Weißer Sonntag im Wandel der Zeit

Matthias Thömmes, Philippsheim

Am ersten Sonntag nach Ostern wird überall im Lande der „Weiße Sonntag" begangen. An diesem Tag werden die Kinder des 3. Schuljahres erstmalig zum Tische des Herrn geführt. Das war nicht immer so. Erst 1910 bestimmte Papst Pius X. in einem Dekret, dass die Kinder zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr zur Erstkommunion geführt werden sollen. Bis dahin empfingen die Jugendlichen erst mit 14 und 15 Jahren erstmalig die hl. Kommunion. Auch der Tag war nicht festgelegt. Die Eltern führten ihre Kinder an einem beliebigen Sonntag auf einfache Weise erstmals zum Altar. Es gab weder in der Kirche noch zu Hause eine besondere Feier. Ebenso gab es keine Festtagskleidung und keine Geschenke. Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte hat sich der „Weiße Sonntag" allmählich zu einem festlichen Feiertag gewandelt, an dem die Mädchen in weißen Kleidern, die Jungen im schwarzen Anzug die erste hl. Kommunion empfangen. Der Name „Weißer Sonntag" ist jedoch nicht von diesen weißen Kleidern abgeleitet, sondern hat einen anderen Ursprung. In früheren Zeiten wurden nämlich die Kinder in der Osterwoche getauft und trugen dabei ein weißes Gewand, das sie erst am folgenden Sonntag - also am heutigen „Weißen Sonntag" - wieder ablegten. Daher der Name.

Früher wurde die Vorbereitung auf den Empfang der ersten hl. Kommunion ausschließlich vom Pfarrer in Form eines zusätzlichen Religionsunterrichtes, dem so genannten Kommunionunterricht, durchgeführt. Dieser begann bereits viele Wochen vor dem „Weißen Sonntag". Darin eingeschlossen war auch die Vorbereitung zur ersten Beichte, der die Kinder in banger Erwartung entgegensahen. Während der ganzen Vorbereitungszeit waren diese angehalten, besonders brav und folgsam zu ein. An Fastnacht durften sie sich nicht verkleiden, mussten während der Fastenzeit auf Süßigkeiten und andere angenehme Dinge verzichten und werktags regelmäßig die Morgenmesse und den Kreuzweg besuchen.

Mit großer Aufregung fieberte man der ersten Beichte entgegen. Sorgfältig wurden die begangenen „Sünden" auf ein Blatt Papier geschrieben und auswendig gelernt. Mit Bangen betraten die Kinder dann den Beichtstuhl und fühlten eine riesige Erleichterung, wenn nach dem Sündenbekenntnis vom Pfarrer die Absolution erteilt worden war.

Bis in die 1960er Jahre wurde der „Weiße Sonntag" in familiärer Umgebung gefeiert, für den die Mutter selbst die Vorbereitungen traf und den bekannten Hefefladen für den Nachmittags-Kaffee backte. Nur die engsten Verwandten und Paten wurden eingeladen, und auch die Geschenke hielten sich in Grenzen: vom Paten vielleicht eine Uhr, von den Eltern ein Gebetbuch, ein Halskettchen mit Kreuz oder einen Rosenkranz. Zentrales Ereignis war der Gottesdienst am Vormittag, in dem die Kinder erstmalig die hl. Eucharistie empfingen. Am Morgen des „Weißen Sonntags" hieß es absolut nüchtern zu bleiben. Kein Bissen, kein Schluck Wasser durfte zu sich genommen werden. Sogar das Zähneputzen ließ man ausfallen aus Angst, man könnte versehentlich etwas Wasser hinunter schlucken. Wie auch heute noch, wurden die Kinder unter den Klängen der Musikkapelle zur Kirche geführt. Feierlich erklang das Lied:

Deinem Heiland. deinem Lehrer, deinem Hirten und Ernährer, Zion stimmt ein Loblied an.

