiet. Viele Burgen, Schlösser und Klöster wurden von Frankreich beschlagnahmt, zu Nationaleigentum erklärt, auf Abbruch versteigert und anschließend abgerissen, um das Baumaterial wiederzu-verwenden. Geschäftsleute und Unternehmer machten mit dem so gewonnenen Baumaterial guten Gewinn (z.B. Aremberg; Mayen). Zu den Burgen und Schlössern, die dieses Schicksal erlitten gehörten u.a. Haus Heyer bei Borler (versteigert um 1803, in den 1830er Jahren abgebrochen), die Bertradaburg in Mürlenbach (1804 zum Nationaleigentum erklärt und am 5.4. verkauft), die Burg Schönecken (1804 auf Abbruch verkauft), und die Burg Dreimühlen bei Ahütte (1807 versteigert). Unternehmer, die Burgen während der französischen Besatzungszeit oder später im 19. Jh. aufkauften, ließen diese oft in Teilen abbrechen, um sie für eine neue Nutzung herzurichten. Fabriken, Manufakturen, Werkstätten oder Brauereien wurden in solchen Burgen eingerichtet. Von der damals offenbar schon dem Brauereibesitzer Kersten gehörigen Bertrada-burg in Mürlenbach ist bekannt, dass in den 1870er Jahren eine Straße zur Burg angelegt

und dazu der im 16. Jh. zum Rondell umgebaute Schalenturm an der Westseite gesprengt wurde, um das Tal an seinem Fuß mit dem Abbruchmaterial aufzufüllen. D.h. während des 19. Jh., und teils schon zuvor, beseitigte man Befestigungen von Burgen oft aus Gründen der besseren Zugänglichkeit; Gräben wurden verfüllt (Densborn; Gerolstein: Burg Gerhardstein), Türme und Ringmauern abgebrochen. Die Befreiungskriege 1813-15 brachten das Ende der französischen Besatzung. Am 5.4.1815 verkündete König Friedrich Wilhelm III. von Preußen die Inbesitznahme des Rheinlandes, welches 1830 zur preußischen Rheinprovinz wurde. Außenpolitische Konflikte um das Rheinland gab es im 19. Jh. wiederholt (z.B. um 1830, nach 1840). Preußen versuchte, französischen Ansprüchen und Autonomiebestrebungen der Rheinländer die Idee von der Zugehörigkeit des Rheinlandes zum erstrebten Deutschen Reich entgegenzuhalten. Der durch Preußen vollendete Bau des Kölner Domes und von Angehörigen des preußischen Königshaus initiierte Neuaufbauten rheinischer Burgen waren augenfällige Symbole dieser Politik. Da 1688/89 die meisten Burgen am Mittelrhein und in der Eifel von Franzosen zerstört worden waren, gab man sich im 19. Jh. unter Verweis auf deren Raub- und Zerstörungszüge mit dem Erwerb und Ausbau einer Burgruine demonstrativ national. Und immer mehr Menschen interessierten sich nun für die lange Zeit vernachlässigten mittelalterlichen Burgen.

Der Beginn der Burgen-Romantik

Nach den französischen Zerstörungen des 17.

bis frühen 19. Jh. blieben die meisten Burgen Ruinen; viele nutzte die umwohnende Bevölkerung zur Gewinnung von Baumaterial als Steinbrüche! Erst gegen Ende des 18. Jh. und im 19. Jh. fanden diese mittelalterlichen Baudenkmäler infolge der Romantik wieder Interesse. Romantiker, Künstler und Literaten suchten die Burgen auf. Im Kontext der RheinRomantik entdeckten Künstler und Gelehrte die Mosel und bald auch die Eifel mit ihren Burgen.

Jean Nicolas Ponsart (1788-1870) aus Mal-medy widmete seine 1831 in Paris erschienene Folge von Steindrucken mit Darstellungen von Eifelburgen dem preußischen Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm (IV.). Acht Lithographien zu „Souvernirs de l'Eyfel et des Bords de l'Ahr" erschienen 1831 in Paris, und die Lithographie-Folgen „Vallee de l'Ahr" und „Prusse rhenane" in Brüssel 1838 und 1845. Ponsart schuf u.a. Lithographien von Gerolstein und der Kasselburg (beide 1834). Der Landschaftsmaler und -zeichner Theodor Verhas (1811-1872), der Deutschland, Frankreich, die Niederlande und England bereiste, schuf Stahlstiche von Gerolstein und Daun (1838/40), jeweils unter besonderer Betonung der dortigen Burgen.

