Der verlorene Bach

Mario Kaufmann, Maria Martental

In der Mirbacher Schulchronik fand ich einen kleinen Zeitungsausschnitt, leider ohne Datum oder Angabe der Zeitung, der über ein seit alter Zeit beobachtetes geologisches Phänomen berichtet. Der Ort Mirbach liegt in einer Höhe von ca. 450 m an der Nordgrenze von Rheinland-Pfalz. Der Ortsname leitet sich vom Mirbach her, der vom Senkenbuschrücken (Wiesbaumer Sattel) kommend mit geringem Gefälle durch den Ort fließt. Er macht dabei einen weiten Bogen von Süden nach Westen zu Füßen der beiden höchsten Erhebungen dem „Eusberg" (Oesberg) 505 m und „Auf Seckerath" 504 m und versickert schon unterhalb der Ortsgrenze. Nur bei Hochwasser, nach starkem Regen oder Schneeschmelze füllt er seinen naturbelassenen Bachlauf und mündet schließlich in den Lampertsbach, einem Zufluss der Ahr. Vielfach haben wir in der Kinderzeit am leider größten Teils mit Betonschalen begradigten Bach gespielt und sind dabei auch schon einmal „pitschnass" geworden.

Ich erinnere mich gut daran, dass wir im Frühjahr beim Sonntagsspaziergang ins Mirbachertal immer wieder neue Absenkungen beobachtet haben, die den Bach mit einem unheimlichen Sog verschlungen haben. Durchschnittlich haben diese gefräßigen Löcher einen Durchmesser von 4-7 Metern, kennzeichnend ist die fast runde Absenkung, die das umliegende Erdreich und die Befestigung des Bachbettes verschluckte und durch eine kleine Öffnung das Wasser aufnimmt. Die Schlucklöcher bleiben allerdings nie lange offen, weil angeschwemmtes Treibgut und Erde sie allmählich wieder verdichten. Der Bach setzt dann seinen normalen Lauf wieder fort, bis sich an einer anderen Stelle einer neuer Trichter in die Unterwelt öffnet. Unterhalb des Ortes werden regelmäßig auch einige Wiesen bei Hochwasser unsichtbar unterspült. Unter der Last der Traktoren brachen diese Hohlräume oftmals ein, so dass das Fahrzeug mit einem Reifen plötzlich festsaß und von einem anderen Fahrzeug herausgezogen werden musste. Die Absenkungen werden allerdings immer nur unterhalb des Ortes beobachtet und nie auf der Strecke des oberen Bachlaufs bis zum Quellgebiet. Die Alten des Dorfes erzählen davon, dass man schon versucht habe, die Stelle zu finden, an der das Wasser wieder nach oben kommt. Dazu habe man Getreidespreu in den Bach geschüttert, die später unten im Tal des Lampertsbaches wieder auf dem Wasser schwamm. Wer jedoch heute nach einem sprudelnden Quelltopf sucht, der das Wasser wieder an die Oberfläche freigibt, wird enttäuscht werden. Auch das Bachbett des Lampertsbaches steht oft in vielen Stellen trocken und nimmt einen unterirdischen Verlauf. An einer tieferen Stelle des unteren Bachlaufes entdeckt man zunächst ein stehendes Gewässer, dass einige Meter weiter langsam zu fließen beginnt. Im letzten Kilometer vor der Mündung in die Ahr ist dann der rauschende Bach wieder ganz an der Oberfläche angekommen. Im folgenden wird der Text des Zeitungsausschnittes wiedergegeben.

Der verlorene Bach.

Das Dörfchen Mirbach, Kreis Daun, ist bekannt durch seine Erlöserkapelle. Aber auch noch eine andere Merkwürdigkeit zeigt Mirbach: das Rätsel des verlorenen Baches. Die „Mirbach", ein Bächlein, welches unser Dorf durchfließt, verliert sich 250 Meter unterhalb des Dorfes im sogenannten Felsenloche. Nur bei einer Schneeschmelze oder bei einem sehr starken Regengusse kann das Felsenloch die Wassermassen nicht fassen, und der Bach nimmt seinen weiteren Lauf. In dem Wiesengelände nördlich des Felsenloches sind in der Reihe der Jahre Senkungen entstanden, welche durch herbeigeschaffte Erdmassen wieder ausgefüllt wurden. Weiter nördlich dieses Felsenloches befindet sich ein Höhenmassiv, „Oes" genant. Am Südhange dieses Massivs, ungefähr hundert Meter vom Felsenloch, sind oft Bausteine gebrochen worden. Hierbei wurde die Feststellung gemacht, dass der verlorene Bach in alter Zeit hier seinen unterirdischen Lauf fortgesetzt hat. Man hat jedoch die ausgewaschenen Höhlungen wieder mit Steinabraum zugeschüttet. Als nun in diesem Monat größere Steinmengen zum Straßenbau gebrochen worden sind, kam man hin und wieder an kleinere Unterbrechungen der Gesteinslagen, welche 1/2 bis 1 cbm Luftraum aufwiesen ohne Fortsetzungen zu zeigen. In diesen Tagen wurde nun eine größere Unterbrechung der Gesteinslagen festgestellt, welche ungefähr sechs Meter über dem Wasserspiegel des Felsenloches liegt und eine Tiefe von 2,75 m, eine Breite von 2,50 m und eine Höhe von 0,35 m aufweist. Es wird angenommen, dass der verlorene Bach im Lampertstal nach 1 km Luftlinie wieder zu Tage tritt, und es ist wohl das Rätsel des sinkenden Berges in der Gemarkung Dollendorf, Kr. Schleiden, auf Aushöhlungen dieses Baches zurückzuführen. Die Museumsverwaltung Trier ist um Entsendung eines Geologen zu weiteren Feststellungen gebeten worden.