Die Affäre Büchel

Ein Hillesheimer Amtsverwalter und sein Sohn in Nöten

Heinz Schmitt, Trier

Im Jahrbuch 2010 wurde bereits an Johann Valentin Ignaz Büchel (1757-1810) und seine Schicksale während der französischen Zeit erinnert.1 Während für Viele die Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen 1794 eine Katastrophe bedeutete, wendete sie bei Johann Valentin zunächst alles zum Guten, ehe er 1810 auf dem Weg zur Galeere im Argonnerwald bei Clermont doch noch ein spätes Opfer der französischen Gewaltherrschaft wurde.

Jahre zuvor, noch in kurfürstlicher Zeit, waren er und sein Vater Georg Jakob Büchel (geb. 1731) im Mittelpunkt einer Verleum-dungs- und Schadenersatzklage gestanden, die großes Aufsehen erregte. Der Vater hatte dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus (1768-1812) viele Jahre hindurch als Amts- und Kellereiverwalter des kurtrierischen Amtes Hillesheim treue Dienste geleistet.

Als dem alternden Vater die Amtsgeschäfte allmählich beschwerlicher fielen, hatte er Johann Valentin im Jahre 1781 mit Wissen der vorgesetzten Behörde als seinen Gehilfen angenommen, der vor allem die weiter entfernt liegenden Orte des ansonsten eher kleinen Amtsbezirks betreuen sollte. Hierzu gehörten nämlich seit kurzem auch die Orte Bouderath, Roderath, Bergheim und Vussem, die gut 30 Kilometer Fußweg von Hillesheim entfernt liegen und heute zum Kreis Euskirchen gehören. Im Jahre 1780 aber waren sie mit dem Tod des letzten Grafen von Manderscheid zu Blankenheim, Franz Joseph, als erledigte Mannlehen ans Kurfürstentum Trier heimgefallen. Zwar hatte seine Witwe behauptet, Bouderath und Roderath seien Kunkellehen, also auch in weiblicher Linie vererbbar, was Kurtrier jedoch bestritt, und so wurden alle vier kurzerhand dem Amt Hillesheim zugeschlagen, da sie diesem am nächsten lagen.

Nachdem Johann Valentin so sieben Jahre ohne Beanstandung und ohne eigenes Gehalt seinem Vater als Amtsgehilfe zur Hand gegangen war, wurden 1788 plötzlich gegen ihn Vorwürfe laut, er nehme es mit den eingenommenen Steuergeldern nicht so genau. Ihren Ausgangspunkt hatten sie in Bouderath und Roderath. Hier war es bisher üblich gewesen, die eingenommenen Gelder aus dem Holz- und Holzkohlenverkauf unter den Einwohnern aufzuteilen. Dieses Mal aber hatte Johann Valentin auf Anordnung des Vaters das Geld einbehalten und am gehörigen Ort abgeliefert. Daraufhin beantragten die beiden Gemeinden in Koblenz bei der Regierung schriftlich die Verteilung der Gelder. Diese beschied sie jedoch abschlägig und beauftragte den alten Büchel mit Schreiben vom 6. September 1788, er möge die Bouderather und Roderather Bürger darüber informieren, dass vorgesehen sei, von dem Geld den Bau eines Schulhauses in Bouderath zu beginnen sowie die Anschaffung einer Feuerspritze und eines Lagerbuches zu bestreiten. Der Unmut der Leute richtete sich nun gegen Johann Valentin, den man für das entgangene Geld verantwortlich machte. Es waren also rein eigensüchtige Motive der beiden Gemeinden, die schließlich die Familie Büchel in große Schwierigkeiten bringen sollten. Dass Johann Valentin stets vollkommen korrekt und zu ihrer Zufriedenheit gearbeitet habe, bescheinigten ihm sogar die Vussemer und Bergheimer in Belobigungsschreiben.

Ein anonymes Schreiben

1789 erreichte die Regierung dann ein anonymes Schreiben, worin behauptet wurde, Holz und Kohlengelder seien nicht zweckgerecht und nicht in voller Höhe verwandt worden, es wären nämlich nur 200 Taler für die vorgesehenen Maßnahmen ausgegeben worden. Amtsverwalter Büchel wurde somit am 8. April 1790 aufgefordert, Bericht über die Mittelverwendung zu geben. Dies tat dann Johann Valentin mit Bericht vom 4. August 1790 an die Hofkammer, weil er naturgemäß am besten darüber Bescheid wusste. Er konnte so nach genauer Rechnungslegung nachweisen, dass es tatsächlich 897 Taler waren, fatalerweise unterschrieb er die Aufstellung eigenhändig, was der Behörde die Handhabe bot, ihn später auch persönlich haftbar zu machen. Abgesehen davon enthielt das böswillige Pamphlet noch die Bemerkung, das Amt sei nicht in bestem Zustand, was sich nur gegen den alten Büchel richten konnte.

