Mantelabenteuer

Else Tombers, Nassau

Das Ganze begann im Krieg, als wir noch in der Unteren Marktstraße in Gerolstein wohnten. Weil ich keinen warmen Mantel hatte und meine Mutter nirgends einen getragenen auftreiben konnte, opferte sie eine ihrer feinen handgestickten Tischdecken. Im Tausch dafür erhielt sie diesen ausrangierten FlakMantel.

Als sie hoffnungsvoll ihr aus Zeitungspapier angefertigtes Schnittmuster darüber legte, sah sie erst, dass er an einige Stellen zerfetzt war. Sie musste also improvisieren. Als schließlich alle Teile zugeschnitten und zusammengereiht waren, merkte sie, wie einzelne Stoffpartien noch dunkel in der Farbe, andere dagegen von der Sonne verblasst waren.

Aber die Hauptsache war erst einmal, der Kindermantel würde mich warm halten. Als sie ihn fertig genäht hatte, zog ich ihn stolz über und Mutter schaute glücklich zu, wie ich ihn zuknöpfte und mich mit den Händen in den Taschen vor ihr herumdrehte. „Der muss erst aber noch gefärbt werden!" entschied sie. Es war für mich etwas Undefinierbares, das sie danach aus unserer „Waschbütt" zog. Stundenlang hatte er in der Farbe gelegen, war leicht erhitzt und immer wieder umgerührt worden. Ängstlich schaute ich ins Wasser, es war dunkelrot.

In dem Moment, als Mutter die „Bütt" in die „Kullang" leerte, kam ausgerechnet ein Polizist vorbei. „Was haben wir denn hier? Geschlachtet habt ihr also!"

„Nein, nein, wir haben nur etwas gefärbt." Mit dienstlicher Miene begleitete der Polizist meine Mutter ins Haus, er fand kein Schwein am Haken sondern meinen neuen rot triefenden Mantel daran. In dieser Zeit durfte ja noch niemand ohne Genehmigung schlachten.

Als mein neuer Mantel endlich getrocknet und gebügelt war, konnten wir uns nicht auf seine Farbe einigen, sie war weder schwarz noch rot, und weil ich gerne einen dunkelblauen Mantel gehabt hätte, nannten wir ihn einfach den „neuen dunkelblauen Mantel". Und ich war so froh, wieder einen warmen Mantel zu haben. Froh war ich auch, als wenige Wochen später meine Tante mich sogar zum ersten Male mit zur Wallfahrt nach Barweiler mitnahm. Das Wetter war nicht besonders gut, es sah nach Regen aus. Und hier in der Eifel sinken dann gleich die Temperaturen. Also zog ich meinen neuen dunkelblauen Mantel an.

Betend gingen wir unseren Weg. Selbst als es in Strömen goss, ging das Beten unentwegt weiter, bis meine Tante plötzlich stehen blieb und sagte: „Was hast du denn da an deinen Beinen? Schau dir bloß mal deine Schuhe an!" Mein neuer Dunkelblauer ließ ganz einfach seine Farbe wieder abfließen. Meine Beine ließen sich so schnell nicht wieder säubern, haftete die Farbe doch viel besser auf der Haut als auf dem Stoff.