Ein Lustgebüsch für Vögel

Die Eberesche

Felicitas Schulz, Hillesheim

Wenn ich ein Stückchen Land besäße, ich würde mir ein kleines Wäldchen von Ebereschen pflanzen. Ein einziger der glühenden Bäume könnte schon das Glück eines Spätsommers ausmachen und verklären.

Else Lasker-Schüler

Die Eigenschaft als Vogellockmittel verdankt die Eberesche ihrem deutschen Namen „Vogelbeere". Auch der lateinische Namen ist darauf zurückzuführen, denn Aucuparia leitet sich von aves capere - Vogelfangen ab. Die Eberesche oder Vogelbeere hat nichts von der Majestät der Esche oder von der Mütterlichkeit der Linde, sie ist einfach nur schön. Sie gehört mit zu den ersten sich belaubenden Bäumen und galt als Symbol des Wiedererwachens nach der toten Winterszeit. Ihre Schönheit zeigt sie zu jeder Jahreszeit. Beginnend im Frühjahr mit ihren zarten, hellgrünen, feingliedrig aneinandergesetzten Blättern. Im Sommer besticht sie durch ihre großen, weißen Doldenblüten und im Herbst sind es die Blätter in einer warm-braunen Tönung. Die orange bis korallenroten Beeren werden nach dem ersten Frost geerntet. Als zusätzlicher Farbkontrast lockt die Eberesche schwarzglänzende Vögel wie Amseln und Drosseln an. Insgesamt sollen es um die 60 Vogelarten sein, die ihre Früchte verzehren. Die Gier nach den korallenroten Beeren wurde diesen Vögeln in früheren Zeiten oftmals zum Verhängnis, denn der Mensch benutzte die Beeren als Lockmittel für den Vogelfang. Im Gegensatz zu den herrschaftlichen Jagden zu Pferd auf Rot- und Schwarzwild zählte ehemals der Singvogelfang zum Vergnügen des kleinen Mannes. Für die beliebte Art des Jagens wurden zähe Rosshaarschlingen an hölzernen Bügeln befestigt. Wenn der Vogel sich auf die Stange setzte, um die zur Anlockung ausgelegten Ebereschenfrüchte zu fressen, zog sich die Schlinge um den Hals des Vogels enger zusammen und erstickte ihn. Die Tiere landeten mariniert, ge-

spickt und gebraten an Feiertagen häufig in der Bratpfanne. Die Jagdmethode hieß im Volksmund Donnerstieg und war über Jahrhunderte gebräuchlich. Quellen besagen zudem, dass die Früchte zur Ebermast Verwendung fanden und Rednern und Sängern die Stimmbänder geschmeidig halten. Dass größere Mengen der Beeren roh verzehrt Magenbeschwerden hervorrufen können, berichtet Hieronymus Bock im 16. Jahrhundert in seinem Kräuterbuch. „...sie sind eines seltsamen unlustige geschmacks, so man deren zu vil isset, mache sie unwillen." Die Früchte enthalten Parasorbinsäure und rufen diese Symptome hervor, die beim Kochen zerstört werden. In kleinen Mengen genossen oder richtig verarbeitet, sind sie ungiftig und bereichern das Angebot an Marmeladen, Teemischungen und als Mus zu Wildgerichten. Die zerkleinerte, in Wasser eingeweichte Borke des Baumes benutzte man zum Färben von Wolle in rot und braun. Das Holz war von Drechslern und Werkzeugmachern sehr begehrt. Die Schönheit und Grazie des Baumes haben die keltischen Priester veranlasst, ihn den Baum des Lebens zu nennen und in der germanischen Mythologie galt die Eberesche als glücksbringender Baum. Sie war dem Gewittergott Donar geweiht, dessen Lieblingstier, die Ziege, dem Ebereschenlaub besonders gern zusprach. Der uralte Glaube um die schützenden und fruchtbar machenden Kräfte der Eberesche hat noch bis in unsere Zeit hinein gelebt. In Bauernweisheiten und alten Kräuter büchern wird das Laub des Baumes als besonders heilkräftig gelobt. Für kranke Ziegen galt es als eine gute Arznei und am Morgen des ersten Mai schlug der Bauer seine Kühe mit den Zweigen der Eberesche. Dieses Ritual sollte die Tiere fruchtbar machen. Um das Vieh vor Krankheiten zu schützen, wurden noch einige Zweige an der Stalltüre befestigt. Diese Bräuche sind verblasste Reste des alten Fruchtbarkeits- und Abwehrzaubers, der mit der Eberesche in Verbindung stand.