Besonders intensiv beschäftigte sich der Historien- und Landschaftsmaler/-zeichner Carl Friedrich Lessing (1808-1880) mit der Vulkan-eifel: Insgesamt sechsmal reiste der Künstler in die Eifel (1827, ,29, ,31, ,32, ,71, ,72), um dort Landschafts-, Fels- oder Architekturstudien anzufertigen. Nach früheren Aufenthalten an der Ahr, kam Lessing im Rahmen seiner Reise 1832 auch in die Vulkaneifel3, wo er viele Zeichnungen rund um Gerolstein fertigte. Anschließend suchte er Daun, einige der Maare und das Gebiet um Manderscheid auf. Leider galt Lessings Interesse hier weniger als anderswo auch Burgen (z.B. Altenahr: Burg Are), als vielmehr der Landschaft. Eine ausführliche Studienreise trat 1868 der junge englische Landschaftsmaler Edward Theodore Compton (1849-1921) an; seine Wanderung führte ihn vom Rhein über den Hunsrück und das Moseltal in die Eifel. Er hinterließ ein Skizzenalbum von dieser Reise, das heute fast vollständig in der Graphischen

Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln aufbewahrt wird. Compton schuf in der Vulkaneifel Skizzen mehrerer Burgen, darunter die Kasselburg, die Manderscheider Burgen, aber auch der markanten Felsformationen rund um Gerolstein.

Die Rheinlandschaft - und damit Teile der Eifel - mit ihren Burgen wurde zur Zeit der preußischen Inbesitznahme der Rheinlande ein Hauptthema der Landschaftsmalerei. Nach dem siegreichen Ende der Befreiungskriege gegen Frankreich war das Mittelrheingebiet 1815 an Preußen gelangt. Innerhalb von ca. 25 Jahren erwarben der spätere König (ab 1840) Friedrich Wilhelm IV. und andere Mitglieder des preußischen Königshauses viele rheinische Burgen. Im Zuge der rheinischen Kulturpolitik Preußens wurden gezielt Burgen-„Wiederherstellungen" betrieben. Initialbauten waren die Neuaufbauten der Burgen Rheinstein (1825-29), Stolzenfels (1836-42) und Sooneck (ab 1842). Während an Rhein und Mosel viele Bürgerliche dem adeligen Vorbild folgten und von Frankreich zerstörte Burgen neu aufbauen liessen, sind solche Beispiele in

der wirtschaftlich damals eher „unterentwickelten" Eifel vergleichsweise selten; in der Vulkaneifel fehlen sie weitgehend.4 Lediglich die Burg Kerpen als Wohnsitz des Eifelmalers Fritz v. Wille (1860-1941) gehört am Rande in diesen großen Kontext.

Burg- und schlossrezipierenden Bauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Den Burg-„Wiederaufbauten" folgten im Rheinland und anderswo ab Mitte des 19. Jh. vielerorts „Burg"-Neubauten, d.h. es entstanden Neubauten in Burgformen oder unter Verwendung von Elementen und Motiven aus dem mittelalterlichen Burgenbau - und seit dem Ende des 19. Jh. auch zunehmend aus dem frühneuzeitlichen Schlossbau. Die Verwendung von Burg-/Schlossformen bzw. -elementen hatte primär den Grund, ein Bauwerk aufzuwerten, ihm Symbolwert zu verleihen. Der Eindruck von „Wehrhaftigkeit" und damit von herrschaftlichem Status wurde erzielt durch eine „Einkleidung" des Bauwerks in Formen „aus der Zeit des Burgenbaues", d.h. durch Rückgriffe auf Stilelemente der

