Der Schul-Störenfried am Gymnasium Hillesheim

Hermann Meyer, Hillesheim

Sie haben richtig gelesen: am Hillesheimer Gymnasium. Es entstand in der für unser Land kriegsruhigen Zeit des 18. Jahrhunderts, als Wohlstand und die Besiedlungszahl anstiegen, als die Kirchen im barocken Glanz erstrahlten und das Zeitalter der Aufklärung gekommen war. Damals im Jahre 1759 erteilte Kurfürst Johann Philipp von Walderdorf in Trier dem Augustinerkloster in Hillesheim, das damals zwölf Patres und vier Laienbrüder zählte, die Ermächtigung ein Gymnasium mit fünf Klassen zu errichten. 1760 kamen zwei weitere Klassen dazu. Das gesamte Schulwesen unterstand bis zur Zeit der Aufklärung dem Generalvikariat. Alle höheren Lehranstalten wurden von Geistlichen, meist Ordensgeistlichen besetzt. Des öfteren gab es gewisse Kompetenzschwierigkeiten an den Schulen, wo der geistliche und weltliche Arm nicht derselbe war. So in Hillesheim, das weltlich zum Kurstaat Trier gehörte, aber geistlich zum Kölner Ei-feldekanat. Der Kölner Provinzial der Augustiner versetzte und ersetzte - vom Standpunkt der Schulbehörde regelwidrig - die Schulpatres. Der Kurfürst, der sich um das Schulwesen wenig kümmerte, schuf 1780 eine eigene Schulbehörde. Jede Anstalt stand fest im Banne der Behörde. Und nur widerstrebend langsam fanden sich die Klosterschulen mit den neuen Verhältnisse zurecht.

Augustiner Eremiten Kloster in Hillesheim. Gegründet um die Mitte des 13.Jahrh. durch Johann I. von Reifferscheid, nahe der Stadt-Mauer.

So finden sich in den Akten des Klosters zu Hillesheim Berichte, wie der geistliche Elementarlehrer Theodor Meyer, der bis dahin Schülern, die studieren wollten, die Anfangsgründe des Lateinischen beigebracht hatte. Durch die Errichtung des Gymnasiums sah er sich nun in seiner Lehrtätigkeit gestört und versuchte, sich seiner Haut zu wehren, auf ehrliche und unehrliche Weise. Dafür wurde er schließlich von den Oberen gemaßregelt. Es geht hier um keinen bedeutungsvollen Streit, es geht um Fragen der Syntax (= Grammatik die Satzlehre), ob das Wort „interest" mit dem Nominativ oder mit dem Infinitiv steht. Zum Beispiel: „Ich habe Interesse am Lernen" oder „mich interessiert das Lernen". Wahrlich ein Streit um des Kaisers Bart.

Gründungsurkunde des Gymnasiums im Augustinerkloster zu Hillesheim durch den Trierer Kurfürsten Johann Philipp von Walderdorf im Jahre 1759.

Aber die Art und Weise, auf die der Streit behandelt wurde, ist interessant, da er immerhin einen charakteristischen Beitrag zur Geschichte des Schulwesens liefert. So schreibt der Elementarlehrer Theodor Meyer seinem Prior einen Brief: „Hochwürdiger Pater Prior. Wenn man der Geduld in ungerechter Weise zu nahe tritt, so wandelt sie sich mit Recht in Zornmut. Dies erfahre ich an mir selber, da ich sehen muss, wie man ohne weiteres in ein mir zustehendes Recht einzugreifen wagt, indem man mir fortwährend meine Schüler abwendig macht. Räumet aus! Leeret! Lasset wieder eingehen eure jetzt eröffnete Schule, worin ihr alles Mögliche, um es deutsch zu sagen, einen rechten Mischmatsch zusammengebracht habet, und machet eine Ende damit, und dann lasset mir meine Schüler. Entweder sollt ihr beweisen, dass ich nichts leiste, oder ich will beweisen, dass ihr nichts leistet, oder aber ich will die Macht eines Höheren anrufen, der die Bitte seiner Censur auf euch herabschleudern wird. Ew: Hochwürden Diener in bekannter Weise Theodor Meyer."

