Der verunreinigte Brunnen

Martha Neumetzler, Berndorf

Als Kind war ich viel in der Obhut meiner Großmutter. Sie war immer geduldig, friedlich und hilfsbereit, aber einmal war sie so zornig und wütend, dass ich sie nicht mehr wiedererkannte, und zwar wegen dem verunreinigten Brunnen. In meiner Kindheit waren noch nicht allerorts Wasserleitungen vorhanden. In Berndorf wurde eine solche schon 1943 gebaut, aber sie funktionierte infolge der Kriegswirren noch nicht immer im ganzen Dorf. In unserem Haus befand sich im Keller ein Brunnen mit sauberem Trinkwasser. Draußen gab es auch noch andere Brunnen, deren Wasser aber nicht so sauber war und sich nur für das Vieh oder zum Waschen oder Tränken des Gartens eignete. Neben unserem Keller-Brunnen stand eine große Schöpfkelle zur Entnahme des Wassers. Einmal kamen zwei junge Frauen aus der Nachbarschaft mit einem Waschkessel, um Wasser zu holen. Sie schöpften das Wasser einfach mit dem Waschkessel aus dem Brunnen und waren weg. Meine Oma kam kurz danach von draußen, sah die Tropfspuren im Flur und verschwand nichts Gutes ahnend im Keller. Was sie dort im Brunnen sah, machte sie wütend und zornig. Auf dem Wasser schwamm überall Ruß, den die beiden mit ihrem Kessel hinterlassen hatten. Oma schimpfte lauthals, „das kann doch nicht wahr sein, denen sollte man keinen Tropfen Wasser mehr geben", und verfolgte die beiden. Ob sie ihnen für die Zukunft das Wasserholen aus unserem Kellerbrunnen untersagt hat, weiß ich nicht mehr.

Oma wusste jedenfalls, wie wertvoll sauberes Wasser ist - und heute wird dies oft vergessen und wir gehen damit so sorglos um wie die beiden damals.