Am Tag, als der Regen kam....

Unwetter am 30. April 1959 in Pelm und Umgebung

Thea Merkelbach, Pelm

Der 30. April war ein schöner warmer Frühlingstag und die Leute in Pelm bereiteten sich auf den 1. Mai vor. Man traf Vorbereitungen für den Tanz in den Mai oben auf der Kasselburg. Gegen 17 Uhr verdunkelte sich der Himmel, und ein Gewitter brach los. Ein Wolkenbruch entlud sich. Die Bäche, die in Pelm in die Kyll münden - der Hangelsbach, der Geeser und der Berlinger Bach, dazu der Henkersbach mitten im Dorf - führten im Nu so viel Wasser, dass ganz Pelm überschwemmt wurde.

Wilhelm Creischer von der Pintenmühle erinnert sich an diesen Abend: „Ich war mit dem Hausschlächter Endres beim Fleischbeschauer in Niedereich, als sich am Himmel alles zusammenbraute. Blitze zuckten in Niedereich aus einem Telefon. Wir sind sofort aufgebrochen, und unterwegs blieb der Wagen stehen, weil Wasser im Motorraum war. Als ich endlich in der Pintenmühle ankam, bin ich sofort zum Dynamo - wir haben damals noch Strom produziert - und habe mit einem Eisen den Treibriemen abgesprengt, um Schlimmeres zu verhindern. Vom Vollmüller oberhalb kam ein nagelneues Jauchefass angeschwommen, ein Ackerwagen gleich hinterher!" Toni Pfeiffer, der gerade in der Wirtschaft Eisenborn saß, erinnert sich, dass Theos Frau rief: „Loh kemmt et Waaßer!" Er rannte hinaus, um zu sehen, was passiert war. „Die Dorfstraße runter kam eine Sau schreiend angeschwommen. Der Böffgen Hanni stand breitbeinig im Wasser und schnappte alles auf, was angeschwommen kam: Töpfe, Pfannen, Kisten, Einmachgläser, Kleidungsstücke." Wie das passiert war, kann Marianne Lenzen, geborene Böffgen, erklären: „Unsere Nachbarn, die Blätters, hatten ,Klooterholz' aufgestapelt, das vom reißenden Henkersbach mitgerissen wurde. Die Holzstücke verkeilten sich gegen unsere Hauswand, hinter der sich unsere Küche befand. Die Wand gab unter dem Druck nach. Meine Schwägerin war kurz vorher mit dem Bus von der Arbeit gekommen und hatte ihre Handtasche mit dem Lohn, es war ja Monatsende, in der Küche abgestellt.

Monatsende, in der Küche abgestellt. Wir saßen gemeinsam in der guten Stube, als das Krachen und Rauschen uns aufschreckte. Das Wasser drückte gegen die Stubentür, so dass mein Vater diese aufschlagen musste, damit wir raus konnten. Es war eine schöne alte Kassettentür, schade drum! Aber es ging ja um Sekunden! In der Küche wurde alles weggerissen, im Keller ebenfalls. Alles schwamm weg: die Handtasche mit dem Monatslohn, meine nagelneuen Schuhe, ein Paket von Quelle für meine Schwester mit Sachen für ihre Zwillinge. So schnell wir konnten, schleppten wir Hausrat und Gegenstände nach oben. Mein Onkel, der Eisacken Hanni, stand draußen und schnappte alles auf, was er zu fassen bekam, auch die Handtasche mit dem Geld. Als das Wasser abgeflossen, war, bedeckte eine Schlammschicht alle Sachen: Mutters Nähmaschine, alle Kleidungsstücke, ebenso die neue Couchgarnitur, den frisch gebohnerte Holzboden. Auf einmal schrie mein ,Vatter': ,Die Päärd! Die Päärd!' Mein Bruder und der Eichhorn Dieter sind Richtung Gerolstein über die Eselsbrücke, um irgendwie zum Pferdestall in der Nähe vom Sportplatz zu kommen. Der normale Weg über die Bahnhofstraße war nicht begehbar; in die Straße hatte das Wasser ein großes Loch gerissen. Da kam niemand durch." Frau Lenzen erlebt beim Erzählen die ganze Dramatik noch einmal: „Wir hatten plötzlich nichts mehr! Clemens Lenchen aus der Bäckerei hat die ganze Woche für uns gekocht. Frau Marschall, Erichs Mutter, hat für uns tagelang gewaschen, weil alles verdreckt war. Eine Nachbarin hat die Geldscheine aus der durchnässten Lohntüte an der Wäscheleine getrocknet. Wir hatten soviel Hilfe von den Nachbarn! Toni Pfeiffer hat unsere Polstermöbel neu aufgearbeitet und Mutters Nähmaschine wieder funktionsfähig gemacht. Der Schmitz Ernst und seine Frau haben geholfen, wo sie konnten. Eberhards Toni hat die Mauer wieder errichtet. Später bei Baggerarbeiten ist einer meiner neuen Schuhe wieder aufgetaucht. Schade, dass der zweite verschwunden blieb, sonst hätte ich sie wieder anziehen können."