Romanik und Gotik. Burg-Villen machten den größten Teil solcher „bürgerlicher Burgen" aus. Mit Türmen, Zinnen und Erkern veranschaulichen sie das Klischeebild des 19. Jh. von „der" mittelalterlichen Burg. Gleiches gilt für Hotels und Gasthäuser, in denen sich der Gast als „König" fühlen sollte, aber ebenso für viele Industrie- und Gewerbebauten, Bahnhöfe (z.B: Gerolstein, Bahnhof an der 1870/71 eröffneten Eisenbahnstrecke von der Mosel durch die Eifel; mit Turm und Zinnen) und anderen Eisenbahnbauten, wie Tunnelportalen (z.B. Kyllburg; mit Türmchen und Zinnen) sowie vielen weiteren Bauaufgaben. Gegen Ende des 19. Jh. wurden zunehmend auch Renaissance- und Barockschlösser gesuchte Vorbilder für die Architektur der eigenen Zeit, um damit politische Ansprüche historisch zu legitimieren, wie im Falle des Kreishauses (Landratsamt) in Wittlich, das 1911-13 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg als schlossartige Dreiflügelanlage nach Vorbildern aus dem barocken Schlossbau entstand. Man könnte es als „Ersatzbau" für das 1794, während der französischen Besatzungszeit zerstörten Wittlicher Schlosses Philippsfreude interpretieren. Im Kreis Vulkaneifel fehlen auch solche Großbauten.

In der Übernahme adeliger Architektur zeigte das Großbürgertum seinen Reichtum und Anspruch auf politischen Einfluß. Noch nach dem Ende der Monarchie 1918 blieb die Burg als Motiv ein wichtiger Bedeutungsträger: Weiter wurden Burgen ausgebaut. Viele Burgen dienten ab den 20er Jahren als Jugendher-

bergen, sie wurden zu „Jugendburgen" (z.B. Blankenheim). Und noch noch weit bis ins 20. Jh. hinein waren Burgen prägend für großbürgerliche Wohnsitze, immer noch diente (und dient) die Verwendung des Turmes als Motiv der Aufwertung eines Gebäudes und seines Bauherrn.

Die im 19. Jh. geforderte Besinnung auf die regionale und die „große nationale Geschichte" führte nicht allein zur Vereinnahmung von Burgen als „Handlungsorten" der als vorbildlich dargestellten historischen Persönlichkeiten. Die Landschaft, in der jene Zeugen der Vergangenheit zu finden sind, erfuhr eine Aufwertung. Dem Blick in die „historische Landschaft" kam insofern eine große Bedeutung zu, und damit den Aussichtstürmen. Zahlreiche Bergfriede mittelalterlicher Burgen wurden im

19. Jh. als Aussichtstürme erschlossen und dazu nicht selten ebenerdige Eingänge in zuvor nur durch Hocheingänge zugängliche Bauten gebrochen. Durch ihre namentliche Widmung an eine historische Persönlichkeit oder den Kaiser wurden Aussichts-türme im 19./frühen

20. Jh. oft zu Denkmälern, wie der KaiserWilhelm-Turm (1908/09) auf der Hohen Acht, dem höchsten Eifel-Berg. Im Kreis Vulkaneifel bietet der Dronke-Turm auf dem Mäuseberg bei Daun in gutes Beispiel eines solchen als Denkmal erbauten Aussichtsturmes: Der von Kreisbaumeister Krahe (Gerolstein) entworfene Rundturm mit seinem sechseckigen Unterge-schoss und dem „trutzigen", im Verständnis der Entstehungszeit Burgmauern assoziierenden Polygonalmauerwerk aus Eifelbasalt wurde dem ersten Vorsitzenden des 1888

gegründeten Eifelvereins, dem Trierer Gymnasialprofessor Dr. Adolf Dronke (1837-98) gewidmet. Über dem Turmportal erinnert eine Gedenktafel an ihn: Seinem Begründer, dem Eifelvater Adolf Dronke. Der dankbare Eifel-verein, Anno 1902.