Er hatte sich nämlich zwischenzeitlich unabhängig von den Vorwürfen gegen seinen Sohn bei der Koblenzer Hofkammer als seiner vorgesetzten Behörde unbeliebt gemacht, die sich durch seine wiederholten Klagen über den maroden Zustand des Kellereigebäudes unter Druck gesetzt fühlte, aber dennoch rührte sich nichts. Erhebliche Mengen des eingelagerten Korns und der Früchte würden in Mauern und Decken versickern und von den Mäusen gefressen werden. Bereits 1785 hatten Sachverständige die Angaben Büchels bestätigt und gingen von einem Verlust bis zu 10 % aus. Aber anstatt Abhilfe zu schaffen, rechnete ihm die Hofkammer die Fehlmengen als Lieferrückstand an. Hiergegen klagte Büchel nun und verlangte seinerseits Entschädigung für den bisher von ihm geleisteten Ersatz für die verlorenen Früchte.

Alle folgenden Maßnahmen der Regierung gegen Büchel und seinen Sohn resultierten offensichtlich aus dem Wunsch, von dieser Klage abzulenken und die beiden anderweitig mundtot zu machen.

Die Regierung schickte nun zwei Kammerräte nach Hillesheim. Diese stellten in der Kellerei eine angebliche Fehlmenge im Wert von rund 5000 Talern fest, die dem alten Büchel als Rezess, also als Kassenschuld, in Rechnung gestellt wurden. Umgehend wurde ihm die weitere Amtsausübung untersagt, sein Gehalt eingezogen und alles im Haus zur Begleichung der Schuld gepfändet. Man mag sich vorstellen, was in dem altgedienten Beamten vorging, vor aller Augen auf diese Weise das Vertrauen entzogen zu bekommen.

Johann Valentin hatte sich schon in jungen Jahren für die Geschichte und Altertümer seiner Heimat interessiert, wovon der Kölner Domkapitular Clemens August von Merle (1732-1810), außerdem Präsident des kurfürstlichen Hofgerichts zu Köln und später Weihbischof, offensichtlich Kenntnis erlangt hatte. Merle war ein passionierter Numismatiker und besaß eine wertvolle Medaillen-und Münzsammlung. Er lud nun 1789 den begabten jungen Büchel nach Köln ein, wo dieser unter Zugrundelegung von Urkundenstudien die Sammlung anscheinend auswerten und katalogisieren sollte. Zu diesem Zweck hielt sich Johann Valentin von April bis Juni 1790 in Köln auf, machte im Juli einen längeren Besuch in der Heimat und kehrte im August wieder nach Köln zurück.

Die Gerüchteküche brodelt

Da die Leute den Grund seines Aufenthalts in Köln vermutlich nicht kannten, brodelte alsbald die Gerüchteküche und seine Abwesenheit wurde ihm als Flucht und Eingeständnis der Vorwürfe ausgelegt. Wie unsinnig dies war, geht daraus hervor, dass er in Köln den Trierischen Regierungsdirektor Eschermann traf, der an seinem Aufenthalt nichts zu beanstanden hatte, was doch geschehen wäre, wenn er ein regulärer Mitarbeiter des Amtes gewesen oder gesucht worden wäre.

Inzwischen war ein weiterer Kommissar der Hofkammer in Hillesheim aufgekreuzt, um noch einmal die Mittelverwendung in Bouderath und Roderath sowie Johann Valentins Abrechnungen zu überprüfen. Ohne von der Abrechnung Johann Valentins überhaupt Kenntnis zu nehmen, errechnete er eine Schuld von 732 Talern zugunsten der beiden Gemeinden. Außerdem sollten 174 Taler fehlen, die er für die Stadt Hillesheim aus Holzverkäufen eingenommen hatte. Des weiteren wären 25 von der Stadt als Forststrafe gezahlte Taler nicht abgerechnet. Alles entpuppte sich später als simple auf die Saumseligkeit des Kommissars zurückzuführende Rechenfehler. Warum hatte die Stadt ihr Geld nicht angemahnt, wenn es denn ausgestanden hätte? Und ein einfacher Blick ins Forstregister hätte gezeigt, dass auch die 25 Taler ordnungsgemäß verbucht waren. Auf den Untersuchungsbeamten vertrauend war man höherenorts von der Schuld des jungen Büchel überzeugt. Johann Valentin wurde nun mehrfach nach Hillesheim zum Verhör vorgeladen. Allerdings war die Terminsetzung so kurzfristig bemessen, dass er sie garnicht wahrnehmen konnte. So war etwa eine Ladung am 5. August 1791 ausgefertigt, am 8. ging sie in Koblenz auf die Post, war am 9. abends in Köln und er sollte sich bereits am 11. in Hillesheim einfinden. Eine weitere erreichte ihn in Köln am 8. September mit Termin zum 10. des Monats. Da diese Terminierung eindeutig nicht hinlänglich war, war sie folglich unwirksam und Johann Valentin hatte keinerlei Veranlassung, ihr nachzukommen. Dennoch entschuldigte er sich und wies nach der letzten Ladung mit beigelegtem Attest eines Kölner Wundarztes darauf hin, dass er wegen eines Beinleidens überhaupt nicht reisefähig gewesen sei.

