In Sachen Wasserberechtigung

Aueler Bauern vor dem Königlichen Landgericht

Markus Igelmund, Köln/Auel

Das Wasser des Tieferbachs und die unter anderem damit verbundenen Wiesenbewässerungsrechte gaben zum Ende des 19. Jahrhunderts Anlass zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Aueler Bauern, die letztendlich vor dem Königlichen Landgericht verhandelt wurden.

Überliefert ist hierzu ein Dokument des Königlichen Landgerichtes Trier vom 21. Juni 1895, in dem eine Zeugenladung an Herrn Johann Ränkes-Bernardy, Ackerer zu Auel ergeht. In der Zeugenvernehmung soll der zu den dem Gericht vorgebrachten Klagen Stellung nehmen. Im Wesentlichen soll er bezeugen, dass sein verstorbener Vater eine am Tieferbach gelegene Wiese mit der ausdrücklichen Auflage verkauft hat, die bestehenden Wasserberechtigungen für die Nachbarparzellen nicht zu beeinträchtigen und dass die neuen Eigentümer eben dies getan hatten, in dem sie die Durchleitung des Wassers für die Nachbarn verhinderten.

Der Tieferbach ist ein kleiner Bachlauf, der zwischen Steffeln und Schönfeld im Steffelner Wald in der Gemarkung Weitersberg entspringt und aus mehreren weiteren Bachläufen gespeist wird. Er fließt durch den Ort Steffeln, an der Steffelner Mühle vorbei, durch den Ort Auel, weiter an Basberg vorbei, bevor er nach rund neun Kilometern in Oberbettingen in die Kyll mündet.

Der Tieferbach versorgte den Mühlenteich der zuvor erwähnten Steffelner Mühle, eine in der Ortslage Auel gelegene Gerberei und sicherlich eine Vielzahl der anliegenden Wiesen und Weiden mit Wasser.

Die Bewässerung von Wiesenflächen ist eine in der Eifel heute gänzlich verschwundene bäuerliche Wirtschaftsform. In einem Lehrbuch für Pflanzenbau aus dem Jahr 1893 dagegen, wird die Wiesenbewässerung noch als einer der wichtigsten Bausteine

für die Bewirtschaftung gesehen: Das Wasser ist einer der wichtigsten Faktoren im Wiesenbau, weil wir ihn im Gegensatz zum Klima und zum Boden verändern und ihm unsere Herrschaft aufzwingen können.1 Was in der heutigen Zeit hierzulande kaum noch vorstellbar ist, hatte in der damaligen Zeit nahezu existentielle Bedeutung.

Die Bewässerung soll die guten Wirkungen des Wassers verstärken. Dem Boden soll das für seine Tätigkeit und zur Lösung der Nährstoffe nötige Wasser zugeführt werden. Die Pflanzen sollen mit Wasser versorgt und ihnen die schwebenden wie gelösten düngenden Teilchen des Bewässerungswassers zugeführt werden, Nachtfröste und schädliche Tiere aber bekämpft werden.2

Die Nachtfröste im Frühjahr waren sicherlich im hiesigen Raum ein Problem, dem man mit der sogenannten frostverhütenden Bewässerung, dem Wassereinstau in die Bewässerungsgräben, entgegenwirken konnte. Die einfachsten Bewässerungsanlagen bestanden aus einer Stauschleuse im Bachlauf, die das Wasser dann in die vom Bachlauf abgehenden Bewässerungsgräben einstaute. Die Bewässerung setzt die Verfügung über möglichst reichhaltiges Wasser in genügender Menge und entsprechender Höhenhaltung voraus, das nicht zu kalt (Quellen) und frei von Humussäure (aus sauren Mooren oder waldigen, sumpfigen Partien stammend) ist.3 Auch mussten die Bewässerungsgräben regelmäßig überprüft und wenn nötig repariert bzw. ausgebessert und freigeräumt werden: Die Bewässerungsgräben sind jährlich auszubessern, da sie sonst verwachsen und unwirksam werden. Ebenso sind Schleusen und Dämme mehrmals im Jahre nachzusehen und dauernd in gebrauchsfertigem Zustand zu hal-ten.4

Der Königliche Bezirks-Wiesenbaumeister Hector in Trier schlägt in seinem „Wässerungs-Kalender" aus dem Jahr 1898 für jeden Monat des Jahres Gebrauchs- und Pflegearbeiten für die Wiesenbewässerung vor. So empfiehlt er beispielsweise für den Monat Oktober: Sind die Gräben gehörig in Ordnung, so wässere man ununterbrochen. Jetzt ist das Wasser die wahre Himmelsspeise.5