Burg Mirbach

Mirbach liegt im Tal des Mirbaches an der nördlichen Grenze von Rheinland-Pfalz zu Nordrhein-Westfalen zwischen den Dörfern Wiesbaum und (Blankenheim-)Dollendorf (NRW). Auf der sog. „Burgwiese", einer kleinen Anhöhe südwestlich des Ortskerns, steht die „Burg Mirbach".5

Die Herren v. Mirbach waren ein um 1200 bis Ende des 14. Jh. in Mirbach und im benachbarten Wiesbaum ansässiges Adelsgeschlecht, das später über Streubesitz u.a. in der Nord-eifel und an der Ahr sowie über Zölle und Zehntrechte an der Mosel verfügte. Sie traten im Mittelalter als Lehnsleute der Grafen v. Are, der Grafen und späteren Herzöge v. Jülich (ab etwa 1250), der Grafen v. (Manderscheid-) Blankenheim sowie der Erzbischöfe von Köln und Trier in Erscheinung. Im Zuge einer Besitzteilung gegen Mitte des 15. Jh. entstanden zwei Hauptlinien, die um 1500 weitere Aufspaltungen erfuhren. Aus einer späteren preußischen Linie stammte Ernst Freiherr v. Mirbach (1844-1925), auf den zurückzukommen sein wird. In Mirbach und Wiesbaum verfügte die Familie über mehrere Höfe, die sie als Lehenbesitz innehatte: In Mirbach waren das der Obere Hof (Simonshof) und der Untere Hof (Clusenhof). Beide Höfe besaßen die v. Mirbach als Lehen der Grafen v. Are, deren Ministerialen sie waren, bzw. ab etwa 1250 als Lehen der Grafen/Herzöge v. Jülich. Beide Adelshöfe wurden 1595 zusammen mit den dazugehörigen ungefähr 230 Morgen Land von Sophia v. Nievelstein (geb. v. Mirbach-lmmendorf) veräußert und danach weiter als jülichsche Lehen an verschiedene Personen vergeben. 1717/18 gelangten sie an das Augustiner-Kloster in Hillesheim. Nach dessen Auflösung 1802 zog sie die französische Besatzungsmacht als Domäne ein und versteigerte sie 1804.

Während der Clusenhof auf einer kleinen

Anhöhe am Mirbach obendt der Clusen bis in unsere Zeit überdauerte, ist der Standort des Simonshofes nicht mehr bekannt. Dieser war zu Beginn des 17. Jh. abgebrannt und galt 1761 als verfallen und unbewohnt. Ernst v. Mirbach vermutete, er habe nahe der alten Kapelle (Caspershof oder Traudenhof) oder oberhalb des befestigten Clusenhofs (Schanzenhof) gestanden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er - so der Heimatforscher Herbert Wagner -anstelle der „Burg" stand, dort, wo v. Mirbach einen weiteren Hof, den „Burghof", annahm und von dem er behauptete, dieser sei die Burg Mirbach gewesen, die wohl schon in der Zeit des Interregnums (1250-73) oder bald danach zerstört worden sei. Tatsächlich sind aber in allen bekannten [...] Urkunden immer nur zwei Höfe erwähnt, der Obere und der Untere Hof

(ebd.).

Ernst v. Mirbach berichtet von seinen ersten Besuchen der „Burgwiese" genannten kleinen Anhöhe südwestlich des Ortskerns von Mirbach, die er zusammen mit seinem Vater 1851 oder 1852 (?) und 1854 unternahm: Mein Vater erzählte mir von der Geschichte des Landes. Daß auch unsere Vorfahren hier gewohnt hatten, erfüllte mich mit hohem Stolze, und mir schien das Ritterleben und die Burgen in romantischem Zauber verklärt. Ich betrat den geweihten Boden meiner Ahnen auf einer Wiese an alten, ein bis zwei Meter hohen und starken Mauerresten, die in weitem Halbkreise knorrige Eschen umgaben. Das war die 'Burgwiese' und die letzten Reste der Burg Mirbach. Überall träumte ich mich in das Leben meiner Vorfahren und der Ritter hinein, es erschien mir als Ideal, ein solches Leben in irgend einer Weise einmal in der Eifel fortzusetzen. Als der Freiherr 1879 erneut Mirbach besuchte, musste er feststellen, dass die Ruine inzwischen bis auf die Fundamente verschwunden war: Sie war zur Gewinnung von Baumaterial von Anwohnern ausgeschlachtet worden. Zwischen 1898 und 1902 erwarb er daher einen Teil des einstigen Stammsitzes seiner Familie einschließlich der Ruine. Zu seinen Intentionen gehörten dabei ein möglicher Wiederaufbau der „Burg" und die Restaurierung der mittelalterlichen Kapelle des Ortes. Da die Kapelle jedoch stark baufällig war, wurde sie 1902/03