Wie es jedoch um das Wohlwollen der Behörde bestellt war, zeigt bezeichnenderweise die Tatsache, dass bereits einen Tag später, am 11. September, ein Gesuch an den Magistrat von Köln ging, den Johann Valentin in Arrest zu nehmen und nach Koblenz zu überstellen. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Behörde nämlich noch nicht wissen, ob die Ladung Johann Valentin überhaupt erreicht hatte.

Behandelt wie ein Verbrecher

Der Kölner Stadtrat sah sich zwar im Rahmen der Amtshilfe gezwungen, dem Antrag zu entsprechen, machte aber gleichzeitig den Koblenzer Beamten deutlich, was man davon hielt. Ausdrücklich weist er nach der Verhaftung daraufhin, das gesetzwidrige Vorgehen gegen den jungen Büchel sei Schuld für den unwiederbringlichen Verlust einer Amtmannsstelle und die Beschädigung seiner Ehre und seines Ansehens. Man hatte sogar gebeten, ihm wenigstens die Inhaftierung zu ersparen, um seiner Ehre zu schonen. Später wurde gesagt, diese Stellungnahme gereiche der Stadt Köln zu immerwährendem Ruhm. Sogar sich gerade in Köln aufhaltende Trierische Beamte zeigten sich empört über die unverhältnismäßige Maßnahme. Damit war Johann Valentin nämlich wie ein tatsächlicher Verbrecher und Flüchtling behandelt worden, obwohl ihm noch nichts Konkretes vorgehalten, geschweige gegen ihn verhandelt worden war.

Johann Valentin war während seines Aufenthaltes in Köln auch an den Grafen August Joseph von Schaesberg (1730-1801) empfohlen worden, der Besitzer der Reichsgrafschaft Kerpen-Lommersum vor Köln war. Dieser hatte ihm eine Anstellung als Rat und Amtmann in Aussicht gestellt. Nach seiner spektakulären Verhaftung war daran nicht mehr zu denken. Des Grafen Frau Isabelle, eine geborene von Cortenbach, informierte den Baron und Kölner Domherrn Gottgeb von Wymar, der sich für Büchel bei den Schaesbergs verwandt hatte, in einem Brief vom 27. September 1791 mit den Worten:

Mein Herr!
Ich wünschte es für den Herrn Büchel, daß all

dasjenige, was er Ihnen von seiner Unschuld gemeldet hat, sich zu seinem Vortheile ent-wicklen werde. Indessen spricht nun einmal der Verdacht gewaltig gegen ihn. Und sollte es wohl um nichts sein, daß man sich so sorgfältig seiner Person versichert hat? Auf diese Begebenheit hat mein Mann seine Entschließung geändert, und findet es nicht mehr schicklich, eine Person in seine Dienste aufzunehmen, die öffentlich beschimpft ist. Ich bin überzeugt,
daß Sie, mein Herr! Die Billigkeit der, von mir angegebenen, Ursache anerkennen, und nicht zweiflen werden, daß in allen andern vorkommenden Gelegenheiten ich es mir allezeit zum wahren Vergnügen machen werde, Sie zu verbinden, als auch Sie der vorzüglichsten Gesinnungen zu versichern, mit welchen ich bin Meines Herrn gehorsame Dienerin Gräfin von Schaesberg geb. von Cortenbach

Zwei Tage später informiert Wymar Büchel brieflich über die Absage der Schaesbergs. Er bedauert, dass der Graf ihn nunmehr nicht mehr als Amtmann wolle, obgleich Sie die wirkliche Zusage darauf hatten, und Er auch überhaupt für sie sehr eingenommen war. Trösten Sie sich mit kristlichem Vertrauen auf die Vorsicht des Allerhöchsten, wofür sich Johann Valentin aber reichlich wenig kaufen konnte.