Elisabeth Meyer vom Daasberg erzählt: „Ich war gerade bei ,Maisch' (Clemens), als das Wasser kam. Im Nu schwammen die Hühnerställe im Hof herum. Weil das Wasser sich gegen das große Tor stemmte, hat Willi Eis das Tor von außen zerschlagen. Wir wären nicht mehr rausgekommen!"

Karl Stritze berichtet: „Ein Vertreter von Jakobs Kaffee saß mit der Freundin aus Pelm zu einem Schäferstündchen in seinem kleinen Bus. Er hatte zwei Zentner Kaffee geladen. Das Auto schwamm einfach weg! Das haben wir dann am Haus Stritzke festgebunden. Auch ein Loyd PKW kam angeschwommen und blieb gegen über an der Tür hängen.

Vom Kreuz (Kriegergedenktafel) bis zur Bahnhofsbrücke war damals noch alles gepflastert. Die Steine wurden vom Wasser rausgerissen, so dass ein großes Loch entstand. Wir hatten etwa 4 m hoch das Holz am Haus gestapelt - danach war alles weg!" Auch Erich Nöll erinnert sich noch gut an diese Katastrophe: „ Hier in der Bahnhofstraße haben wir vier Sonntage nur den Dreck weggeschafft, werktags gingen wir ja arbeiten. Die nächsten vier Jahre mussten alle im Dorf helfen, die Schäden zu beseitigen. Es wurde immer ausgeschellt, wenn Arbeit anstand."

Köllisch Jupp weiß noch, dass beim Bauer Eisenborn die Stalltüre vom Wasser aufgedrückt wurde und ein Schwein heraus geschwommen kam. Er berichtet auch vom Auto des Kaffeevertreters aus Gerolstein, der im schwimmenden Auto um Hilfe geschrieen hatte.

Alle Zuschauer fragten sich, ob er mehr aus Angst um die Freundin, um den Kaffee oder um das Auto um Rettung gerufen hatte.

Etwa zehn Jahre später wurde die Holzbrücke, die zu den Gärten zwischen Kyll und Bahnlinie führte, durch Kyll-Hochwasser weggerissen. Der Rockeskyller Sprudel und der Schlossbrunnen in Pelm hatten immer wieder große Probleme mit Hochwasser.

Als vor dem Krieg die Westwallarbeiter von der Organisation Todt unter einem Bogen der Pelmer Bahnhofsbrücke und nebenan im .Brühl' ihre Lager bauten, wurden sie von den Dorfbewohnern vor Überschwemmung gewarnt. Der Leiter des Bautrupps konnte darüber nur lachen. „Den kleinen Bach leite ich noch durch mein Hosenbein", meinte er großspurig. „Dem ist das Lachen vergangen", erzählt Erich Nöll. „Bei einem Gewitterregen schwoll die Kyll an und überschwemmte alles. Die Baracken standen bis unter die Fenster im Wasser. Die Dörfler amüsierten sich, als die Westwallarbeiter auch nicht zur Toilette konnten. Man sah dann die blanken Hinterteile aus den Barackenfenstern ihre Geschäfte erledigen - mit natürlicher Wasserspülung. Die Pioniere aus Bitburg kamen mit Sturmbooten zur Rettung der Mannschaft.