Groß war die Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten, wenn die Kinder zum Altar geleitet wurden und die hl. Hostie empfingen. Nach dem für damalige Verhältnisse üppigen Mittagessen (etwa ähnlich dem Kirmesessen mit Suppe, Braten, Kartoffeln, Gemüse und Nachtisch) in häuslicher Runde besuchte man nachmittags die Dankandacht und am Montagmorgen nochmals - wie auch heute noch üblich - die Dankmesse. Als Erinnerung an diesen Tag erhielten die Kinder ein „Erstkommunionbildchen" und eine Urkunde vom Pfarrer.

Birgit Helfen

Auch die Kommunionkerze durften sie mit nach Hause nehmen. Die Kinder aus den Filialorten mussten sowohl zu den Vorbereitungsstunden als auch am Tag der Erstkommunion oft weite Wege zur Pfarrkirche zurücklegen, so auch in Wallenborn. Hier ergab sich am Weißen Sonntag eine besondere Situation. Da der Ort Filiale des Pfarrortes Salm war, fand hier auch die Vorbereitung und die Feier der Erstkommunion statt. Die Wallenborner Erstkommunikanten mussten daher zum Religionsunterricht, zur Beichte und am Erstkommuniontag in das drei Kilometer entfernte Salm zu Fuß gehen. Damit sie am „Weißen Sonntag" den Weg nicht zweimal zurücklegen mussten (Kommunionfeier und nachmittägliche Dankandacht), durften sich die Wallenborner Kinder in Salm ein Kommunionkind wählen, mit dem sie dann zusammen in Salm den Tag feiern konnten. Man nahm nach der Erstkommunionfeier zusammen das Mittagessen im Elternhaus des Salmer Kommunionkindes ein und begab sich dann am Nachmittag zur Dankandacht in die Kirche. Nach der Andacht gingen die Wallenborner dann nach

Hause und tranken hier mit ihren Verwandten den Nachmittagskaffee. Abends gab es noch ein zünftiges Abendessen, dann war der bewegte und ereignisreiche Tag für das Kommunionkind zu Ende. Doch die Nachwirkungen hielten noch lange an und manche Eindrücke blieben das ganze Leben. Heute hat sich vieles geändert. Zwar ist der kirchliche Ablauf in etwa geblieben, doch der übrige Tag wird vollkommen anders gestaltet. Das Fest hat solche Formen angenommen, dass eine häusliche Feier nicht mehr möglich ist. Schon Jahre vorher muss man einen Raum in einem Restaurant vorbestellen, der groß genug ist, um alle geladenen Gäste aufzunehmen und wo man den Tag feiern kann, denn manche Lokale sind schon bis zu drei Jahre im voraus ausgebucht. Die Kinder werden mit teuren Geschenken überhäuft. Vor allem die Geldgeschenke haben in den letzten Jahren derart überhand genommen, dass Tageseinnahmen von tausend Euro und mehr keine Seltenheit sind. Sicher gelten in unserer heutigen Zeit andere Maßstäbe als früher, doch darf es nicht sein, dass diese materiellen Dinge den eigentlichen Sinn und Zweck des Tages in den Hintergrund drängen. Auch die Art der Vorbereitung auf den Empfang der ersten hl. Kommunion hat sich geändert. Infolge des gravierenden Priestermangels wird der Erstkommunionunterricht mehr und mehr von Laienhelfern, meist von Müttern übernommen. Sie bereiten die Kinder auf das große Ereignis vor und üben auch den Gottesdienst ein. Obwohl dieser Laieneinsatz hauptsächlich der Entlastung des oft überforderten Orts- bzw. Gebietspfarrers dient, hat er doch auch eine zusätzlich positive Seite, da er die Mitverantwortung der Gemeinde für die Weitergabe des Glaubens und die Einführung der Kinder in das Leben der Kirchengemeinde viel stärker berücksichtigt. Noch wichtiger aber ist, dass bei den Kindern das eigentliche eucharistische Geschehen an diesem Tag im Mittelpunkt steht und das Ereignis der Erstkommunion kein einmaliges Erlebnis für die Kinder ist, sondern auch in ihre Zukunft so nachwirkt, dass sie auch weiterhin rege und aktiv am kirchlichen Leben teilnehmen.

Literatur:
Joachim Schröder: Brauchtumslandschaft Eifel Band II - Helios-Verlag 1997