Nachdem er in Köln wie ein Verbrecher verhaftet war, saß er in Koblenz im Stadtgefängnis. Nach drei Monaten gelang ihm die Flucht. Erst nach Zusicherung freien Geleits fand er sich bereit zurückzukehren. Auch verlangte er die Zurückgabe seiner beschlagnahmten Papiere, da er sich ohne sie nicht verteidigen könne. Bei einer Hausdurchsuchung hatte man sogar sein Schreibpult aufgebrochen und darin befindliches Geld einfach eingezogen.

Formfehler und rechtsunwirksame Maßnahmen

Dem Vater wurde der Auszug aus dem Amtshaus verfügt, für den Vorstand einer großen Familie neben dem Gehaltsverlust eine weitere existenzbedrohende Maßnahme. Außerdem wurde zur Absicherung des im Raum stehenden Schadenersatzes das Vermögen beider beschlagnahmt.

Johann Valentin beantragte nun die Aktenversendung an auswärtige Rechtsgelehrte, was die Behörde aus gutem Grund ablehnte, obwohl die Trierische Verfassung dies ausdrücklich vorsah und gestattete. Johann Valentin wurde im Gegenteil das Geleit aufgekündigt und er erneut in Hillesheim festgenommen und in Koblenz im gewöhnlichen Strafgefängnis inhaftiert.

Inzwischen war die höchste juristische Instanz des Alten Reiches, das Reichskammergericht in Wetzlar, auf den Fall aufmerksam geworden und verlangte Aufklärung. Hier nahm sich der junge Friedrich Wilhelm von Hofmann (1766-1828) als Rechtsbeistand der Sache an. Hofmann hatte 1786 in Göttingen promoviert und war 1789 als Advokat am Reichskammergericht aufgeschworen und zugelassen worden, bevor er seit 1807 ein prominenter Jurist in Württembergischen Diensten werden sollte. 2 Dieser reichte am 30. August 1792 zunächst eine erste Supplik zugunsten der beiden Büchels ein und erwirkte eine sofortige Freilassungsverfügung für Johann Valentin. Dann ging er den Fall mit außergewöhnlicher Leidenschaft an und machte die Sache zu der seinen. Er warf seinen ganzen juristischen Sachverstand in die Schlacht, um die Unrechtmäßigkeit des bisherigen Verfahrens offenzulegen. Hierzu verfasste er zunächst eine umfangreiche Anklageschrift gegen die Trierischen Behörden, in der die angeblichen Vergehen der beiden Büchels unter Beifügung aller Beweisgründe gnadenlos zum Nichts zerpflückt wurden.^ Er legte den Finger in alle Wunden und reihte eine insanable Nullität an die andere, wie die Juristen damals Formfehler und rechtsunwirksame Maßnahmen der Gerichte und Behörden nannten. Ein Jahr später fasste er die Entstehung und den ganzen Verlauf des Geschehens noch einmal für das allgemeine Publikum zur Belehrung zusammen.4 Hofmanns beiden Schriften sind auch die hier geschilderten Fakten der Affäre entnommen. Seinen zweiten Schriftsatz rechtfertigt er in der Vorrede mit den denkwürdigen und fast schon modern anmutenden Worten: Wenn Richter oder Regenten zu oft irren und damit ganze Familien ins Unglück stürzen, muß dies publik gemacht werden, damit der Unterdrücker in sich gehe und der Unterdrückte in der Achtung der Welt eine Entschädigung finde. Er wirft den Trierischen Behörden vor, einen Rechtsfehler auf den andern gehäuft zu haben. So sei die Hofkammer in Wirklichkeit Schuldnerin und Beklagte des alten Büchel gewesen, sie aber habe ihn zum Beschuldigten gemacht und sich in die Rolle des Richters begeben, indem sie ihm die Kassenschuld aufbürdete, obwohl sie keinerlei gerichtliche Befugnisse besitze und ohne sich um die Tatsache zu bekümmern, dass wegen der fehlenden Früchte längst ein Verfahren in Koblenz anhängig war, dessen Ausgang in jedem Falle hätte abgewartet werden müssen. Was Johann Valentin angehe, so sei er in keiner amtlichen Stellung gewesen, habe also überhaupt nichts mit dem angeblichen Fehlbetrag der Holzgelder und der anderen Summen zu verantworten gehabt, das sei Sache des Vaters gewesen. Das Vorgehen in Köln sei vollkommen überzogen gewesen und habe ihm mit dem Verlust der Amtmannstelle erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt, von dem einhergehenden Ehrverlust ganz zu schweigen. Die Konfiszierung seiner Unterlagen und seines privaten Geldes im Hillesheimer Elternhaus sei quasi als Diebstahl der Untersuchungskommissare zu werten, da zu diesem Zeitpunkt keinerlei Schuldfeststellung vorgelegen habe. Obwohl die Sache Vater und Sohn gleichermaßen beträfe, habe die Regierung zwei vollkommen verschiedene Instanzen mit der Untersuchung und Urteilsfindung beauftragt, für den Vater den Trierer Justizsenat und für den Sohn die Hofkammer in Koblenz. Es seien sogar Urteile ergangen, ohne die beiden überhaupt anzuhören, also Fragen über Fragen. Hofmann fügt die eidesstattlichen Versicherungen der Brüder Peter und Georg Otto Büchel vom 18. Januar 1792 und die des Schwagers, des Metternich-Winneburgischen Amtsverwalters und Kellners in Oberehe, Peter Hörrer, vom 20. Januar bei, die einstimmig erklären, keiner in der Familie habe Johann Valentin als Flüchtling angesehen. Domherr von Merle ist am 26. März 1792 ebenfalls dieser Ansicht, er habe Büchel eingeladen, dieser habe sich also zu keiner Zeit flüchtig in Köln aufgehalten. Allein schon die Tatsache, dass 200 Taler in seinem Schreibpult gefunden worden seien, entlarve laut Hofmann die angebliche Flucht als Märchen. Advokat Hofmann beantragt nun folgerichtig die Niederschlagung des ganzen Verfahrens wegen unheilbarer Rechtsmängel, die Kassierung aller bisher in der Sache gefällten Urteile und für Johann Valentin 5000 Taler Schadenersatz und die Zurücknahme seiner

