Ein Bach wird wiederbelebt

Hans-Peter Felten, Daun

Rückblick

Vor allem in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurden viele unserer Bäche durch Regulierungsmaßnahmen zu ökologisch weitgehend bedeutungslosen Vorflutern umgestaltet. Den vorher in zahlreichen Windungen, in der Fachsprache als Mäander bezeichnet, dahinfließenden Bächen verpasste man einen schnurgeraden Verlauf. Der Tiefenbach bildete da keine Ausnahme. Er wurde 1952 im Rahmen der Flurbereinigung begradigt. Zusätzlich wurde das Bachbett mit einer Steinstickung versehen und zur wirksameren Entwässerung der angrenzenden Feuchtwiesen deutlich unter deren Niveau abgesenkt. Ziel der Maßnahmen war eine bessere Nutzung der umgebenden landwirtschaftlichen Flächen.

Die Quelle des Tiefenbachs befindet sich etwa in Höhe des Immerather Maares westlich der B 421. Von dort fließt der Bach in überwiegend südlicher Richtung, bis er unterhalb der Sprinker Mühle in die Alf mündet. Er bildet die Grenze zwischen den Gemarkungen Gillenfeld und Strohn auf der westlichen und Immerath sowie Strotzbüsch auf der östlichen Bachseite. Im Mittel- und Unterlauf hat der Bach das Aussehen einer schnurgeraden Ablaufrinne.

Die Erkenntnis

Gut ein halbes Jahrhundert nach der Begradigung der Bäche war man schlauer geworden. Es hatte sich inzwischen herausgestellt, dass mit der Begradigung die Ablaufgeschwindigkeit des Wassers deutlich zugenommen hatte und den Gewässern die unbedingt erforderlichen Ausbreitungsflächen zur Rückhaltung plötzlich auftretender Wassermengen bei Unwettern oder starker Schneeschmelze verloren gegangen waren. Die Folge waren zunehmende Überschwemmungen im Unterlauf der Gewässer.

Zusätzlich schlugen Naturschützer Alarm, da die Begradigung der Bäche zum Verschwinden der typischen Bachfauna und -flora geführt hatte. Richtigerweise wurde daher in die neuen Leitlinien der Bodenordnung von 2006 als ein Ziel von Flurbereinigungsverfahren aufgenommen, die vielfältigen Funktionen naturnaher Gewässer wiederherzustellen. Als kurz nach der Jahrtausendwende erneut Flurbereinigungsverfahren in den Tiefenbachgemeinden in Angriff genommen wurden, schlug der an den Verfahren beteiligte NABU Daun vor, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

Das Vorhaben

Für die mit dieser Korrektur verbundene Schaffung von Mäandern würde der Tiefenbach allerdings in den bis an den Gewässerrand heranreichenden landwirtschaftlich genutzten Flächen Platz brauchen. In den alten Flurbereinigungsverfahren standen ganz selbstverständlich die finanziellen Mittel bereit, die für die Begradigung der Bäche, für die Herstellung der Steinstickungen oder auch für die Rodung bachbegleitender Büsche und Bäume benötigt wurden.

In heutigen Verfahren stehen jedoch nicht ohne weiteres Mittel zur Verfügung, um Uferflächen aufzukaufen und damit den Bächen den für die Renaturierung unverzichtbaren Raum zu geben.

Ersatzweise legte die Wasserwirtschaft 1994 ein als „Aktion Blau" bezeichnetes Programm auf, das darauf abzielte, Kommunen oder den Unterhaltungspflichtigen der Gewässer - bei Bächen wie dem Tiefenbach sind dies zumeist die Verbandsgemeinden - den erforderlichen Geländeerwerb zu ermöglichen.

Allerdings müssen die Träger einer solchen Maßnahme 20% der anfallenden Kosten übernehmen. Und mit dem Geländeerwerb alleine ist es auch noch nicht getan.

Weitere Kosten für die eigentlichen Renaturierungsmaßnahmen sind einzukalkulieren. Am Tiefenbach zeichnete sich ab, dass keiner der in Frage kommenden öffentlichen Träger diese Kosten übernehmen wollte und es somit zu keiner Renaturierung des Tiefenbachs kommen würde.

Die Realisierung

Sollte aus seinem Vorschlag, im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens den Tiefenbach zu renaturieren, etwas werden, musste also der NABU Daun selbst aktiv werden. Er entschloss sich daher, den bei der Aktion Blau anfallenden 20%igen Eigenanteil zu übernehmen und die Kosten für die Übernahme der am Tiefenbach ausgewiesenen 46.304 qm Uferrandsteifen selbst zu tragen. Die durchschnittliche Breite der Uferrandstreifen betrug auf beiden Seiten des Baches jeweils 5 m, so dass sich innerhalb dieses insgesamt 10 m breiten Streifens der Tiefenbach künftig würde frei entwickeln können.

