Die Vulkaneifel - ein Paradies!?

Dr. Josef Pedain, Gerolstein

Diese bedeutsamen Worte sprach kein Eitler. Sie kamen von einem alten Herrn, den ich im Urlaub in Holland begegnete. Er stand vor einer Parkbank und blickte intensiv auf ein Stück Marmeladebrot, das Kinder dort vergessen hatten. Diese Schnitte war über und über mit Insekten - Wespen und Fliegen - bedeckt und die waren der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit.

Wir kamen ins Gepräch und der alte Herr konnte spannend erzählen. Sein ganzes Berufsleben hatte er sich mit Insekten befasst, vor allem mit Schmeißfliegen. Diese waren für ihn ganz erstaunliche Tiere und er wusste auch wirklich Erstaunliches zu berichten: Während wir Menschen mit dem Mund schmecken, haben Schmeißfliegen Geschmackszellen an den Füßen. Und Haare und Borsten haben bei diesen Tieren eine ganz andere Funktion

als bei Säugetieren; es sind Sinnesorgane mit denen die Fliegen riechen und schmecken können. Eine Schmeißfliege kann Prozesse unterscheiden, die innerhalb von 1/200 Sekunde ablaufen und hat deshalb eine außerordentlich hohe Reaktionsfähigkeit - viel höher als der Mensch.

Und welches Wunderwerk sind erst die Augen des Insekts! Neben den beiden großen Facettenaugen haben diese Fliegen auch noch mehrere kleine Punktaugen, deren Funtion noch nicht völlig erforscht ist. Es gibt auch nicht nur eine Art von Schmeißfliege sondern eine große Zahl von Arten. Die meisten haben keine deutschen Namen und oft kann man die einzelnen Arten nur durch die mikroskopische Untersuchung der Geschlechtsorgane unterscheiden.

Ich war tief beeindruckt und fragte, ob diese Tierchen auch bei uns alle vorkämen. „Natürlich" meinte der Insektenforscher, „die Eifel und vor allem die Vulkaneifel ist ein Paradies - ein Paradies für Schmeißfliegen." So richtig glauben konnte ich diese Aussage nicht, denn Schmeißfliegen erblickt man doch eher selten. Wenn sich mal ein dicker schwarzer Brummer in die Küche verirrt hatte, ließ ich ihn schnell wieder entkommen; er gehörte ja ins Paradies.

Aber dann bekamen wir ein Bäumchen geschenkt: Die Pflaume „Köngin Viktoria". Von dieser Pflaume heißt es, dass sie viele Früchte trägt, auch wenn es zur Blütezeit noch kalt ist und die Bienen noch nicht fliegen. Und tatsächlich schon im zweiten Jahr nach der Pflanzung erntete ich von dem kaum 2 m hohen Bäumchen schon mehr als 5 kg süße blaugelbe Pflaumen. Auch im folgenden Jahr bogen sich die Äste unter der Last der reifen Pflaumen. Aber wir hatten viele Mitesser, Wespen nagten Löcher in die reifsten Früchte und sogar Blaumeisen holten sich ihr Teil. Es blieben immer noch genug übrig und als ich an einem sonnigen warmen Tag das Bäumchen aberntete, legte ich die beschädigten und

angefaulten Pflaumen beiseite. Als ich einige Zeit später wieder danach sah, saßen auf den vergammelten Früchten einige große gefärbte Fliegen, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Ich wollte sie fotografieren und legte deshalb zwei große, weiße Papierbogen auf einen sonnigen Platz und darauf die aufgedrückten Früchte. Als ich einige Zeit später mit der Kamera kam, krabbelten schon etwa 20 Fliegen auf dem Papier und naschten von dem Fruchtfleisch. Und es wurden immer mehr, ich zählte mindestens 50, nach einer Stunde war das Zählen schon unmöglich, waren es 100 oder gar 200? Die Situation war gerade zu beängstigend. Ich dachte an einen Bienenschwarm. Gut zu fotografieren war dieses Gewimmel überhaupt nicht, aber ich konnte wenigst gut beobachten. Ob man Schmeißfliegen schön nennen darf? Nun, sie waren zum Teil aber wirklich schön. Es war nicht nur eine Art sondern sehr viel unterschiedliche Tiere. Manche bis 2 cm groß, grau und schwarz gestreift mit langen Borsten und großen Augen, andere etwas kleiner aber dafür lebhaft bunt. Ich konnte Farben sehen, die man in der Natur nur selten sieht. Sie hatten ein metallisch glänzendes Smaragdgrün oder waren blau wie polierter Stahl. Am schönsten waren einige, die wie rotes Kupfer glänzten. Besonders auffällig waren die großen rotbraunen Augen. Was mich am meisten wunderte, so viele Tiere auf einem Futterplatz - und doch waren alle ganz friedlich. Kleine und große Fliegen krochen übereinander und durcheinander und berührten sich ständig.

Inzwischen war der Akku meiner Kamera leer, ich hätte gern noch mehr Bilder gemacht, denn es kamen immer wieder anders aussehende Tierchen dazu. Als die Papierbogen aber schließlich im Schatten lagen, wurde die Zahl der Tiere immer kleiner. Doch vielleicht ließe sich das Spektakel am nächsten Tag wiederholen?

Der folgende Tag war wieder sonnig aber nicht mehr so warm, und ab und zu wehte ein heftiger Wind. Ich stand bereit mit Kamera und Makroobjektiv, mit geladenem Akku, Stativ und Blitzgerät. Als ich die Papierbogen abdeckte, rochen die Pflaumenreste einladend faulig. Aber wo waren die Schmeißfliegen, sie mussten doch noch in der Nähe sein? Als die Sonne nach einiger Zeit hinter dichten Wolken verschwand, hatte ich nur einige kleine schwarze Stubenfliegen gesehen, keine einzige Schmeißfliege.

Eine Erklärung für ihr Ausbleiben habe ich nicht - oder doch? Ein Windstoß hat vielleicht die Tür zu ihrem Paradies zugeschlagen.