Ein Löffel Mehl zuviel

Marianne Schönberg, Feusdorf

Küchendienst zur Mittagszeit, gebrühte Würstchen müssen vor dem Bratvorgang in Mehl gewendet werden und das kommt so nach gewohnter Menge auf einen Teller. Da wiegt man nichts ab, das hat die Hausfrau durch jahrelange Übung einfach im Griff. Alles stimmt, die Bratlinge sind in der Pfanne, es kann abgeräumt werden aber - im Teller blieb ein Rest, ein Löffel Mehl zuviel und nun? Soll das ein Problem sein? Deckel vom Abfalleimer auf und hinein damit. Es geht nicht, da ist eine Sperre, nicht am Eimer, in meinem Kopf.

Wie war das doch kurz nach Kriegsende, als Vater und ich in der Vorstadt Brennnesseln gesammelt hatten?

Die wurden gekocht, falls jemand in unserm Mehrfamilienhaus Feuer im Herd hatte, da trafen sich alle Bewohner mit ihren kleinen Töpfchen oder gesammelten Kartoffelschalen, die konnte man auf der Herdfläche erwärmen, dann den Rest des Genießbaren von der Schale lösen; es wurden auch Brennnesseln gekocht, meist ohne Salz, das gab's nur auf dem Tauschweg - wer hatte damals was anzubieten? Also Nesseln OHNE, immerhin gekocht und dann lag dies Gemüse auf unsern Tellern, Wasser rundum.

Ein Löffel Mehl, das wär's gewesen, zum Andicken vom Grün und dem trügerischen Gefühl der Sättigung. Aber es gab kein Mehl. Den Löffel zuviel hab ich nicht in den Eimer getan; können Sie's verstehen?