Der Eifelpaul

Erinnerung an einen geachteten Mitmenschen

Franz Josef Ferber, Daun

Wohl nur die Älteren von uns werden mit dem Namen „Eifelpaul" - so nannte er sich - etwas anzufangen wissen. Manche erinnern sich daran, dass er mit seinem Fahrrad, schwer beladen mit Handelsware, über Land zog. Unvergessen bleiben dürften seine zahlreichen lyrischen Gedichte, die von tiefer Heimatliebe zeugen. Mit Peter Zirbes, dem dichtenden Steinguthändler aus Niederkail, hatte er etliches gemeinsam; der eine wie der andere hatte ein schicksalsträchtiges Leben. Die Rede ist von Paul Böthig aus Schalkenmehren, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 45. Mal jährt.

Paul Böthig wurde am 18. März 1889 in Wilthen, Kreis Bautzen/Sachsen geboren. Dort ging er zur Schule und machte danach eine Mechanikerlehre. Es war der deutsche Kaiser, der den jungen Mann in den Krieg schickte, um auf Menschen zu schießen, die ihm fremd waren. Paul glaubte, seinem Kaiser damit zu dienen. Und gedient hat er ihm, indem er sein junges Leben einsetzte. Dank dafür hat er allerdings keinen geerntet. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der oberste Kriegsherr hat ihn nach getaner Arbeit heimgeschickt, geschunden an Leib und Seele. Und was die körperlichen Wunden angeht, so hat der ehemalige Krieger zeitlebens darunter leiden müssen. Mit seinen zerschossenen Knien hat er sich ein Leben lang arg plagen müssen. Zuweilen sah man ihn stark hinkend in der Kreisstadt, wegen seiner enormen Gehbehinderung auf sein Fahrrad gestürzt.

Paul Böthig. Er nannte sich „Eifelpaul" Foto: Helga Putsch

Später hat der Staat ihm eine Kriegsrente zugesprochen. Sie war stets gering, zuwenig zum Leben und zuviel zum Sterben.

Aus dem Krieg heimgekehrt, hat Paul Böthig nicht etwa in seiner angestammten Heimat Zuflucht gesucht, sondern er kam nach Schalkenmehren. Dort wurde er in wirtschaftlich äußerst schwieriger Zeit von verständnisvollen Menschen, der Familie Peter Schäfer, aufgenommen. In diesem Familienverband fand er nicht nur eine dauernde Bleibe, sondern auch persönliches Glück; er heiratete die Tochter des Hauses und gründete eine Familie. In diesen Jahren baute Paul sich auch eine berufliche Existenz auf, einen Handel mit technischen Ölen und Fetten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1948, dem guten Bucheckerjahr, hatte er besonders viel zu tun. Die Ecker kosteten nichts, es ließ sich reichlich begehrtes Salatöl aus ihnen herauspressen. Massenhaft zogen die Dorfleute in die nahen Buchenwälder, um Buchecker zu ernten. Bei der ganzen Aktion packte Paul gehörig zu, und danach begann für ihn die Hauptarbeit. Er richtete eine Bucheckersammelstelle ein, in der die Dorfbewohner ihre Buchecker abliefern konnten, die sie von den Bäumen geschlagen hatten. Alsdann schaffte Paul sie zur Ölmühle und kam mit dem Endprodukt, dem Öl, zurück. Daraufhin verteilte er das Öl an die Bucheckerlieferanten gemäß ihrer abgelieferten Menge.

Paul Böthig hat es offenbar geschätzt, in dem ihm bis dahin fremden Eifeldorf freundlich aufgenommen worden zu sein, was damals nicht immer selbstverständlich war. Seine Dankbarkeit zeigte er auf verschiedene Art und Weise. Zum Beispiel: Zu Anfang der 1930er Jahre plante ein einheimischer Kaufmann, im Bereich des Totenmaares - genauer gesagt, zwischen dem Weinfelder und dem Schalkenmehrener Maar - ein „Hotel" zu bauen. Hierüber waren die Schalkenmehrener, in deren Gemarkung die beiden Maare liegen, in hohem Maße empört. Sie machten gegen diese befürchtete „Verschandelung des Totenmaares", wie es in den amtlichen Schriftstücken heißt, mobil, äußerten ihren Protest lautstark und in verschiedener Form (z. B. große Protestkundgebung der Bevölkerung an der Weinfelder Kapelle, Brief des Gemeindevorstehers Schmitz vom 17.10.1932 an den Herrn Regierungspräsidenten in Trier am 12.1.1933, Resolution des Gemeinderates an Herrn Dr. Bracht, Reichsminister des Innern in Berlin). In den betreffenden Akten taucht auch der Name mit Unterschrift Paul Böthig auf; offensichtlich war er an der Protestaktion aktiv beteiligt. An vielem, was mit Kultur zu tun hat, war Böthig interessiert. Genannt sei das Theaterspiel, das heißt die Freilichtaufführungen am Weinfelder Maar („Das Spiel von Sankt Christophorus", 1951, inszeniert von Anna Droste-Lehnert). Hier war er neben etlichen anderen mit von der Partie. Paul Böthig war geistig rege und tätig. Dazu passt es, dass er, so wird berichtet, ein guter Schachspieler war. Am meisten jedoch beeindruckt seine Dichtung, im besonderen seine zahlreichen lyrischen Gedichte, vom Inhalt her, wie bereits erwähnt, zumeist heimatbezogen. Hier spürt man besonders seine Liebe zur Eifeler Landschaft. Und sie zeugen davon, dass er, der evangelisch-lutherische Christ, gläubig war. An dieser Stelle können sie nicht alle dargestellt werden; zwei Beispiele sollen hier genügen:

Bootsfahrt auf dem Schalkenmehrener Maar. Von rechts: Paul Böthig in jüngeren Jahren, seine Ehefrau Barbara und sein Schwager Michael Schäfer Foto: Helga Putsch, Daun