„Milch macht müde Männer munter"

Dauner Molkerei

Alois Mayer, Daun

Was Jüngere kaum mehr wissen: in Daun gab es dereinst in der Mehrener Straße an dem markanten Eisenbahnviadukt, auf dem Gelände einer heutigen Tankstelle, eine kleine, aber seinerzeit dennoch bedeutende Molkerei. Sie hatte nur 19 Jahre bestanden, ist aber dennoch ein Mosaikstein innerhalb der facettenreichen Dauner Geschichte. Aber auch in der Geschichte der landwirtschaftlich einst klein strukturierten Eifel, in der die Erfassung und Verarbeitung der Milch durch Molkereien relativ spät begann, hauptsächlich erst in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Untrennbar mit dieser Molkerei verbunden, ist der Name ihres ersten Direktors, Erich Lingens. Dieser wurde am 9.6.1908 in Krefeld geboren. Seine Jugend verbrachte er in Kevelaer-Berendonk, wo er nach dem Besuch der Volksschule eine Molkereischule besuchte, in der er neben einer Kaufmannslehre auch den Beruf eines Molkereiarbeiters erlernte, den er später mit einer Meisterprüfung abschloss.

Er arbeitete in verschiedenen Molkereien, unter anderem auch in Laufeld in der Eifel. Sein Drang nach größeren Betrieben, in denen er eher seine Vorstellungen und Ziele verwirklichen konnte, führte ihn nach Trier, wo er mehrere Jahre in der dortigen Molkerei wirkte. Doch die Eifel hatte ihn gefesselt, zumindest das Fräulein Ida Heck aus Laufeld, das er 1932 zu seiner Ehefrau nahm. Ida fühlte sich in ebenfalls dem großen Trier nicht wohl, da sie sehr mit der Eifel verbunden war. Ihr Wunsch war es, in der Eifel, und nicht allzu weit vom Heimatort, zu wohnen. So wechselte Erich Lingens zur Molkerei Großlittgen, deren Leitung er übernahm. Doch seinen Traum, eine Molkerei nach neuesten Erkenntnissen und mit fortschrittlichen Ideen zu leiten, konnte er erst 1935 verwirklichen, in dem Jahr, als in Daun eine neue Molkerei erbaut wurde. Deren Eigentümer waren Landwirte, die sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen hatten, mit einem ehrenamtlichen Aufsichtsrat und Vorstand. Die Hauptaufgabe der Genossenschaft bestand darin, die von den bäuerlichen Anteilseignern gelieferte Milch zu verarbeiten und zu vermarkten. Erich Lingens hatte sich für Daun als Direktor und hauptamtlicher Geschäftsführer dieser neuen Molkerei beworben und auch die Stelle erhalten.

Familie des Molkereidirektors Lingens, Daun

Anfangs leitete er noch die Molkerei Großlittgen weiter, bis er dann mit seiner Familie, mittlerweile waren ihm bereits zwei Kinder geboren worden, ganz nach Daun in das Molkereigebäude zog, um dort nur mehr das Dauner Werk zu leiten. Dort wurde ihm noch ein drittes Kind geboren. Gleichzeitig mit der Dauner Molkerei betreute Erich Lingens auch noch die Rahmstation in Oberstadtfeld. Mit Leidenschaft und Überzeugungskraft konnte er viele Bauern zu der Einsicht bringen, nach und nach das nur geringe Milchmenge liefernde Glanvieh gegen bessere Milchkühe, zum Beispiel gegen das rotbunte Milchvieh zu wechseln.

Der Tag beginnt um fünf Uhr

Der Tagesbetrieb der Dauner Molkerei begann morgens um fünf Uhr. Von all den Dörfern in weitem Umfeld wurde die Milch, die die Bauern in großen Blechkannen auf sogenannten Milch- oder Kannenböcken bereitstellten, herangefahren, meist mit Pferdegespannen. Das Einzugsgebiet umfasste die Ortschaften rund um Daun bis hin nach Oberehe, bis Betteldorf, Utzerath, Bleckhausen, das Tal der Kleinen Kyll und die gesamte Struth. Der Transport mit motorisierten Fahrzeugen oder durch seitens der Dauner Molkerei angemietete LKW's (Hubert Meerfeld, Weidenbach; Philipp Perling, Darscheid; Karl Blum Neunkirchen) setzte erst nach 1937 ein. In manchen Orten gab es so genannte Milchsammelstellen mit oft nur einem Angestellten, die im früheren Sprachgebrauch ebenfalls als Molkerei bezeichnet wurden, von wo aus dann die Milch nach Daun transportiert wurde. Da herrschte großer Betrieb an der Verladerampe, einmal zum Abladen der Kannen,

