Berufsbildende Schule Gerolstein

-lebensnah und mit einem etwas anderen Porträt-

Madlene Steffes, Günter Karst

Hand aufs Herz - Hätten Sie es gewusst? Die Berufsbildende Schule(BBS) in Gerolstein ist nicht nur die älteste und zahlenmäßig größte Bildungseinrichtung im Landkreis Vulkaneifel, sondern auch die Schule mit dem breitesten Bildungsangebot. Lebendig, spannend, vielfältig, lebensnah: So präsentiert sich der Schulalltag an der BBS Gerolstein.

Nichts ist so beständig wie der Wandel

Schule ist lebendig. Schlagworte wie Schulentwicklung, Unterrichtsorganisation und selbstgesteuertes Lernen belegen, wie Schulen sich in personeller und organisatorischer Hinsicht verändern, um so angemessen auf neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu reagieren. Dass dieser Wandel im Bereich der beruflichen Bildung besonders deutlich wird, zeigt ein Vergleich der heutigen BBS Gerolstein mit der Berufsschule der Vergangenheit. Vor nahezu 40 Jahren verfasste Adolf Waldorf für das Heimatjahrbuch einen Artikel, den er mit „Portrait einer Berufsschule - Momentaufnahme 1973" betitelte. Schon damals sprach er davon, dass die Berufsschule „als echte Bildungseinrichtung im Kreis Daun schon seit langen Jahren ernst genommen...(und) ihr eine besondere Darstellung gewidmet" werde. Damals war es nicht „so einfach, die Belichtung zu dieser Momentaufnahme 1973 so einzustellen, dass das gesamte Gefüge der Berufsschule überblickt werden kann, um damit den Eltern und den Schülern zu helfen, ein Verhältnis zur Berufsschule zu finden und ihre Bedeutung für den Beruf und das Leben der größten Zahl unserer Jugendlichen zu erkennen". Das gesamte Handlungsfeld der BBS Gerolstein auszuleuchten, ist seit 1973 noch viel schwieriger geworden.

Zahlreiche Schulformen sind zwischenzeitlich neu hinzugekommen und wieder von anderen abgelöst worden. Unterrichtsmethoden und Inventar sind moderner, neue Gebäudetrakte wurden gebaut. Wo einst noch Stenoblock und Schreibmaschine den Unterricht der Handelsschüler diktierten, sind jetzt moderne Computerräume zu finden, in denen u.a. angehende Systemadministratoren ausgebildet werden. Ohne die Großzügigkeit und Weitsicht des Landkreises Vulkaneifel als Schulträger, hätten all diese Maßnahmen nicht realisiert werden können und die BBS Gerolstein wäre nicht zu dem geworden, wie sie sich heute präsentiert, nämlich als ein attraktiver Ort lebensnahen Lernens.

So spannend kann Schule sein

Motivation war damals wie heute enorm wichtig. Lernten die Schüler der 60er Jahre die Tipptechnik noch im Rhythmus von "La Paloma", wie eine ehemalige Schülerin anlässlich eines Klassentreffens im Frühjahr 2012 zu erzählen wusste, so werden Unterrichtsinhalte gegenwärtig über modernste Medien erschlossen: Laptop und Beamer sind nahezu in jedem Klassenraum vorhanden, Medienwagen und elektronische Tafeln, so genannte White-Boards, laden ein zu entdeckendem und deshalb motivierendem Lernen. Lebenslanges Lernen - Bildung für jedermann: Das alles bietet die BBS Gerolstein für derzeit 1650 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 50, die von ca. 90 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden.

In der Vielfalt liegt die Stärke

Dass eine Berufsbildende Schule mehr zu bieten hat und auch mehr bieten muss als die klassische Berufsschule, die von Auszubildenden regelmäßig während ihrer Ausbildungszeit besucht wird, zeigt sich deutlich am umfangreichen Bildungsgangangebot der BBS Gerolstein. Zurzeit besuchen mehr als 500 Schüler die Wahlschulklassen, in denen sie vom Hauptschulabschluss bis zur allgemeinen Hochschulreife alle schulischen Bildungsabschlüsse erreichen können, die in Rheinland-Pfalz angeboten werden.

Wer seinen Hauptschulabschluss nicht erreicht hat, kann dies in den Klassen des so genannten Berufsvorbereitungsjahres nachholen. Die Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss werden in der einjährigen Berufsfachschule I für den Arbeitsmarkt fit gemacht. Wer weiter gehen will, der kann in der Berufsfachschule II, ebenfalls einjährig, die mittlere Reife erlangen. Schülerinnen und Schüler mit qualifizierten Sekundarabschluss I haben die Möglichkeit, auch das Abitur abzulegen - dies sowohl in Vollzeit- als auch in Teilzeitform!