durch die jetzige Erlöserkapelle im altdeutschen Style, d.h. in den Formen der Wilhelminischen Neuromanik ersetzt, die zu den bedeutendsten Sakralbauten jener Epoche in der Eifel gehört. Planender Architekt war Max Spitta aus Berlin. Die Finanzierung des Baues trugen u.a. verschiedene Linien der v. Mirbach, das Kaiserpaar und der Evangelische Kirchen-bauverein in Berlin, dessen Vorsitzender der Freiherr bis 1904 war. 2010 wurde eine mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz durchgeführte Sanierung beendet. Bis 1902 ließ Ernst v. Mirbach die „Burg" auf der „Burgwiese" als künstliche Ruine neu aufbauen; solche künstlichen Ruinen gehörten zu vielen romantischen Landschaftsparks im 19, Jh. - den sog. Englischen Gärten. Die künstliche Ruine in Mirbach dürfte zu den letzten ihrer Art gehören.

Letztlich handelte es sich bei der „Burg" Mirbach anscheinend nicht um eine Burg im eigentlichen Sinne, sondern eher um ein festes Haus. Dieses 13,10 x 9,10 m große Gebäude ging offenbar auf einen der beiden oben genannten Höfe in Mirbacher Besitz zurück. Der Freiherr ließ die Fundamente dieses Gebäudes freilegen und, so berichtet er 1903, bis zum Oktober 1902 auf einige Meter Höhe mit dem Turm aufmauern. Hierbei wurden nicht nur Steine von der alten Burg selbst, sondern auch viele Spolien verwendet. Dazu gehörten angeblich römische Ziegel (KD Daun 1928, 265); Tür- und Fenstergewände, Altarplatten, Fliesen und ein Grabstein (1619) aus der alten Mirbacher Kapelle; ein spät- bzw. nachgotisches Doppelfenstergewände aus der Burg Kerpen, das sich im Stall des Mirbacher Hofes in Kerpen fand, d.h. es wurde in Mirbach drittverwendet; Gewölberippen und Bogensteine der Burg in Hillesheim, die zuvor in einer Gartenmauer ihre Zweitverwendung gefunden hatten. Ernst v. Mirbach sah in diesem „Wiederaufbau" eine Verpflichtung für seine Familie: So steht die Burg unserer Ahnen, nicht im Traum, sondern in Wirklichkeit vor uns und wird unseren Nachkommen hoffentlich noch nach Jahrhunderten eine dauernde Anregung geben, den ehrwürdigen alten Stammsitz der Familie zu erhalten und zu pflegen (1903). Diese Hoffnung erfüllte sich nicht: Spätestens

in den 1970er Jahren war die künstliche Ruine bereits baufällig.

Eine kurze Beschreibung der „Burg" im damaligen Zustand brachte die .Kölnische Volkszeitung' am 21.8.1903; sie berichtete vom ruinenartige[n] Wiederaufbau des stammherrlichen Schlosses: Etwa zwei Minuten von der Kirche entfernt brachten die angestellten Ausgrabungen die Fundamente des [...] niedergebrannten Schlosses zu Tage. Eine dicke [.]schicht bedeckte die Grundmauern. Durch eingepflanzte Moose und übergelegte Rasenstücke - hier Waasem genannt - wird der Eindruck des Altertümlichen gehoben. Neben den in verschiedenartiger Höhe und verschiedenen Stadien des Verfalles ausgeführten offenen Teilen erhebt sich der 2V2 Stockwerke hohe Wachtturm. Er ist durch praktisch angelegte Treppen leicht zu erreichen und bietet eine schöne Fernsicht nach den Bergen der Kyll und der vulkanischen Eifel. Besonders gelungen ist die Einmauerung eines alten Grabsteines aus Rotsandstein, der den Verschluß eines Geheimganges fingiert. Die Gesamtanlage auf einem Hügel gewinnt bedeutend durch die aus alter Zeit stammende Baumanlage, welche sich ganz natürlich an der Nordwestseite, die Ruine umschließend, hinzieht. Diese „Burg" hatte der Freiherr zusammen mit der Kapelle, ganz im Sinne der Zeit, als eine Art Familiendenkmal geschaffen. Zu diesem Ensemble gehörte auch sein Sommerwohnsitz im Dorf, den er jedoch nie nutzte: 1905 war die großenteils vom Freiherrn finanzierte Schule eröffnet worden. An diese ließ er 1908/09 ein recht schlichtes Wohnhaus anbauen, das vor allem durch den neoromanischen Erker mit dem Familienwappen auffällt. Ernst v. Mirbach überließ das Haus dem Revierförster von Wiesbaum als Wohnsitz, da jener den Privatwald der Familie v. Mirbach mit betreute.

