Eifelerin als Äbtissin in Westfalen

Gretel Körner-te Reh, Ahlen

Städte wie Dortmund, Münster, Bochum, Paderborn und Soest sind sehr bekannt und bieten dem Interessierten vieles. Man fährt durch Gegenden, die der Bergbau prägte, man sieht parkähnliche Landschaften mit vielen Wallhecken, Schlössern, Burgen und Herrensitzen, man wandert im wunderschönen Sauerland, dem „Land der 1000 Berge". Den Bewohnern Westfalens attestiert man Gradlinigkeit, Verlässlichkeit und auch Eigenwilligkeit (sturer Westfale!). Sie essen gern Pfefferpotthast, westfälischen Schinken, Pumpernickel und dicke Bohnen mit Speck. Dazu trinken sie einen Korn und ein gutes Bier. Nicht vergessen werden dürfen traditionsreiche Fußballvereine, die Pferdezucht und der Pferdesport, eine ausgiebige Landwirtschaft, viele Wandermöglichkeiten und weitläufige „Pättkes-Touren" (Radwanderungen). An vielen Stellen wird an die Römer und an die Varusschlacht erinnert. Großartige Museen, Theater und Schauspielhäuser bieten abwechslungsreichen kulturellen Genuss, aber auch die beeindruckenden sakralen Bauten, unzählige Wegekreuze und Bildstöcke. Dies alles verleiht Westfalen ein unverwechselbares Gesicht. Viele Kunstwerke und Schätze sind Ausdruck gläubiger Verbundenheit.

Stiftskirche Warendorf-Freckenhorst

Die Kostarbkeit in den Kirchen und Domen sind kunsthistorisch wertvoll und geben Auskunft über kulturelle und religiöse Entwicklungen. So entdeckte ich bei einer Radwanderung in der Stiftskirche von Warendorf-Freckenhorst ein besonders erwähnenswertes Taufbecken aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Diese Kirche „St. Bonifatius", ein „Westfälischer Dom" mit fünf Türmen, ist weit über das Münsterland hinaus berühmt.

Sie wurde als „ monasterium quod dicitur Frikkenhurst" zum ersten Mal im Jahr 860 in den Xantener Annalen erwähnt. Der Stifter, der sächsische Edelherr Everword, wird in der Stiftungsurkunde der Kirche und des nebenliegenden Klosters vom 24.XII.851 genannt. Im Jahr 1495 wurden Kirche und Kloster in ein freiweltliches Damenstift umgewandelt. Die Jahrhunderte lange Verbindung Westfalens zum Erzbistum Köln ist auch durch kulturelle und sprachliche Gemeinsamkeiten begründet. Und es wundert gar nicht, im Kreuzgang der genannten Kloster-Anlage unter den Namen der Äbtissinnen, die dort amtiert hatten, den einer Eifelerin aus dem Geschlecht der Grafen von Manderscheid, Blankenheim und Gerolstein zu finden:

Margaretha Elisabeth war in den Jahren 1591-1604 auch Äbtissin von Gerresheim (Düsseldorf), von Schwarzrheindorf (Bonn) und Fürst-Äbtissin des Reichsstiftes Essen. Ab 1228 wurde die Äbtissin eines Stifts erstmals in einer Urkunde als Fürstin bezeichnet. Die Karriere dieser Landsmännin aus der Eifel (ihr Grab ist in der Eusebiuskerk in Arnheim) war mir Anlass, mich mit den Aufgaben und der Bedeutung einer solchen Äbtissin auseinanderzusetzen:

Eine Äbtissin führte die Aufsicht über das religiöse Leben im Kloster, kümmerte sich um alle wirtschaftlichen Angelegenheiten und nahm die Vertretung des Klosters nach außen wahr. Hierbei wurde sie von verschiedenen Personen wie Vorsängerinnen, Messnerinnen, Krankenschwestern, Kleiderbewahrerin-nen, Verwalterinnen oder Pförtnerinnen unterstützt; es war aber auch üblich, dass übergeordnete Personen aus anderen Klöstern mitwirkten. Bei größeren Veränderungen wie An- und Verkauf von Grundbesitz, Neubauten, geistliche Stiftungen oder die Wahl von Äbtissinnen und Pfarrern, hatte ein Abt die Oberaufsicht. Die Ordensfrauen zeichneten sich durch Selbstbewusstsein und Kreativität in Klöstern, Stiften und Beginenhäusem aus, beeinflussten wesentlich ihre Umwelt und brachten ihren Glauben u.a. in wunderbaren Kunstwerken zum Ausdruck. Klöster und ähnliche Einrichtungen waren keine hermetisch abgeschlossenen „Gefängnisse", Frauen wurden nicht hierhin „abgeschoben", sondern bildeten eine Ergänzung zur vorherrschenden Männerwelt. Frauenklöster boten attraktive und angesehene alternative Lebensformen: Gute Bildung wurde vermittelt, Frauen lernten Lesen und Schreiben und kreativ zu wirken, sie übernahmen verantwortungsvolle Aufgaben und Positionen in Schulen und Krankenhäusern. Sie gelangten wie Margaretha Elisabeth aus der Eifel in höchste politische Machtpositionen und verwalteten oft große Ländereien. Üblich war es auch, dass Damen von Adel nach dem Tod ihres Partners in Damenstiften lebten, Vermögen einbrachten und sich weiterbilden konnten.