Man konnte damals sogar den Beruf des Wiesenbaumeisters erlernen. So heißt es für das Jahr 1857, dass zu den geprüften Eleven der Wiesenbauschule zu Trier der Johann Peter Bauer aus Auel, Kreis Daun gehört.6 Ihre Blütezeit erlebte die Wiesenwässerung im 18./19. Jahrhundert. Bereits zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurden die ersten Bewässerungsgräben trockengelegt und eingeebnet. Jedoch war die Wiesenwässerung noch in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine vor allem in den Bachtälern verbreitete Kulturmaßnahme. Mit der sogenannten Umlegung (Flurbereinigung) im Jahr 1927 und der damit verbundenen Regulierung bzw. Begradigung des Tieferbaches wurde die Wiesenbewässerung auch in Auel nach und nach eingestellt.

Nachfolgend die anfangs erwähnte Zeugenladung im Wortlaut:

In Sachen des Ackerers Wilhelm Bauer in Auel / Kläger, gegen die Ehe- und Ackersleute Nicolaus Schmitz und Margaretha Bernardy zu Auel / Beklagte, wegen Wasserberechtigung sollen Sie laut Beweisbeschlusses der II. Civilkammer des Königlichen Landgerichts hierselbst vom 15ten Juni 1895 über die umstehend bezeichneten Thatsachen als Zeuge vernommen werden. Zu Ihrer Vernehmung werden Sie auf Anordnung des bezeichneten Gerichts in die Wohnung des Ortsvorstehers in Auel auf den 25ten Juni 1895 Vormittags 9V2 Uhr vor den Landgerichtsdirector Barre geladen.

Beweisthema

Sie sollen darüber vernommen werden: daß bis zum Jahre 1866 die Ehe- und Ackersleute Nicolaus Schmitz und Margaretha Ber-nardy zu Auel / Beklagte / ihre Wiese (N0 10 der Anlage 2) nicht bewässern konnten;

daß sie, um dies bewerkstelligen zu können, von dem Ackerer Johann Ränkes senior die auf der Anlage 2 bezeichnete Wiese, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung kauften, daß die von den Beklagten anzulegende Bewässerungsanlage, das den Wiesen des Ackerers Wilhelm Bauer /Kläger / und den übrigen Wiesen zustehende Bewässerungsrecht in keiner Weise beeinträchtigen dürften;

daß die Beklagten in dem Bewässerungsgraben, soweit derselbe ihre Parzelle N013 der Anlage 2 durchschneidet, Vorkehrungen getroffen haben und Anlagen errichtet, welche jedes Einfließen von Wasser in den Bewässerungsgraben N0 2 der Anlage 2 unmöglich macht; daß die Beklagten heute jede Ausübung des den Wiesen des Klägers zustehenden Bewässerungsrechts unmöglich gemacht haben; daß die Beklagten dem Kläger auch jedes Betreten der Parzelle Flur 1782/318 - Nr. 13 der Anlage 2 untersagt haben.7

Wie der Streit ausgegangen ist, lässt sich heute natürlich nicht mehr feststellen. Sicherlich hat der Landgerichtsdirector Barre im Zusammenhang mit der in Auel anberaumten Zeugenvernehmung die Situation vor Ort in Augenschein genommen. Auch scheint ein objektives Urteil in der Sache möglich gewesen zu sein, da entweder die Bewässerung der Nachbarwiesen noch funktionierte oder eben die Weiterleitung des Wassers durch „Vorkehrungen" der Beklagten nicht mehr stattfinden konnte. Ebenso ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar, warum man sich damals nicht außergerichtlich einigen konnte.

Anmerkungen:

1 Dr. Eduard Birnbaum „Pflanzenbau", Liegnitz 1893, Achte Auflage neu bearbeitet von Prof. Dr. Paul Gisevius, Gießen 1911, Seite160

2 a.a.O. Seite 163

3 a.a.O. Seite 164

4 a.a.O. Seite 166

5 Bauernkalender des Trierischen Bauern-Vereins für das Jahr

1898, Seite 95

6 Thea Merkelbach, Pelm „Von verschwundenen Berufen" in Heimatjahrbuch Daun 2008

7 Zeugenladung des Landgerichtes Trier an Johann Ränkes junior zu Auel vom 21. Juni 1895

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