Die „Burg" Mirbach gehört - zusammen mit dem Sommersitz des Freiherrn und der Erlöserkapelle - zu den bemerkenswertesten Bauten ihrer Art in der Eifel aus Wilhelminischer Zeit. Sie steht am Ende jener Epoche, welche die Geschichte und die Kunstgeschichte mit dem Begriff „Burgenromantik" bezeichnet haben. Der Bau solcher „Burgen" sollte nicht als

„romantische Spielerei" missverstanden werden. Es handelte sich vielmehr um eine augenfällige, politisch intendierte Beschwörung der Nationalgeschichte, in deren Tradition man sich bewusst einfügte.

Zu korrigieren bleibt die in der Region bis heute zu lesende Bezeichnung „Grafen" für die v. Mirbach zu deren Mirbacher Zeit, d.h. für das Spätmittelalter; so gibt es etwa in Hillesheim eine Graf-Mirbach-Straße: deren Name bezieht sich auf Clais v. Mirbach, genannt „der Alte", der 1479 kurtrierischer Amtmann und Pfandherr in Hillesheim wurde und dort den ehemaligen Mirbachshof und das Mirbachshaus erwarb. Dieser Clais war aber kein Graf, sondern Herr v. Mirbach, d.h., er gehörte zur fünften Stufe (Edelfreie, Ministerialen) der mittelalterlichen Heerschildordnung (Wagner). Im Landrecht des Sachsenspiegels, 1. Buch, 3. Kapitel § 2, heißt es über die Heerschilde, von denen der König den ersten besitzt. Die Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen haben den zweiten, die Laienfürsten den dritten, weil sie von den Bischöfen Lehen genommen haben. Die freien Herren haben den vierten, die schöffbaren Leute und die Lehensmannen der freien Herren den fünften, ihre Lehensleute weiter den sechsten. Die späteren Grafen v. Mirbach gingen zwar auf Clais zurück - sie waren seit 1786 Grafen v. Mirbach-Kosmanos in Böhmen und in der Primogenitur seit 1877 Grafen v. Mirbach-Geldern-Egmont in Bayern - und auf seinen Bruder Heinrich „den Jungen" - hier seit 1840 ebenfalls nur in der Primogenitur Grafen v. Mirbach-Harff im Rheinland; sie hatten aber keine Beziehungen zu Hillesheim (Wagner). Ernst Otto Karl Ludwig Freiherr v. Mirbach (1844-1925), Kammerherr und Ober-truchseß Kaiser Wilhelms II., Oberhofmeister Kaiserin Auguste Viktorias, Generalleutnant ä la suite der Armee, Ritter des Johanniterordens und Dr. theol. h.c. der Universität Bonn, der Bauherr der Mirbacher „Burgruine" und der Erlöserkapelle entstammte als Nachfahre Clais des Alten dem preußischen Zweig der kurländischen Linie v. Mirbach zu Posen bei Windau, die 1620 bzw. 1634 in den Freiherrenstand erhoben worden war.

Der mittelalterliche Baubestand der „Burg Mirbach" läßt sich heute nicht mehr rekonstruie-

ren. Das rundum und im Inneren zugewachsene Gebäude ist heute stark verfallen; seine Reste sind akut einsturzgefährdet. Das Gelände rund um das Bauwerk wird als Viehweide genutzt, so dass die Ruine von der Öffentlichkeit unbemerkt ihrem endgültigen Ende entgegensieht. Ihre Existenz ist selbst den meisten Einheimischen nicht mehr bekannt.