Natürliche Bäche haben eine große Eigendynamik. Vor allem die Frühjahrshochwässer sorgen dafür, dass an den Prallhängen Erdreich abgetragen und an den Gleithängen Erdreich angeschwemmt wird. So entstehen immer weiter ausufernde Mäander, die typisch sind für ein lebendiges Fließgewässer. Dem Tiefenbach hingegen war es auf Grund seines schnurgeraden befestigten Verlaufs nicht möglich gewesen, derartige Gewässerstrukturen auszubilden. Jahrzehntelang lief er in seinem menschengemachten Steinkorsett und kam nicht heraus. So würde es auch auf viele weitere Jahrzehnte bleiben. Sollte sich an dem Zustand etwas ändern, bedurfte es einer Starthilfe: Die Steinstickungen mussten entfernt und der schnurgerade Verlauf unterbrochen werden.

Die Uferrandstreifen waren zwar vermessen worden, im Gelände war deren Abgrenzung durch die Vegetation jedoch nicht sichtbar. Als erstes wurde daher der Verlauf der Uferrandstreifen sichtbar gemacht, indem Aktive des NABU Daun entlang den Grenzen zu den benachbarten landwirtschaftlichen Nutzflächen Holzpfähle einsetzten. Dann ging es an die Arbeiten am Bach selbst. Dabei schüttelte so manch einer der Vorbeikommenden, die die verdreckt und z.T. durchnässt im Bach

arbeitenden NABU-Aktiven beobachteten, ungläubig den Kopf, dass man solche Aufgaben übernehmen könnte, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen.

Erfreuliche Unterstützung

Sehr bald merkten die NABU-Aktiven jedoch, dass sie ihre Arbeit intensivieren mussten, wollten sie zu wirksamen Ergebnissen in einer vernünftigen Zeit gelangen. Unterstützer wurden gebraucht! Dazu wurden bestehende Kontakte zu Schulen genutzt, so dass die NABU-Aktiven gemeinsam mit den Schülern der sechsten Klassen des Geschwister-SchollGymnasiums Daun und Schülern der 7. bis 9. Klasse der Regionalen Schule Gillenfeld mehrfach während der Projekttage der beiden Schulen ans Werk gingen.

Nach dem Mähen der Hochstaudenflur wurden Steine aus der Sohlbefestigung herausgehebelt und zu einem Damm im bisherigen Bachverlauf aufgeschichtet. Sodann wurde um den Damm herum ein neues Bachbett ausgehoben und mit dem ausgehobenen Erdreich der bisherige Verlauf verfüllt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese Maßnahmen durch das Stecken von Weiden ergänzt, um dem bisher nahezu baum- und strauchlosen Bach wieder zu entsprechenden Strukturen zu verhelfen. Einen Einblick in diese Arbeiten vermittelt die Bildergalerie „Projekttage der Regionalen Schule Gillenfeld am Tiefenbach" auf der NABU Daun Homepage www.nabu-daun.de.

Ausblick

Inzwischen sind rund 1,5 km des etwa 2,5 km langen Mittel- und Unterlaufs des Tiefenbachs „geschafft", d.h. an zahlreichen Stellen wurde der bis dahin schnurgerade Bachverlauf in der beschriebenen Weise umgestaltet. Künftig kann die durch diese Maßnahmen wieder in Gang gesetzte Eigendynamik des Baches das begonnene Werk fortsetzen.

In einer gewissen Weise geben die Erfahrungen am Tiefenbach jedoch Grund zur Sorge. Bäche zu renaturieren, ist zwar ein erklärtes Ziel neuerer Flurbereinigungsverfahren, aber kein verpflichtendes. Was geschieht daher mit den Bächen, bei denen keine öffentliche Körperschaft bereit ist, die anfallenden Kosten zu übernehmen? Hier überall ein Einspringen von Naturschutzverbänden zu erwarten, würde diese bei weitem überfordern, ganz abgesehen davon, dass die Umsetzung von Naturschutzzielen primär eine staatliche Aufgabe ist.

Was geschieht beispielsweise mit der Alf, in die der Tiefenbach mündet? Unterhalb des Gewerbegebietes Mehren bis hin nach Strohn belegt ihr schnurgerader Verlauf den früheren Eingriff. Diese Strecke ist um einiges länger als die, die am Tiefenbach anfiel. Nach dem Verlassen der Strohner Schweiz verhindert ein befestigtes Steinbett das Verlassen des vorgegebenen Verlaufs. Die Alf führt zudem mehr Wasser als der Tiefenbach. Wesentlich mehr Gelände müsste daher für breitere Uferrandstreifen erworben und bereitgestellt werden. Und anders als am Tiefenbach werden an der Alf die erforderlichen Arbeiten nicht mit Hacke und Schaufel durchgeführt werden können. Hier wird schweres Gerät zum Einsatz kommen müssen - ein erheblicher Kostenfaktor.

Wer wird daher an der Alf die Initiative ergreifen? Wird sie überhaupt jemand ergreifen?

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