Maria Niederprüm mit Milchkannen unterwegs von Üdersdorf nach Daun

F.: Archiv Alois Mayer

zum anderen aber auch wieder zum Aufladen, denn die Bauern nahmen die übrig gebliebene Magermilch wieder mit nach Hause zur Viehfütterung. Die Milchsammelstellen und die Molkerei waren ebenfalls sehr beliebte Orte der Kommunikation, wenn Bauern oder „Milchjungen" die Milch anlieferten und die Wartezeiten zum Gespräch oder zum „Lösen lokaler oder bedeutender weltpolitischer Probleme" nutzten.

In der Molkerei waren drei Molkereiarbeiter und zwei Bürokräfte fest angestellt. Die Rohmilch wurde entgegen genommen, gewogen, deren Fettwerte in einem eigenen Labor bestimmt und Qualitätskontrollen vorgenommen. Die in großen Kesseln gesammelte Milch wurde anschließend durch Zentrifugen gejagt, um Fett und Rahm zu gewinnen, die in großen Bottichen zu Butter gefertigt, abgewogen und dann mit der Hand zum Versand verpackt wurden, täglich bis zu zehn Zentner Butter. Gegen Nachmittag war dann die tägliche Produktion beendet. Es begann das große Saubermachen, Reinigen und Desinfizieren der Räume, Gerätschaften und der Verarbeitungsmaschinen. Die Dauner Molkerei produzierte mehrere Rohmilchsorten mit verschiedenen Fettge-

Molkerei Daun um 1937; links Matthias Niederprüm von der Üdersdorfer Mühle, der mit seinem Mauleselgespann Milch nach Daun lieferte; rechts ein Milchauto des Unternehmens Hubert Meerfeld, Weidenbach halten, Sahne, Frischkäse und Butter, die als „Deutsche Markenbutter" in den Großhandel verkauft wurde. Ebenfalls hergestellt wurde eine Art Romadur-Weichkäse sowie große runde Hartkäselaibe. Erich Lingens war auch einer der ersten, der im Bereich der Vulkanei-fel bereits Joghurt durch Milchsäurebakterien erzeugen ließ.

Während des Krieges wurde Herr Lingens nicht als Soldat eingezogen, da er als Direktor dieses bedeutsame Werk weiter leiten sollte. Da aber bereits „Männermangel" herrschte, wurden drei kriegsgefangene Franzosen und ein Russe des Morgens unter Bewachung aus ihrem Gefangenenlager im Daufeld zur Arbeit in die Molkerei gebracht und nachmittags wieder ins Lager zurückgeführt. Obwohl gegen Ende des Krieges die Stadt und der Landkreis Daun sehr unter Luftangriffen und Bombenabwürfen zu leiden hatten, und der Eisenbahnviadukt, in dessen Schatten die Molkereigebäude standen, mehrmals Angriffziel war, blieb die Molkerei verschont. Wohl wurde das Werk ab Dezember 1944 geschlossen. Die Kämpfe und die Luftangriffe waren so heftig, dass keine Milch mehr nach Daun geliefert werden konnte, ohne sich einer Lebensgefahr auszusetzen. Zudem beschlagnahmte die Deutsche Wehrmacht die Privaträume der Familie Lingens, in denen ein Lazarett eingerichtet wurde. Die Familie nahm während dieser Zeit Wohnung in der Altburg bei Daun. Als der Krieg endete, hatte Familie Lingens viel Arbeit, Gestohlenes und mutwillig Zerstörtes wieder anzuschaffen und zu reparieren. Eine schwierige Aufgabe, angesichts des Nachkriegschaos und des mangelnden Materials. Die Besatzungsmacht, Amerikaner als auch Franzosen, halfen mit, dass der Molkereibetrieb wieder aufgenommen und damit den Bauern als auch der hungernden Bevölkerung geholfen werden konnte.

