Der so idyllische und friedlich dahinplätschernde Eifelfluss brachte immer wieder den Ort Mürlenbach durch Hochwasser und Eisgang in eine beängstigende Lage. Bei zwei besonders zerstörerischen Ereignissen zeigte die Kyll ihren Anwohnern, wer Herr im Tal ist und die älteren Rechte hat.
Bereits Anfang November 1890 setzte ein harter Winter mit eisiger Kälte ein, und binnen weniger Wochen war die Kyll zugefroren. Monate mit strengem Frost und viel Schnee sollten noch folgen und unsere Vorfahren in arge Bedrängnis bringen. Durch den lange anhaltenden Frost trat ein Mangel an Trinkwasser ein, denn die Brunnen waren zugefroren. Eis und Schnee musste gekocht werden, um Wasser für Mensch und Vieh zu gewinnen. In den Bächen hatte sich das Wasser gänzlich in Eis verwandelt - für die eingeschlossenen Fische brachte dies den Tod. Das Wild kam bis in Dorfnähe, fand aber auch hier nicht genug zum Überleben. Viele Tiere sahen den Frühling nicht mehr. Die Mühlen standen still, kein Rad drehte sich mehr. Das Mehl wurde knapp und bald herrschte Brotnot. Die Kartoffelvorräte litten unter dem Frost. Besonders für die Armen steigerte sich die Not von Tag zu Tag. Zu Trier gab die Suppenanstalt täglich 900 Kostportionen an Bedürftige ab. Die Tageszeitungen aus jener Zeit berichteten ständig über die katastrophale Lage, der Mensch und Tier ausgesetzt waren.
Der von Eisenschmitt nach Kyllburg laufende Postschlitten blieb am 18. Januar 1891 auf der Seinsfelder Höhe im Schnee stecken. Der Postillon hatte bereits die Pferde abgespannt und den Postbeutel umgehängt, um nach Kyllburg zu gehen und den Schlitten stehen zu lassen. Da kam quer übers Feld ein Schlitten, in dem der Pastor von Kyllburg, vom Dienste in Seinsfeld kommend, nach Hause fuhr. Der Pastor hatte eine Schaufel dabei, und nach halbstündiger Arbeit war der Postschlitten wieder frei. Gemeinsam fuhren dann die beiden PferdeSchlitten ihrem Ziel entgegen.
Bis zum 19. Januar war noch kein Ende des harten Winters abzusehen. Das Eis auf der Kyll war inzwischen etwa 60 Zentimeter dick. Als man am 20. Januar endlich die bittere Kälte gebrochen glaubte, setzte bedeutender Schneefall mit Sturm ein, der alles erst recht in den Winter versetzte. Der 22. Januar brachte das ersehnte Tauwetter - mit Regen. Damit waren die Probleme allerdings keineswegs vorbei, sondern das Schlimmste stand den Bewohnern noch bevor. Die riesigen Wassermassen aus Regen und schmelzendem Schnee konnten nicht in den Boden versickern, da dieser tief und fest gefroren war. In kurzer Zeit schwoll die Kyll rapide an. Das dicke Eis wurde von der unbändigen Kraft des Hochwassers krachend in überdimensionale Eisschollen zerbrochen, die in einem wilden Tanz mit dem Hochwasser ihren Weg kyllabwärts nahmen. Aber bald bot die steinerne Mürlenbacher Kyllbrücke der gewaltigen Fahrt Einhalt. Die riesigen Eisschollen stauten sich an den Bögen der Brücke und auch die größten Anstrengungen der Bewohner schafften es nicht, die Eiskolosse in passierbare Stücke zu zerkleinern. Mit Getöse wälzten sich immer mehr der gewaltigen Eisstücke heran und höher und höher wuchs der riesige Wall aus Eis. Er schob sich mit Urgewalt über- und untereinander, bedeckte bald die Uferstraße meterhoch und bedrohte die Häuser der Anwohner. Die gestauten Eismassen bedeckten schließlich kilometerweit das ganze Kylltal flussaufwärts Richtung Birresborn. Das Hochwasser, dem sein natürlicher Lauf Richtung Mosel versperrt war, suchte sich problematische Wege außerhalb des Flussbettes und bedrängte zusätzlich die Menschen mitsamt ihrem Besitz. Hier konnte nur noch professionelle Hilfe etwas ausrichten. Diese kam am frühen Abend des 25. Januar, einem Sonntag, über die knapp 20 Jahre zuvor eröffnete Eisenbahnstrecke mit einem Extrazug von Trier an. Ein Pionierhauptmann mit einer Gruppe Soldaten hatte bereits am Nachmittag die Brücke in Kyllburg mit neun Sprengladungen vom Eis freigesprengt. In Mürlenbach war die Lage ungleich dramatischer und so benötigten sie mehrere Tage, um das Eis zu sprengen und die Brücke passierbar zu machen. Die Kinder hatten schulfrei - für sie waren die gefährlichen Naturereignisse und die ungewöhnlichen Aktivitäten an der Brücke ein grandioses Schauspiel und hätten ruhig noch länger dauern sollen.