Suspendierung als Amtsgehilfe. Mit welchem persönlichen Einsatz er die Sache der Büchels vertrat, zeigen auch seine Schlussworte. Er hält noch einmal fest, beide hätten keinerlei ihnen nachgewiesene Vergehen begangen und wünscht ihnen mit ihrer Klage Erfolg und hofft: dass ihr Triumph ebenso gewiß sein möge wie ihre Leiden groß waren. Noch aber stand eine endgültige gerichtliche Entscheidung in Wetzlar aus, als die politischen Ereignisse dem Gericht eine solche abnahmen. Mit dem Einmarsch der Franzosen 1794 ins Trierer Land war der alte Kurstaat de facto Geschichte, bevor er dies mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 auch von Rechts wegen wurde. Das Reichskammergericht bestand zwar noch bis 1806, ob es aber - berühmt wegen seiner unendlichen Geduld und Langsamkeit - in der Büchel'schen Sache noch zu einer Entscheidung kam, muss bezweifelt werden. Und ob der alte Büchel noch einmal in sein Amtshaus zurückkehren konnte oder Aufnahme bei einem seiner Kinder gefunden hat, wissen wir ebenfalls nicht. Er war nämlich von seinem Nachfolger mit einer Frist von 24 Stunden daraus vertrieben worden und über einen diesbezüglichen von Hofmann beantragten Einhaltsbefehl hatte das Reichskammergericht 1794 noch nicht entschieden. Die haarsträubende Geschichte einer Intrige nennt Anke Stein in ihrer Dissertation das Verfahren gegen den Hillesheimer Amtsverwalter Büchel und seinen Sohn.5 Dem kann man nach dem Studium der Verteidigungsschriften aus der Feder Hofmanns nur zustimmen.

Anmerkungen:
1 Schmitt, Heinz, Johann Valentin Büchel aus Hillesheim (1757-1810), in: HJB Vulkaneifel 2010, S. 220-223
2 Hamberger, Georg Christoph / Meusel, Johann Georg, Das gelehrte Deutschland, Lemgo 1796-1834, IX (1801), S. 614, XIV (1810), S. 169; Stepf, Johann Heinrich, Gallerie aller juridischen Autoren, Leipzig 1820-1825, IV (1825), S. 212
3 Hofmann, Friedrich Wilhelm von, Unterthänigste Supplik...in Sachen des kurtrierischen Amtsv. Adj. Johann Valentin Ignaz Büchel zu Hillesheim, entgegen die kurtrierische Landesregierung und den Oberhof zu Coblenz, (Wetzlar) 1793
4 Hofmann, Friedrich Wilhelm von, Beytrag zur Kenntniß der teutschen Rechtspflege in peinlichen Sachen. Aus dem Kurfürstentum Trier, (Wetzlar) 1794
5 Stein, Anke, Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Wetzlar 1693-1806 als Rechtslehrer und Schriftsteller, Berlin 2002, S. 112, 219-223