„Schwatz Huhner"

Maria Fritschen, Gerolstein-Hinterhausen

Wir mussten unter den äußerst strengen Anordnungen der französischen Besatzung nach dem Krieg leben. Das Grüßen der französischen Flagge gehörte dazu wie auch die Viehzählung. Diese wurde regelmäßig durchgeführt. Die Franzosen misstrauten natürlich den dafür eingesetzten Deutschen. Sie vermuteten, dass manches Huhn ungezählt am zugedrückten Auge dieser Viehzähler vorbeispazierte. Darum setzten sie eine übergeordnete deutsch-französische Kommission ein, die das

Vieh in unregelmäßigen Abständen nachzählte. Denn nach der Hühnerzahl richteten sich die Eierabgaben, die zu leisten waren, 45 Eier pro Huhn. Diese dienten der Lebensmittelversorgung der übrigen Bevölkerung. In der Hungerzeit nach dem Krieg war sehr viel körperliche Kraft erforderlich, außerdem ging man auch alle langen Wege zu Fuß. Es gab kaum mehr Maschinen, und so wurde sehr hart körperlich in der Landwirtschaft, aber auch am Wiederaufbau gearbeitet. Ein Hüh-

nerei war darum ein wertvolles, äußerst begehrtes Nahrungsmittel. Darüber hinaus diente es beim Tausch für dringend benötigte Dinge. Bei uns auf dem Land, wo die Hühner noch frei herumliefen, ergatterten sie im Sommer auf den Wiesen noch manchen Regenwurm als Zwischenmahlzeit. Darum war es relativ einfach, zwei bis drei Küken zusätzlich aufzuziehen und durchzufüttern. Das ergab dann ein paar wertvolle Eier mehr. Nur mussten diese überzähligen Hühner bei der Viehzählung erst gefangen und blitzschnell versteckt werden. Der schwarze Citroen der deutsch-französischen Kommission wurde wieder mal unterwegs zu einem Dorf gesichtet. In Windeseile sprach es sich herum. Große Aufregung herrschte in den Hühnerställen, vor allem auf den Höfen und Wiesen, wo die fleißigen Eierproduzenten scharrten und pickten. Während

der schwarze Wagen, eine lange Staubwolke hinter sich herziehend, ins Dorf einfuhr, erklangen die letzten lockenden Rufe: „Koomm, schipp schipp schipp!". Mit einer Handvoll Getreide waren die restlichen überzähligen gepackt und schwupp - in einen Sack gesteckt. Doch wohin mit dem Sack? Denn das aufgeregte Federvieh verhielt sich keineswegs ohne lautstarken Protest.

Klar, jeder Schwarzhühnerhalter hatte sein erprobtes Versteck. Was aber tun, wenn, wie dieses Mal, das Franzosenauto ausgerechnet vor dem Scheunentor hielt, wo oben auf dem Steiger der Versteckplatz hinter dem Heu vorbereitet war?

Die Bäuerin kam auf die raffinierte Idee - sie schob den Sack in den Backofen! Als die Eisentür ins Schloss fiel, legte vor Schreck ein schwarzes Huhn noch ein Ei - weiß natürlich!