Anmerkungen:

1 Dazu ausführlich: Fritz TEXTOR: Entfestigungen und Zerstörungen im Rheingebiet während des 17. Jahrhunderts als Mittel der französischen Rheinpolitik. Bonn 1937.

2 Nach einer Chronik des Augustiner-Klosters in Hillsheim zitiert von TEXTOR 1937, S. 237.

3 Siehe Otto BAUR/Edgar BIERENDE: Lessing als Zeichner der Vulkaneifel. In: Martina SITT (Hg.): Carl Friedrich Lessing. Romantiker und Rebell. Bremen 2000, S. 113-122.

4 Hierzu: Michael LOSSE: Der „Börsenritter" im „lauschigen Butzenscheiben-Erker". Anmerkungen zur realen und ideellen Inbesitznahme mittelalterlicher Burgen durch Bürgerliche

im Eifel-Mosel-Gebiet (1815-1918). In: Eifeljahrbuch 1996, Düren 1995, S. 16-33; Michael LOSSE: „Bürgerliche Burgen" im 19. und 20. Jahrhundert. In: Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch, hrsg. von der Deutschen Burgenvereinigung. Bd. 1, Stuttgart 1999, S. 174-176; Michael LOSSE: Unternehmerburgen in der Eifel. Motive Bürgerlicher zum Erwerb und Ausbau mittelalterlicher Burgen (1815-1926). In: Uta HASSLER/ Norbert NUßBAUM (Hg.): Ein Haus für ein Unternehmen. Thyssen und Landsberg [Tagungsband zum Workshop auf Schloß Landsberg vom 24.-25. Oktober 2002; Forschungsprojekt Fritz Thyssen Stiftung & Lehrstuhl Denkmalpflege und Bauforschung, Universität Dortmund (Prof. Uta Hassler) & Kunsthistorisches Institut, Abt. Architekturgeschichte, Universität Köln (Prof. Norbert Nußbaum). Hrsg. vom Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich & der Abteilung Architekturgeschichte des kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln]. Mainz und Zürich 2007, S. 52-67.

5 Zur „Burg Mirbach": Kölnische Volkszeitung, 21.8.1903; Michael LOSSE: Theiss Burgenführer Hohe Eifel und Ahr. Stuttgart 2003, S. 96; Ernst Freiherr von MIRBACH: Die Freiherren und Grafen von Mirbach. Berlin 1887; Ernst Freiherr von MIRBACH: Geschichte des Geschlechtes Mirbach, Teil I, Potsdam 1911; Teil II: Die Erlöserkapelle zu Mirbach in der Ei-fel. Die Burg Mirbach. Berlin 1903; Teil III: Die Urkunden und Nachrichten über das Geschlecht Mirbach. Berlin 1914-18; Christiane ROSSNER: Spurensuche in „Preussisch-Sibirien". Die Erlöserkirche in Mirbach wird restaurert. In: Monumente 7/8-2010, S. 40f; Willi STEFFENS: Heimatgeschichte, Volkskunde und Sagen unserer Heimat [Serie 1]; Heimatgeschichte, Anekdoten, Humor [Serie 2]. Beilage zur Firmenzeitschrift der Firma Slabik in den 1970er Jahren, hier Folge 2, S. 6, Folge

65 (Mirbach, Stammsitz eines alten Adelsgeschlechtes der Eifel), Folge 90 (Die von Mirbach gehörten zu den ältesten und angesehensten Geschlechtern des Eifeler Adels); Ernst WACKENRODER: Die Kunstdenkmäler des Kreises Daun (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 12, III). Düsseldorf 1928; Herbert WAGNER: Mirbach in der Eifel. Hillesheim 1979; Herbert WAGNER: Mirbach in der Eifel (Rheinische Kunststätten, 246). Neuss 1980; Werner ZENS: Geschichte des Dorfes Mirbach. Wiesbaum 1974.

-----------------------------728173928702 Content-Disposition: form-data; name="hjb2012.118.htm"; filename="" Content-Type: application/octet-stream