Beliebt sind die Klassen der höheren Berufsfachschulen (HBF), in denen innerhalb von zwei Jahren eine vollzeitschulische Berufsausbildung absolviert wird mit dem Abschluss eines staatlich geprüften Assistenten / einer staatlich geprüften Assistentin. Angeboten werden in Gerolstein die Fachrichtungen Handel und E-Commerce, Rechnungslegung und Controlling sowie IT-Systeme. Zusätzlich kann die Fachhochschulreife erlangt werden. Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung und die mittlere Reife vorzuweisen hat, der kann die Fachhochschulreife auch in einem Vollzeitjahr in der Berufsoberschule I (BOS I) erwerben. Diese Schulform wird in den Fachrichtungen Wirtschaft und Technik angeboten. Seit Jahren sehr gut besucht ist die Duale Berufsoberschule (DuBOS), die in zwei Jahren Teilzeitunterricht ebenfalls zum Fachabitur führt. Die Fachhochschulreife berechtigt zu einem Studium an allen Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Gute Schülerinnen und Schüler mit Fachhochschulreife und abgeschlossener Berufsausbildung bzw. erfolgreich abgeschlossener höherer Berufsfachschule, die sich für einen universitären Bildungsgang qualifizieren möchten, haben an der BBS Gerolstein die Möglichkeit, in der Berufsoberschule II (BOS II) nach einem Jahr die allgemeine Hochschulreife (Abitur) zu erwerben, die zum Studium aller Fachrichtungen an Universitäten und Technischen Hochschulen befähigt.

Im Bereich der Weiterbildung wird im zweijährigen Turnus eine Klasse der Fachschule angeboten. In zwei Jahren Teilzeitunterricht wird der Abschluss Betriebsfachwirt in der Fachrichtung Marketing und Vertrieb verliehen. Aufnahmevoraussetzungen sind die mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie mindestens ein Jahr Berufserfahrung. Am Ende eines jeden Schuljahres werden die Absolventen der Abschlussklassen feierlich verabschiedet. Im Jahr 2012 konnten ca. 120 Schüler und Schülerinnen das Zeugnis der

Fachhochschulreife stolz in Empfang nehmen, 30 Schülern konnte sogar die allgemeine Hochschulreife attestiert werden. Die Mehrzahl der jungen Menschen - im Jahr 2012 waren dies insgesamt 1143 Schüler, die in vielen unterschiedlichen Berufen ausgebildet werden - besucht die klassische Berufsschule. Sie verkörpert neben dem Betrieb die zweite Säule der dualen Ausbildung. Ziel dieser Schulform ist es, den Auszubildenden Grundlagen der Allgemeinbildung und eine fachliche Grundbildung zu vermitteln.

Schüler lernen und leben soziales Miteinander!

Seit mehr als 12 Jahren engagiert sich die BBS-S chulgemeinschaft und unterstützt die Sudanaktion, die der Himmeroder Zisterzienserpater Stephan Senge ins Leben rief. Jedes Jahr bieten die Schülerinnen und Schüler in der Adventszeit Kuchen, belegte Schnittchen, Pizzabrötchen, Kaffee, Tee und andere Leckereien an. Über 25.000 Euro wurden mittlerweile gesammelt und Pater Stephan übergeben. Mit diesem Geld wurden unter anderem neue Schulen gebaut, Brunnen gebohrt und allein erziehende Witwen im Süden dieses riesigen afrikanischen Staates unterstützt. Soziales Engagement findet aber nicht nur in der Vorweihnachtszeit statt. Jedes Frühjahr organisieren die Religionslehrer mit Schülern aus unterschiedlichen Klassen einige Einkehrtage im Kloster Himmerod, praktizieren gleichsam ein „Klosterleben auf Zeit".

Junge Menschen möchten reisen, die Welt erkunden, auch über die Grenzen der engeren Heimat hinaus. Weltoffen geht es zu an der BBS Gerolstein bei Reisezielen in vielen europäischen Ländern. Auf die Reise begeben sich auch die Schüler und Lehrer, die in Austauschprogramme der Europäischen Union eingebunden sind. Seit 2008 ist die BBS Gerolstein Comeniusschule und arbeitet mit unterschiedlichen Partnerschulen aus Italien, Spanien, Frankreich und der Türkei verschiedene Projekte aus, stets verknüpft mit Besuchen in den jeweiligen Partnerländern. Vorrangiges Ziel dieser Förderprogramme ist es, Sozialkompetenzen der Schüler zu stärken und Vorurteile abzubauen. „Wir sind alle Europäer, oder?" lautet der Arbeitstitel des neuesten Projektes mit dem übergreifenden Motto: Wir sind alle Menschen und engagieren uns für andere. Diese Stärkung der Sozialkompetenz und der interkulturelle Austausch gelten auch für die Schulpartnerschaft, die die BBS Gerolstein seit vielen Jahren mit der Ökonomisch-Touristischen Schule Jelenia Gora in Polen verbindet. Sichtbares Zeichen des sozialen Engagements ist auch die jährlich stattfindende Blutspendeaktion, welche die Schulleitung in Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes organisiert. Innerhalb der drei Aktionstage beteiligen sich knapp 200 Schüler, Lehrer und Angestellte an der im Landkreis Vulkaneifel einmaligen Schulaktion. So einfach kann Helfen sein.

Non scholae, sed vitae discimus

Das ist ein Zitat des römischen Philosophen Seneca vor rund 2000 Jahren. „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir", lautet seine Übersetzung. Heute mehr denn je, ist dieser Ausspruch gültig und soll als Aufforderung an Lehrer, Eltern, Schulträger und vor allem an die Schüler verstanden werden, Bildung und Ausbildung als Chance zu begreifen, um so den vielfältigen Anforderungen der Gesellschaft Rechnung tragen zu können. Und diese Chance bietet - lebendig, spannend, vielfältig, lebensnah - der Schulalltag an der Berufsbildenden Schule Gerolstein!

Anmerkung:
Lit.: Jahrbuch des Kreises Daun, 1973, S. 25 ff.