Hillesheim sahnt ab

Gerade in der Zeit nach der Währungsreform ging die Anlieferung der Milch für Monate rapide zurück. Privatkunden kauften direkt beim Bauern, zahlten für Butter wesentlich höhere

Preise (bis zu 5 Mark für Vi Kilogramm!), als die Molkereien ihren Genossenschaftsmitgliedern bieten konnte. Die Landwirte fühlten sich selbständig, und viele waren fest entschlossen, Molkereien nicht mehr zu beliefern. Doch die kommenden Jahre kündeten neben wirtschaftlichem Aufschwung bereits einen landwirtschaftlichen Wandel an, der bis heute noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Die Molkerei in Hillesheim, die durch acht Landwirte am 15. Januar 1934 in Betrieb genommen wurde, expandierte, entwickelte sich so rasch, dass sie in der Konkurrenz zu Daun als Sieger hervorging. . Das Einzugsgebiet, welches der Dauner Molkerei zugeteilt worden war, war zu klein. Ein rentabler Betrieb konnte sich nicht entwickeln. Das Milchaufkommen der Hillesheimer Genossenschaft stieg unaufhörlich, betrug 1936 bereits rund 7 Millionen Kilogramm pro Jahr, so dass bereits nach zwei Jahren Betriebszeit ein Erweiterungsbau notwendig wurde. Die Produktion beschränkte sich auf Butter, während achtzig Prozent der Anlieferungsmenge als Magermilch von den Lieferanten zurückgenommen wurde.

Nicht alles in Butter

Daun konnte trotz größter Mühe von Vorstand und Betriebsleitung nicht den Auszahlungspreis Hillesheims erreichen. Der Unmut der Dauner Mitglieder wuchs, eine Fusion wurde unvermeidlich. Den höchsten Auszahlungspreis in der Eifel zahlte jedoch die Molkerei in Blankenheim. Der Dauner Vorstand und Aufsichtsrat beschloss nun, sich dieser Molkerei anzuschließen. Fusionsverhandlungen mit Blankenheim wurden aufgenommen, die aber bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt waren. Zum einen lag die Molkerei Hillesheim genau zwischen Daun und Blankenheim, und zum anderen gehörte Blankenheim zum Nachbarland Nordrhein-Westfalen.

Ehemalige Milchannahmestelle Neunkirchen

Was blieb damals anders übrig, als sich mit der Molkerei Hillesheim zu vereinigen. Im Sommer 1954 war es soweit. Die Generalversammlungen beider Genossenschaften stimmten zu. Am 1. November 1954 schloss die Dauner Molkerei ihren Produktionsbetrieb. Die Genossenschaft verkaufte die Maschinen und die Anlage. Erich Lingens litt sehr darunter. Wenige Monate später verstarb er am 9. April 1955 mit nicht ganz 47 Jahren. Seine Familie musste ihre Wohnung verlassen und mietete sich in der Bahnhofsstraße ein. Von dort aus betrieb sie einen mobilen Milchhandel. Täglich holte sie frühmorgens Milch in Hillesheim ab und lieferte sie zu einzelnen Kunden oder verkaufte sie in ihrem eigenen SpezialMilchgeschäft in der Wirichstraße, das aber auch Mitte der 1960-er Jahre seine Tätigkeit einstellte.

Anfangs standen die Gebäulichkeiten recht lange leer, bis sie dann von der Straßenbauverwaltung aufgekauft wurden, um etliche Jahre später in desolatem und baufälligem Zustand abgerissen und durch den Bau eine Tankstelle ersetzt zu werden. Die Molkerei in Hillesheim mit dem Namen „Eifelperle Milch e.G." existiert seit Januar 2001 ebenfalls nicht mehr. An diesem Termin fusionierte sie mit „Hochwald Nahrungsmittelwerke, Thalfang", deren Genossenschaft sich seitdem „Erbeskopf Eifelperle eG" nennt.