Die steinerne Kyllbrücke war im Jahre 1842 als Ersatz für die alte Holzbrücke durch den Maurermeister Johann Blasius aus Manderscheid erbaut worden. Johann Hammel von Mürlenbach hatte die Lieferung sämtlichen Materials sowie die Bürgschaft für den Maurermeister Blasius übernommen. Bereits 1847 waren Reparaturen an der Brücke erforderlich. Der gutachtliche Bericht des königlichen Wegebaumeisters Lenz in Prüm sah den schadhaften Zustand der Brücke als eine Folge der schlechten Ausführung und der verwendeten untauglichen Materialien.
Zudem seien die Fundamente in weit geringerer Tiefe als vorgeschrieben angelegt, während aber die vorgesehene größere Tiefe in Rechnung gebracht und bezahlt worden war. Die Gemeinde verlangte die Rückerstattung der zuviel bezahlten Fundamentarbeiten und der Reparaturkosten insgesamt 413 Reichstaler, 22 Silbergroschen, 6 Pfennige. Der Gemeinderat beklagte, es sei bedeutender Schaden erwachsen und dürfte auch noch in Zukunft entstehen - eine zutreffende Prognose! Denn der Druck der Eismassen und die Erschütterungen durch die Sprengungen hatten die Standfestigkeit der vorgeschädigten Brücke sehr geschwächt. Ausbesserungen bei niedrigem Wasserstand im Laufe des Jahres 1891 halfen da auch nicht mehr entscheidend, und bei der nächsten Eisfahrt 1892 gab die Brücke ihren Widerstand gegen die Elemente auf - man konnte mit Schiller sagen: „Und donnernd sprengen die Wogen des Gewölbes krachenden Bogen." 1893/94 wurde eine neue eiserne Kyllbrücke erbaut.
Hochwasser der Kyll und der einmündenden Bäche ereignen sich immer wieder und versetzen die betroffenen Anwohner in Schrecken. Besonders stark und gefährlich war das Hochwasser vom Januar 1918.
Der Trierische Volksfreund berichtet in der Morgenausgabe vom 17. Januar 1918, das Hochwasser sei „springflutartig in der Nacht zum gestrigen Mittwoch aufgetreten. Die Staatsbahn gab den Verkehr auf der Kölner und Irreler Strecke auf. Alle Nebenflüsse der Mosel sind über die Ufer getreten, zahlreiche Ortschaften meterhoch überschwemmt".
Das auf den 16. Januar 1918 datierte Foto des in der gesamten Tallage überschwemmten Ortes Mürlenbach lässt das Ausmaß und die katastrophalen Folgen des extremen Hochwassers erahnen.
Die tiefergelegenen Häuser und Ställe standen meterhoch unter Wasser. Vieh musste aus überfluteten Ställen gerettet und Hausrat in höhere Lagen verbracht werden. Großer Schaden entstand an Gärten und Äckern. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden. Der erst im Jahre 1910 „auf der Insel" errichtete 12 m hohe Steigerturm der Feuerwehr wurde ein Opfer des ungewöhnlich starken Hochwassers und versank in den Fluten. 1926 baute die Feuerwehr einen neuen Steigerturm - diesmal an weniger hochwassergefährdeter Stelle - am Westgiebel der Alten Schule.
Zu dem verheerenden Hochwasser in der gesamten Region schreibt die Trierische Landeszeitung in der Morgenausgabe vom 19. Januar 1918:
„Prüm, 16. Jan. Die Nacht vom 15. auf den 16. Januar ist für viele unseres Kreises eine wahre Schreckensnacht gewesen. Das plötzlich einsetzende Tauwetter brachte die in den letzten Wochen niedergegangenen riesigen Schneemengen zur Schmelze. Ein anhaltender Regen vermehrte die Wassermengen noch, so dass die Kanäle und Wasserabläufe das Wasser nicht alle fassen konnten. Die Folge davon war in vielen Häusern großer Schaden in Kellern, Ställen und den unteren Wohnräumen. Der Zugverkehr auf der Kyllstrecke musste infolge des Hochwassers, das an mehreren Stellen den Eisenbahndamm und die Gleise wegspülte, eingestellt werden.
In der Gegend von Pelm ist heute morgen eine Scheune bis Densborn getrieben worden, in der gerade vier Mann am Dreschen waren."
Auch der Trierische Volksfreund berichtet wortgleich über die seltsame Scheune mit den vier Dreschern. Da hatten die Eifelaner den Zeitungsreportern aber einen dicken Bären aufgebunden! Die Geschichte hat J. Hubert Müller 1932 in seine Publikation als Mürlenbacher Ereignis übernommen: „Eine Sage meldet, dass einst eine Holzscheune vom Hochwasser abgetrieben wurde, in der noch vier Bauern des Morgens in aller Frühe beim Dreschen waren, und welche erst das gefährliche Spiel ahnten, als sie bei anbrechendem Tage an dem V Stunde entfernten Densborn vorbeisegelten." - So also entstehen „Sagen"! Am 18. Januar war die Kölner Strecke noch gesperrt. Erst am 22. Januar wird unter der Überschrift: „Vom überstandenen Hochwasser" das Abklingen der Gefahr gemeldet.