Auf diesen Brief hin richtet der Prior und der Konvent ein Gesuch an den Dechan-ten: „Hochwürdigster, hoch zu verehrender Dechant und Kommissar: Demütigst bitten wir, den geistlichen Herrn Theodor Meyer zu zitieren und ihm die Frage vorzulegen, ob er den Brief geschrieben habe. Ist er geständig, so bitten die Unterzeichneten Ew. Hochwürden, dem lügnerischen und verleumderischen Schreiber, nachdem er zuvor dem Orden Genugtuung geleistet, durch einen entsprechenden Verweis zum Schweigen bringen, damit wir nicht auf einem anderen Wege als dem des Friedens und der Liebe Recht und Billigkeit zu fordern gezwungen werden. Inzwischen verbleiben wir Ew. Hochwürden sehr ergebener Diener Prior und Konvent des Klosters zu Hillesheim." Der Pater Theodor Meyer wiederum antwortet dem Dechanten u.a.: „Da nun der hier niedergeschriebene Tatbestand der Wahrheit entspricht, und die ganz anders lautende Darstellung meiner Gegner, als der Wahrheit widersprechend, widerlegt ist, mögen Ew. Hochwürden sich herablassen, gegen die Anschuldigung, als hätte ich etwas Unwürdiges gegen die genannten Väter ins Werk gesetzt, sich meiner anzunehmen, zu gestatten, dass ich entsprechend dem, was ich selbst gelernt habe und was, wie ich weiß, auf diese Art richtig gelehrt wird, meinen Bruder unterrichte und so denn uns beide wie Waisenkinder in ihren väterlichen Schutz zu nehmen. Auf Verlangen des Hillesheimer Konvents des Augustiner Ordens und insbesondere auf Befehl meines Oberen, den ich allezeit zu ehren mich verpflichtet fühle, den Hochwürdigsten Herrn Dechanten, und um den Streit beizulegen, der zwischen dem genannten Konvent und mir Endesunterzeichnetem entstanden ist, widerrufe ich den Brief, durch den dieser Streit hervorgerufen ist. Diesen Brief also, den ich als einen allzubedachtsamen Drohbrief anerkenne, widerrufe ich. Euer Hochwürden Diener und unwürdiger Schützling Theodor Meyer." Der Streit, obwohl er einen unbedeutenden

Grund hatte, zeigt doch, wie sich eine gewisse Konkurrenz aufstaute zwischen einigen Mönchen des Konvents und dem geistlichen Professor des neuen Gymnasiums sowie der neuen Schulbehörde, dessen behördlicher Lokalkommissar der junge und eifrige Ortspfarrer Sebastian Jommes war. der vom modernen Geiste berührt, mehr ungestüm als klug vorging. So wollte er zum Beispiel die Zahl der Patres von zwölf auf sechs reduziert sehen, und Besuch des Schulinspektors (Pfr.Hermann Meyer) und des Dechanten die untauglichen Schul- (Gerd Knieps) sowie des Elementarlehrers Theodor Meyer im Gymnasium. patres müssten durch Eine Theaterszene nachgespielt bei der Historischen Festwoche 2001 im fähigere ersetzt werden. Augustinerkloster. Man kann verstehen, dass die Augustinerpatres, die die Schule nur Pfarreien. Kloster und Klostergebäude wurden als nebensächliches Anhängsel ihres Klosters betrachteten, sich einer Reform aufs schärfste widersetzten. ja in ihrem Zorn schlossen sie einfach die 'armselige Schule'. Jedoch das gütige Zureden des Amtmanns bewirkte eine weitere Aufnahme des Unterrichtes. Das ganze Städtchen und das Amt wurden durch die Streitigkeiten, die auf die Formel zurück zu führen sind: hier System, dort Aufklärung, in Mitleidenschaft gezogen. Der Direktor der Koblenzer Schulbehörde schreibt deshalb: „Ich glaube fest, dass ein schlechtes Gymnasium mehr schadet, als wenn keines da wäre." Durch diese Missverhältnisse in der Leitung der Schule war die Zahl der Schüler stark abgesunken. So war vorauszusehen, dass die Aufhebung der Schule nahe bevorstand. Wenn nicht mit dem Einzug der Franzosen im Oktober 1794, so bestimmt aber mit der Säkularisation, der Aufhebung aller Klöster und klösterlichen Anstalten im linksrheinischen besetzten Gebiet. Die Patres flüchteten und zerstreuten sich dann in die benachbarten den am 7.Juni 1805 durch die französische Regierung für 946 Thaler versteigert.

Der Ansteigerer oder dessen Nachfolger boten das Kloster der Gemeinde - man sagt sogar unentgeltlich - an zur Errichtung eines neuen Gymnasiums. Aber die Gemeinde ging darauf nicht ein. Ganz sicher ein schwerwiegender folgenreicher Nachteil für die Entwicklung unseres Städtchens, das damals bereits von seiner mittelalterlichen Bedeutung verlor und wirtschaftlich zurückblieb. Es wäre mit einem neuen Gymnasium wieder aufgeblüht und hätte sich nicht von Gerolstein oder Daun, die damals kleiner und unbedeutender waren, überholen lassen.

Quellen:
Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs-und Schulgeschichte von Karl Kehrbach, Berlin 1896 Darin: Der Schul-Störenfried, von Dr. J. Buschmann, Koblenz A. Schüller: Ein vergessenes Eifelgymnasium, in Pastor bonus 41, 1930
Staatsarchiv Koblenz: Schulakten des Gymnasiums Hillesheim Hermann Meyer: Hillesheim - die Geschichte eines Eifelstädt-chens